Online-Kampagnen der Rechtspopulisten

"Das ist wirklich ein krasser Wandel in der Sprache"

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Das politische Schlagwort Sozialtourismus beschreibt abwertend Einwanderung - und wurde 2013 zum Unwort des Jahres gewählt. © Boris Roessler/dpa
Johannes Hillje im Gespräch mit Hans-Joachim Wiese · 12.03.2018
Rechtspopulisten nutzen ihre kommunikative Macht in den sozialen Medien sehr geschickt. Selbst in den Koalitionsverträgen lässt sich ihr Einfluss auf die Sprache erkennen, meint der Politikberater Johannes Hillje: Die AfD habe Begriffe aus dem öffentlichen Diskurs verbannt.
Auf der "reCampaign2018"-Konferenz in Berlin diskutieren derzeit NGOs, Stiftungen, Stiftungsunternehmen und die Kommunikationsbranche über die Frage, wie zivilgesellschaftliche Organisationen der kommunikativen Macht von Rechtspopulisten in den sozialen Medien begegnen können.
Einer der Sprecher ist Johannes Hillje, Politik- und Kommunikationsberater in Berlin und Brüssel, der im Interview mit Deutschlandfunk Kultur zunächst einmal festhält, dass der digitale Raum kein isolierter Raum mehr ist.
"Er ist integrativer Bestandteil unserer Öffentlichkeit. Das heißt Online-Kampagnen beeinflussen mittlerweile ganz natürlich die Agenda der klassischen Medien und auch das, worüber die Menschen auf der Straße sprechen würden."
Die AfD und die Neue Rechte hätten von Anfang an erkannt und genutzt, dass sie über ihre autonom zu bespielenden digitalen Kanäle gesellschaftliche Debatten prägen könnten, stellt Hillje fest. Einerseits brächten sie ihre Unterstützer dazu, bestimmte Hashtags wie "#kandelistüberall" zu nutzen – Kandel ist der Ort, in dem eine 15-Jährige von einem Migranten getötet wurde.
Andererseits spreche die AfD sehr gezielt einzelne Kleingruppen der Gesellschaft an, auf Facebook zum Beispiel. Außerdem spiele die Umdeutung von Begriffen bei den Rechtspopulisten eine große Rolle.

AfD deutet Begriffe wie Freiheit um

"Die AfD ist besonders erfolgreich, eine Sprache der Solidarität aus dem öffentlichen Diskurs zu verbannen oder verächtlich zu machen", sagt Johannes Hillje. Begriffe wie Multikulti oder Interkulturalität tauchten fast gar nicht mehr auf. Immer wieder versuche sie aber auch Begriffe neu zu definieren, zum Beispiel den Begriff Freiheit, unter dem die AfD etwas völlig anderes verstehe als die meisten liberalen oder progressiven Kräfte, nämlich "die Selbstbestimmung nationaler Völker".
Johannes Hillje hat die Sprache in den letzten beiden Koalitionsverträgen verglichen. Dort ließe sich der Einfluss rechtspopulistischer Sprache erkennen.
"2013 war der erste Satz in diesem Migrationskapitel: 'Deutschland ist ein weltoffenes Land'. 2018 stand an der gleichen Stelle: 'Deutschland kommt seinen rechtlichen und humanitären Verpflichtungen nach'."
Darüberhinaus habe es 2013 noch Begriffe wie Diversity, interkulturelle Öffnung der Gesellschaft oder Vielfalt gegeben.
"Alle diese Sätze sind ja sprachliche Ausdrucksformen für eine Einwanderungsgesellschaft – die fehlen 2018. Stattdessen sagen wir zu Menschen in Lebensgefahr 'subsidiär Schutzberechtigter'. Und das ist wirklich ein krasser Wandel in der Sprache."
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