Onlinewerbung

Immer den Augen nach

Von Susanne Nessler · 09.01.2014
Onlinewerbung ist oft nicht besonders einfallsreich, meist nervt sie auch und trotzdem funktioniert sie. Mit der Hilfe von Psychologen wird sie ständig weiterentwickelt – damit die Kaufbotschaften beim User ankommen.
"Wir sehen hier die ganzen elektronischen Apparate, die wir einsetzen."
Computer, Bildschirme, Kameras, Lautsprecher, Kabel, Kopfhörer, ein Sofa - im Labor des Berliner Unternehmens Eyesquare steht Michael Schließl und bereitet einen kleinen Test vor. Der Psychologe berät in Sachen Onlinewerbung und untersucht, wie Werbebotschaften beim Kunden ankommen.
"Hier sehen wir den Eyetracker, das ist eine Art Webcam."
Dazu gehört als Erstes die Blickmessung, also die Länge und die Art der Betrachtungszeit, erklärt Werbeforscher Philipp Leppert, der beim Versuchsaufbau hilft:
"Der Eyetracker fängt jetzt hier Ihre Augen ein, das ist ein ganz schwaches Infrarotlicht, was ausgesendet wird, und darüber Ihre Augen detektiert, und …"
Der Eyetracker ist eine Spezialbrille, die eine Art Bewegungsprofil der Blickbewegung erstellt. Ein Standardverfahren in der Werbeforschung:
"Es gibt verschiedene Modelle in der Psychologie, was die Wahrnehmung und die Aufmerksamkeit wirklich aussagt. Wir können natürlich daraus schließen, wo ein Nutzer oder ein Shopper Informationen vermutet, also es gibt Aufschluss über das mentale Modell, was dahinter liegt. Wenn Informationen immer in bestimmten Bereichen gesucht werden, dann ist das entweder etwas Gelerntes oder etwas Erwartetes."
Fixiert die Versuchsperson einen konkreten Bildausschnitt, spricht das für erhöhte Aufmerksamkeit. Wer einen Text liest, fixiert auch, allerdings etwas anders als bei einem Bild. Aber auch hier lässt sich sagen, wie aufmerksam etwas gelesen wurde. Wandert der Blick in bestimmten Abständen von einem Punkt zum anderen und bleibt nirgendwo länger ruhig stehen, dient das der Orientierung. Dauert sie allerdings zu lange, heißt das meist, die Seite oder das Bild ist zu unübersichtlich gestaltet, der Benutzer findet sich nicht zurecht.
Gesichter als Eyecatcher
Am häufigsten werden übrigens Gesichter angeschaut. Kein Wunder also, dass viele Unternehmen mit fröhlich schauenden Personen für ihre Produkte werben. Häufig sind Gesicht und Produkt im Wechsel, aber immer an der gleichen Stelle, zu sehen. Bannerwerbung zum Beispiel nutzt diesen Effekt gern.
Und? Hat uns das gefallen oder eher nicht? Der Blick allein reicht noch nicht aus, die Werbeforscher benötigen weitere Daten. Deshalb ermitteln sie über kleine Elektroden an den Fingern den Erregungszustand ihrer Versuchspersonen. Ebenso gibt der Blick auf die Pupille Aufschluss. Ihre Größe zeigt nämlich, ob der Versuchsteilnehmer an einem bestimmten Punkt besonders interessiert war, oder ob seine Augen gelangweilt über den Bildschirm gewandert sind.
Eines der Verfahren, das Florian Kerkau, Medienforscher und Onlineexperte bei dem Berliner Marktforschungsunternehmen Goldmedia gern verwendet:
"Wir schauen auch manchmal ins Gehirn rein. Da gibt es so Methoden, wo man mit infrarotem Licht einfach ins Gehirn strahlen kann und sehen kann, wie hoch die Sauerstoffsättigung bestimmter Hirnbereiche ist. Um auch festzustellen, in welcher Form das auch emotional wirkt, was da gesehen wird."
Das Internet ist für Werbende allerdings meist nur ein Kanal von vielen – aber ein immer wichtigerer! Neben Computer und Laptop, sind heute oft noch Smartphone und Tablet in Gebrauch. Nicht selten werden zwei Bildschirme gleichzeitig genutzt. Von Männern übrigens häufiger als von Frauen, ebenso wie von unter 55 Jährigen. Für Verkäufer ist das werbepsychologisch ideal.
Denn kommt dieselbe Information über verschiedene Kanäle, wird sie glaubwürdiger in unserer Wahrnehmung, sagt Florian Kerkau:
"Genauso ist es in der Werbung. Wenn das Internet sagt, kauf mal das. Und das Fernsehen sagt das. Und das Radio sagt das. Habe ich drei Quellen, die vermeintlich unabhängig sind und bin eher geneigt, mich diesem Urteil zu beugen, als wenn ich das nur aus einer Quelle habe."
Die digitale Welt erweitert somit den Wirkkreis der Werbenden enorm. Allerdings funktioniert nicht alles überall gleichermaßen. Das bedeutet, Werbung wird, je nachdem, auf welchem Endgerät sie zu sehen ist, auch anders konzipiert, betont Michael Schießl:
"Da gibt es natürlich Unterschiede, das ist ein ganz neues Feld. Dadurch dass die Displays kleiner sind, ist die Aufmerksamkeit auf die Werbung deutlich anders."
Bildschirmgröße entscheidend
So erfahren einzelne Wörter auf dem Smartphone sehr viel mehr Aufmerksamkeit, als zum Beispiel ein komplexes Bild. Je kleiner der Bildschirm, desto eher fokussieren wir auf Textelemente. Google mit seiner simplen Suchmaske hat daran sicher auch einen Anteil. Das Netz bietet Teilhabe und das nutzen Werbetreibende auf unterschiedliche Weise.
Virales Marketing, die Platzierung von Produkten über soziale Netzwerke und Bewertungsfunktionen für Kunden auf großen Plattformen, sind sehr erfolgreiche Taktiken. Sie vermitteln dem Nutzer nicht nur: Wir verstehen deine Bedürfnisse, sondern du darfst auch mitreden.
Florian Kerkau:"Da sehen wir die Effekte des Internets, dieser ganzen kommunikativen Medien, die ja nicht nur eine Einbahnstraße sind in der Kommunikation, sondern tatsächlich auch eine Interaktion ermöglichen. Und insofern ist es richtig und logisch, dass die Werbung diesen Weg mitgeht und in die Interaktion einsteigt und versucht, diese modernen Dinge zu nutzen. Um letztendlich ihre Produkte auf den Markt und auch an den Kunden zu bekommen."
In diesem Sinne startet jetzt auf Facebook ein weiteres Werbetool. Auf der Social Media Plattform werden demnächst kurze Werbeclips abspielt, die sonst nur im Fernsehen oder auf YouTube zu sehen sind. Wie gut diese Werbebotschaften beim Nutzer ankommen werden, wird eine wichtige Frage sein. Immerhin hat Facebookgründer Marc Zuckerberg die Einführung dieser Werbeclips schon einmal verschoben.
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