Online-Strategien der Neuen Rechten

Die Alt-Right-Bewegung radikalisiert sich im Netz

Mit Schulzschilden und Stöcken ausgerüstete rechte Demonstranten in der US-Stadt Charlottesville.
Der Ton im Netz ist rau geworden - nicht nur dort, wo sich Rechte versammeln © imago / Pacific Press Agency
Angela Nagle im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 12.09.2017
Die sogenannte Alt-Right-Bewegung in den USA habe sich bisher hinter Ironie verstecken können, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Angela Nagle. Doch seit den Ereignissen von Charlottesville sei das anders: "Jetzt ist es erkennbarer eine extrem rechte Bewegung".
Die irische Kommunikationswissenschaftlerin Angela Nagle hat jahrelang die Online-Kommunikation der sogenannten "alternativen Rechten", der "Alt-Right", und ihrer Gegner studiert. Ihr Buch darüber heißt "Kill All Normies: Online Culture Wars From 4Chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right".
Das Internet als Ort von Freiheit und Befreiung - dieser Eindruck hat sich in den vergangenen Jahren tatsächlich komplett geändert, meint Nagle: Angefangen bei den Selbstmorden von Teenagern durch das Bullying und Mobbing im Netz, über Trolle, die lügen und Menschen gezielt bedrängen, bis hin zum Gamergate, einer Bewegung im Netz gegen Feminismus.
Die Comicfigur "Pepe der Frosch", eigentlich  eine komplett unpolitische Comicfigur des Zeichners Matt Furie, wurde von der Alt-Right-Bewegung gekapert.

Die Grausamkeit wohnte dem von Anfang an inne

Angefangen hatte das auf der Website "4chan", einer Seite im Netz, auf der vornehmlich Bilder gepostet und diskutiert werden. Dort wurde nie ein politisches Programm verfolgt, doch irgendwann entwickelte sich die Community dort nach rechts.
"Das war leicht, weil es dem innewohnte in seiner Grausamkeit und Tabulosigkeit", meint Nagle. Doch nun habe Pepe als Symbol ausgedient, glaubt Nagle.
"Ich denke, dass die Zeit, in der die Kultur der Alt-Right von Ironie verschleiert war, nun endgültig vorbei ist. Bis zum Ereignis von Charlottesville haben immer alle so reagiert, wenn man was kritisierte: Aber das ist doch ironisch! Und diese Reaktion ist heute absolut undenkbar geworden."
In Charlottesville hatte es im August diesen Jahres eine rechte Demonstration gegeben, bei der hinterher einer der Rechten vorsätzlich eine Gegendemonstrantin getötet und 19 weitere Personen verletzt hatte.
Aber war Charlottesville nicht auch irgendwo ein isoliertes Ereignis?
"Man kann schon sagen, dass es insgesamt kleiner und isolierter geworden ist, aber auch militanter. Man weiß nicht, wie sich das entwickelt."
Doch immerhin habe es dadurch nicht mehr den Status einer breiten Internet-Kultur, die sich nur vage und verschwommen ausdrückt und deshalb in der Lage sei, so viele mit sich zu ziehen.
"Jetzt ist es erkennbarer eine extrem rechte Bewegung. Wenn man liest, worum es ihnen geht, dann sagen sie, dass es ihnen darum geht, die westliche oder vielmehr die europäische Zivilisation zu retten.
Es ist interessant zu sehen, wie sich die Online-Kultur entwickelt. Da ist einerseits diese anonymisierte Kultur, in der heftigst ausgeteilt wird und auf der anderen Seite haben wir das ent-anonymisierte Internet, wo man unter seinem Klarnamen postet. Und dieser Teil ist sehr empfindlich geworden. Da ist kaum noch jemand sicher davor, etwas Falsches zu sagen, ohne dass das Konsequenzen hat. Und diese anonyme rechte Version ist vielleicht auch ein bisschen ein Ventil für den Druck, der sich auf der anderen Seite aufgebaut hat."

Angela Nagle: Kill All Normies
Online Culture Wars from 4chan and Tumblr to Trump and the Alt-Right
Zero Books, £9.99

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