Omar El Akkad: "American War"

Die Geschichte einer Radikalisierung

Omar El Akkad: "American War"
Omar El Akkad: "American War" © dpa / EPA / Fischerverlag
Von Irene Binal · 29.07.2017
Während eines zweiten Bürgerkriegs in Amerika wird eine junge Frau zur radikalen Kämpferin: Omar El Akkads Debütroman ist eine düstere Parabel mit deutlichen Bezügen zur Gegenwart. 
Man schreibt das Jahr 2075: China und das Bouaziz-Großreich, ein Zusammenschluss nordafrikanischer und nahöstlicher Staaten, sind die tonangebenden Mächte in der Welt. Der Klimawandel produziert immer mehr Flüchtlinge.
In den USA tobt ein Bürgerkrieg zwischen Nord- und Südstaaten um fossile Brennstoffe. Und im Grenzland zwischen den verfeindeten Staaten glaubt ein kleines Mädchen namens Sara T. Chestnut, das sich selbst Sarat nennt, fest daran, dass ihr Heim vor jedem Unglück sicher ist, vor dem Krieg ebenso wie vor drohenden Überflutungen. "Das Wasser würde niemals ihr Zuhause verschlucken. Vielleicht den Rest von Louisiana, vielleicht sogar den Rest der Welt, aber niemals ihr Zuhause. Ihr Haus würde auf dem Trockenen bleiben, weil das schon immer so gewesen war."

Wut und Verzweiflung führen zur Radikalisierung

Sarats Optimismus läuft ins Leere. Ihr Vater kommt bei einem Anschlag radikaler Rebellen ums Leben. Sie selbst muss mit ihrer Mutter und den beiden Geschwistern vor herannahenden Kämpfen fliehen. Im Flüchtlingslager, in dem die Familie unterkommt, nimmt sich ein gewisser Albert Gaines, ein Kriegsveteran, der sich der Sache des Südens verschrieben hat, der Zwölfjährigen an, bringt ihr zunächst Bücher und später ein Gewehr, schürt ihren Zorn auf die "Blauen" aus dem Norden.
Mit feinem Gespür für Zwischentöne beschreibt Omar El Akkad Sarats Radikalisierung, verfolgt den Weg des jungen, hoffnungsvollen Mädchens zu einer von Wut und Verzweiflung getriebene Aktivistin, die, als ihre Mutter bei einem Massaker im Lager getötet und ihr Bruder schwer verwundet wird, ihrem Wunsch nach Rache folgt und selbst zur Mörderin wird. Nicht umsonst fühlt man sich bei Sarats Geschichte an die viel diskutierte Radikalisierung junger Muslime erinnert. Die Mechanismen, meint El Akkad, seien dieselben: "Ein Gefühl der Fremdheit. Der Rückzug in eine Echokammer, wo alle das gleiche denken. Eine Art Isolation."

Auch ein Buch über Empathie

Sarat ist kein liebenswerter Charakter, aber in El Akkads geschickter Prosa werden ihre Motive immerhin nachvollziehbar. Und so ist "American War" auch ein Buch über Empathie, das sich bemüht, Sarat zu verstehen, ohne sich dabei auf ihre Seite zu stellen. Dass sein Roman viel bewegen kann, glaubt El Akkad allerdings nicht: "Die Tragik der Literatur besteht darin, dass wir diese Botschaften nie verinnerlichen. In fast jedem literarischen Werk geht es um Empathie, aber wir lernen nur sehr selten etwas daraus."

Omar El Akkad: "American War"
Aus dem Amerikanischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié
Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 2017, 442 Seiten, 24 Euro

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