Omis Wohlgeruch für ewiges Leben

Rezensiert von Denis Scheck · 08.09.2006
Ein einarmiger Detektiv, ein Komponist aus der Zukunft und eine Auftragskillerin ohne Kinderbetreuung- das sind die skurrilen Personen in "Ein dickes Fell". In diesem einfallsreichen Roman wird dem Original-Flakon von Kölnisch Wasser hinterhergejagt, da dies unsterblich machen soll.
In den letzten Wochen hatten die Tugendpolizisten der deutschen Gedankenpolizei alle Hände voll zu tun mit Günter Grass und Zwiebelhäuten. Ich möchte heute einen Roman vorstellen, der einem ebenfalls Tränen in die Augen treibt, allerdings Lachtränen.

"Es ist traurig, aber in Österreich müssen immer die Nazis her, damit etwas los ist", heißt es in diesem Roman. Nicht nur in Österreich, darf man ergänzen. Und weil in diesem Buch lauter so kluge Sätze stehen, deshalb ist es der sensationellste Krimi, den ich seit vielen Jahren gelesen habe. "Ein dickes Fell" heißt dieses Buch, der Autor: Heinrich Steinfest. Es ist ein ganz und gar origineller, in seinem überbordenden Einfallsreichtum hinreißender Roman.

Wie Patrick Süskinds "Das Parfüm" erzählt Steinfest von einem ganz besonderen Duft: dem Duft von 4711 – Echt Kölnisch Wasser. Stellen Sie sich vor, das im 18. Jahrhundert von Kartäusermönchen ersonnene Originalrezept von 4711 beschere nicht nur Omis Wohlgeruch, sondern spende auch das ewige Leben.

Wer im Augenblick seines Sterbens einen kleinen Schluck davon trinkt, hüpft dem Tod von der Schippe. Und irgendwo in Europa stehe noch so ein kleines Fläschchen Original 4711, das natürlich zum heißumkämpften Objekt der Begierde wird, für das viele Menschen über Leichen gehen.

Unter anderem erzählt Steinfest von einer Auftragskillerin, die ihren behinderten Sohn zur Arbeit mitnehmen muss, von einem Archivar in Wien, der in Wahrheit ein kleiner Gott ist, von einem Komponisten, der zehntausend Jahre aus der Zukunft kommt und ein wenig rüpelhaft mit seinen Mitmenschen umspringt, weil die für ihn ja ohnehin alle längst tot und vermodert sind und natürlich von Markus Cheng, seinem einarmigen Detektiv, einem Wiener chinesischer Abstammung.

So weit, so absurd. Nun ist Heinrich Steinfest aber nicht irgendein Krimiautor, sondern der Adalbert Stifter des Krimis. Das heißt, seine Bücher leben nicht wirklich von Action, Mord und Totschlag, sondern von ihrer ganz unerhörten altmeisterlichen Schilderungskraft. Steinfest unterhält nicht nur, er öffnet einem buchstäblich die Augen für den Reichtum und die Vielfalt der Schöpfung und die Skurrilitäten des Alltags. Mit einem Wort: sie machen bessere, weil aufmerksamere Menschen aus uns. Mehr kann man von einem Krimi wirklich nicht verlangen.

Heinrich Steinfest: Ein dickes Fell
Piper Verlag, München 2006
604 Seiten, 15 Euro