Olympiatal von Garmisch ist zu klein "für dieses große Megaevent"

Ludwig Hartmann im Gespräch mit Nana Brink · 11.01.2011
Vor der offiziellen Abgabe der Münchner Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2018 hat der bayerische Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, Ludwig Hartmann, den Protest gegen die Planungen verteidigt. Die Gegner der vorliegenden Bewerbung seien "alles andere als Ski-feindlich oder Olympia-feindlich", betonte der Grünenpolitiker.
Nana Brink: Als die heiteren Spiele gingen die Olympischen Spiele in München 1972 in die Annalen der Spiele ein, bis das Attentat auf die israelischen Sportler die Heiterkeit zerstörte. Jetzt soll München wieder Austragungsort der Olympischen Spiele, nämlich der Winterspiele 2018 werden. Heute haben die Münchener Bewerber die Unterlagen nach Lausanne an das Internationale Olympische Komitee geschickt, 396 Seiten, streng geheim ist der Inhalt und übrigens auch nur auf Englisch und Französisch zu lesen.

So weit, so heiter – wären da aber nicht ein paar renitente Bauern in Garmisch-Partenkirchen, wo die Spiele auch ausgetragen werden sollen, die dem Winterzauber skeptisch entgegenblicken und ihre Grundstücke partout nicht freigeben wollen. Und auch die Grünen in Bayern runzeln bei so viel offizieller Heiterkeit die Stirn und sprechen von Verschwendung von Steuergeldern. Am Telefon ist jetzt Ludwig Hartmann, er sitzt für die Grünen im Bayerischen Landtag. Einen schönen guten Morgen, Herr Hartmann!

Ludwig Hartmann: Guten Morgen!

Brink: Angeblich sollen ja die Garmischer Bauern eingelenkt haben. Ist die Bewerbung also nicht in Gefahr?

Hartmann: Nein, also das ist eigentlich wieder das Übliche der Staatsregierung: Man versucht alles positiv darzustellen. Es ist definitiv so, dass sich beim Thema Grundstücke, was die Winterspielbewerbung angeht, die Grundstücke unter dem Hausberg, das ist die Fläche, wo die Anlagen für die Snowboard-Wettbewerbe hinkommen sollten oder hinkommen müssen, laut Planung gibt es die Grundstücke definitiv, also stehen definitiv nicht für die Spiele bis jetzt zur Verfügung.

Brink: Wie kommt dann die Bayerische Staatsregierung zu sagen, sie hätten eingelenkt? Denn Sie betonen ja ausdrücklich, nicht alle der Bauern sind skifeindlich und olympiafeindlich …

Hartmann: Ja, das ist durchaus richtig, die Garmisch-Partenkirchener sind alles andere als skifeindlich oder auch als olympiafeindlich an sich. Es geht eigentlich darum, dass die Spiele in der Größe, in der sie stattfinden sollten, in diesem wirklich engen Tal Garmisch-Partenkirchen, das Tal eigentlich zu klein ist für dieses große Megaevent. Man darf immer nicht vergessen: Die Olympischen Spiele werden eigentlich alle vier Jahre größer. Wir hatten in den 50er-Jahren circa 35 Wettkämpfe, jetzt haben wir schon 86 in Vancouver gehabt. Und das ist eigentlich das, was die Leute in Garmisch-Partenkirchen wirklich nervt und massiv die Landwirte, dass da bei jeglichen Großevents, sei es die Ski-WM, seien es dann die Olympischen Winterspiele, falls sie kommen sollten, eigentlich immer die Landwirte Grundstücke hergeben müssen, wieder weitere Flächen, wertvolle Wiesen für ein Großereignis opfern müssen. Und irgendwann ist das Maß erreicht, wo sie sagen, jetzt so nicht weiter. Und an dem Punkt ist Garmisch-Partenkirchen angekommen.

Brink: Was muss ich denn jetzt von dieser Bewerbung halten? Ende Februar, nämlich am 28., kommt das IOC nach Garmisch-Partenkirchen, die Bewerbung ist heute abgegeben worden. Was finden die denn dann vor in Garmisch? Renitente Bauern, die sich immer noch wehren?

Hartmann: Das ist eine gute Frage, das wird man dann sicher zu dem Zeitpunkt sehen, was wir vorfinden werden. Ich bin fest überzeugt, die Grundstücksfrage wird bis zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt sein, man muss ja nur mal zurückblicken auf das Thema Kandahar-Abfahrt, Thema Ski-WM, da hat man dann vier Wochen vorher erst eine Lösung gefunden. Also man wird jetzt keine Lösung finden, um faktisch am 28.2. sagen zu können, wir haben alle Flächen. Wir werden auf alle Fälle von der Olympia mit der Evaluierungskommission, wenn sie Anfang März in München und Garmisch-Partenkirchen ist, auf alle Fälle um einen Gesprächstermin bitten und möchten schon genau die Fakten widerlegen, was im Bid Book sozusagen drinnen steht, aber was definitiv eigentlich nicht der Wahrheit entspricht …

Brink: … also das Bittbuch ist das Bewerbungsbuch …

Hartmann: … das Bittbuch ist das Bewerbungsbuch, wo drin steht, hier entstehen folgende Kampfstätten, hier finden folgende Wettkämpfe statt, und dann dem IOC deutlich zu machen, dass man für diese Flächen die Grundstücke definitiv nicht hat und eigentlich auf dieser Grundlage so nicht weiter planen kann.

Brink: Kommen wir doch mal zu den Planungen von München 2018, also das, was im sogenannten Bittbuch steht, das ist ja angeblich streng geheim, ist auch nur auf Englisch und Französisch zu lesen. Es sollen Gerüchten zufolge komplett neue Anlagen in München, Königssee und Garmisch-Partenkirchen entstehen, finanziert mit Landes- und Bundesmitteln, drei Milliarden Euro soll das kosten. Bedeutet das nicht auch positiv gesprochen einen Boom für die Region?

Hartmann: Was heißt ein Boom für Region … Also für die Bauwirtschaft kann das schon einen Boom bedeuten, jedes Großprojekt ist für die Bauwirtschaft gut. Die Frage ist nur, ob das einen nachhaltigen Wert für die Region hat, also ein Boom, der sich also auch dauerhaft erhält. Und da muss man die Frage stellen: Ist es richtig, in Garmisch-Partenkirchen, einem Ort auf circa 650 Metern über dem Meeresspiegel, dauerhaft rein als Wintersportort zu bewerben? Ob das das richtige Ziel ist und dafür so viel Geld auszugeben? Und ein weiterer Bereich noch zum Bid Book, also zum Bewerbungsbuch, was für uns schon immer ziemlich erstaunlich ist, Sie haben es ja eben gerade angesprochen, es liegt auf Englisch und Französisch vor, es ist schon erstaunlich: Man spricht von Transparenz, man spricht davon, man möchte die Leute in Garmisch-Partenkirchen mitnehmen, man möchte die Landwirte mitnehmen bei dieser Bewerbung, aber die Unterlagen werden auf Englisch und Französisch nur vorgelegt.

Brink: Aber haben Sie denn ein konkretes Projekt, wo Sie sagen, das ist Verschwendung von Steuergeldern, da wird etwas gebaut, was wir eigentlich dann nicht mehr brauchen?

Hartmann: Also ganz deutlich wird im Bereich sein Biathlon und Nordische Kombination, das sind die Wettkampfstätte um Ohlstadt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen, die werden ja für das 18-tägige Event aus dem Boden gestampft, komplett mit Biathlon-Anlagen inklusive Stadien, die nachher nach 18 Tagen wieder abgerissen werden, obwohl eigentlich diese Anlagen in Ruhpolding oder in Oberstdorf in Bayern bereits zur Verfügung stehen. Und das ist für uns ein ganz deutliches Zeichen, da wird wirklich nicht mit Steuergeldern, werden dort massiv verschwendet.

Brink: Eine Umfrage hat kürzlich ergeben, dass nur 60 Prozent der Bevölkerung für München 2018 ist. Das spricht ja nicht gerade für olympische Begeisterung. Wollen die Leute keine heiteren Spiele 2018?

Hartmann: Ich glaube, die Leute sind kritischer und sind Gott sei Dank auch immer skeptischer geworden, wenn die Politiker sich in eine Reihe stellen und erst mal jubeln und sagen, wir brauchen das, wir können nur gewinnen. Da ist der Mensch Gott sei Dank endlich skeptischer geworden, hinterfragt die ganze Sache. Und ich glaube auch schon, dass es ein kleiner Erfolg von Olympia war im letzten Jahr, sozusagen kontinuierlich daran zu arbeiten, was heißt das finanziell, diese Bewerbung, was heißt das finanziell, wenn die Spiele kommen, was sind das für Eingriffe in die Landschaft, was das eigentlich bedeutet.

Und ich glaube, dadurch ist auch eigentlich mit zu erklären, warum die Zustimmungsrate gesunken ist. Die war ja schon mal höher vor einem Jahr, vor einem halben Jahr war sie noch höher. Das ist gesunken. Und ich glaube, da sind wir auf dem richtigen Weg, wir haben uns schon zum Ziel gesetzt zu schaffen, dass die Zustimmungsrate unter 50 Prozent eines Tages fällt, und deutlich zu machen, dass man in dieser Form diese Spiele so nicht möchte. Und ich glaube auch nicht, dass es darum geht irgendwie, dass die Leute insgesamt irgendwie wintersportfeindlich sind. Darum geht es gar nicht, es geht um die Art, wie das gemacht wird. Und man muss ja hier ganz offen die Frage stellen, ob die Spiele sollen da stattfinden, wo die Anlagen sind, die meisten, wenn Sie es im Fernsehen, die Berichterstattung anschauen, da spielt es kaum eine Rolle, ob die Anlage dafür neu gebaut worden ist und nachher wieder abgerissen wird. Das kann der nicht nachvollziehen. Dem ist es genauso recht oder sogar lieber, findet auf einer bestehenden Sportanlage statt, er guckt sich die Berichterstattung an und kriegt das Erlebnis genau so mit.

Brink: Vielen Dank, Ludwig Hartmann! Er sitzt für die Grünen im Bayerischen Landtag und es ging um die offizielle Bewerbung Münchens für die Olympiade, Winterspiele 2018.
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