Oper "Norma" in London

Kruzifixe und Hüpfball

Die Sängerin Sonya Yoncheva bei der Verleihung des Musikpreises Echo Klassik 2015 in Berlin
Die Sängerin Sonya Yoncheva bei der Verleihung des Musikpreises Echo Klassik 2015 in Berlin © dpa / picture alliance / Clemens Bilan
Von Franziska Stürz · 12.09.2016
Eigentlich sollte Anna Netrebko die Titelpartie in Bellinis Oper "Norma" in London singen. Doch zum Saisonstart am Covent Garden brillierte der vermeintliche Ersatz: Die junge Sopranistin Sonya Yoncheva überstrahlte alles.
Zwei Elemente machen die mit Spannung erwartete Neuproduktion von Vincenzo Bellinis "Norma" in London zum Opernereignis: Die phänomenale Hauptdarstellerin Sonya Yoncheva und das außergewöhnliche Bühnenbild von Alfons Flores.
Der heilige Hain der Gallier wird zum faszinierenden Wald aus Kruzifixen, und Regisseur Alex Ollé lässt Norma als Priesterin eines christlichen Ordens auftreten, dessen Rituale stark an die der katholischen Kirche erinnern. "Casta Diva" erklingt hier zum sanft schaukelnden Weihrauchfass von der Kanzel gesungen. Inhaltlich schräg, aber atmosphärisch stark ist das.
Die Regie in diesem improvisierten sakralen Raum bleibt den langen ersten Akt über dabei statisch, aber im zweiten erlebt man Norma als allein erziehende Powerfrau, deren Kinder im schicken Wohnzimmer vor dem Fernseher sitzen, oder lustig zu den Koloraturen in der Musik auf dem Hüpfball hopsen.

Herrliche Duette, makelloser Klang

Sonya Yoncheva überstrahlt mit schlanker, perfekt geführter Stimmgebung alle Solisten, und kombiniert mädchenhafte Ausstrahlung mit dramatischen Passagen nach dem großen Vorbild der Callas. Ihr Klang ähnelt auch gelegentlich dem ihrer Kollegin Anna Netrebko, die man aber in London nicht vermisst, denn Sonya Yoncheva ist weit mehr als ein Ersatz. Mit der bisweilen etwas verhalten singenden Sonia Ganassi als Adalgisa harmoniert sie in den herrlichen Duetten wunderbar, und auch Joseph Calleja steigert sich als Pollione beachtlich bis zum tragischen Schluss.
Antonio Pappano sorgt mit dem Orchester des Royal Opera House für makellosen Belliniklang, der stark auf große, elegische Bögen setzt. Das zieht sich zwar gelegentlich, aber die diffizile Begleitung der Sänger und die Balance stimmen immer.
Eine beachtliche Londoner "Norma" ist das, die man am 26.9. auch in den deutschen Kinos zu sehen bekommt.
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