Offline ins Internet

11.05.2013
Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez schreibt seit vielen Jahren sehr politisch über die Zustände auf ihrer Heimatinsel Kuba.
Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez schreibt seit vielen Jahren sehr politisch über die Zustände auf ihrer Heimatinsel Kuba. Auf der re:publica nimmt sie ihren BOBs Deutsche Welle Blog Award entgegen, den sie 2008 gewonnen hat. Erst jetzt durfte sie ausreisen.
Hier erzählt Yoani Sánchez, wie es die Leute auf Kuba schaffen, trotz schlechter Verbindung zu bloggen und zu twittern - und wie ein Tweet ihr in einer brenzligen Situation die Haut rettete.
Spanischer O-Ton
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DOWNLOAD MP3 (3:58 | 7,6MB)
Übersetzung
Ich heiße Yoani Sánchez, bin auf Kuba geboren, und ich wohne in Havanna. Seit 2007 schreibe ich mein Blog, Generation Y. Das Blog hat mein Leben verändert, zum Guten wie zum Schlechten.
Zum Guten, weil ich die unendliche Genugtuung bekomme, mich auszudrücken und wenigstens innerlich frei zu sein, in einem Land des Schweigens. Zum Schlechten, weil ich oft bestraft wurde dafür, dass ich das Blog schreibe: Ich durfte fünf Jahre lang nicht reisen, wurde öffentlich diffamiert, überwacht, verfolgt und in Haft genommen. Trotzdem glaube ich, ist die Bilanz eher positiv als negativ.
Wir Kubaner sind sehr erfinderisch. 54 Jahre der Entbehrung und Mangelwirtschaft, in denen vieles verboten war, haben den Kubanern die Fähigkeit gegeben, all das zu ausfindig zu machen, was zensiert und kontrolliert wird, was von der Regierung verboten ist. Was das angeht, ist das Internet eine der großen Sachen für alle Kubaner: Ans Netz anzudocken, eine Stimme im Web zu haben.
Weil wir das Land sind, das den schlechtesten Internetzugang in der ganzen westlichen Welt hat, müssen wir sehr erfinderisch sein, um etwas im Netz zu publizieren. Wir schreiben zum Beispiel normalerweise zuhause, offline und sammeln mehrere Texte. Dann gehen wir in ein Hotel, weil es nicht möglich ist, zuhause Netz zu haben, und setzen von der Internetverbindung dort unsere Texte ab. Wir programmieren sie darauf, dass sie erscheinen, auch wenn wir gar nicht da sind.
Was Twitter angeht: Wir twittern, einfach gesagt, über SMS, über Textnachrichten. Wir sind blind auf Twitter, weil wir nur aussenden können, nicht lesen, was andere schreiben.
Ich sage allen, die mal nach Kuba fahren wollen: Schaut euch um, ob ihr ein Gerät habt, einen USB-Stick, eine externe Festplatte, einen alten Computer, einen Laptop oder ein Mobiltelefon. Und schenkt das einem Kubaner, weil das sein Leben verändern kann. Es hat mein Leben verändert, einen Computer zu haben. Viele Menschen können dem Schweigen und der Repression dadurch entkommen. Aber auch Retweets nützen. Twitter hilft uns in Notsituationen. Wir berichten dort über Menschenrechtsverletzungen, über Festnahmen und Bedrohungen. Wenn man einen solchen Tweet weiterleitet, kann uns das schützen. Auch wenn Leute Informationen auf die Insel schicken - egal über welchen Weg - hilft das. Ein USB-Stick voll mit Webseiten kann auf der Insel viel bewirken. Ein Freund, der uns anruft, eine SMS mit einer Schlagzeile, all das gibt uns die Möglichkeit, uns zu informieren.
Wenn mich Leute fragen, welche Rolle Twitter im Leben der Kubaner spielt, erzähle ich ihnen eine Geschichte, die sich am 6. November 2009 abgespielt hat, als ich mit einigen Freunden zusammen festgenommen wurde.
Bevor meine Freundin das Haus verließ, schrieb sie vorsorglich einen Tweet in ihr Mobiltelefon: "Wir werden festgenommen." Warum? Weil wir vorhatten, an einer friedlichen Demonstration gegen Gewalt teilzunehmen. Die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass die Polizei uns da nicht hingehen lassen würde. Genau so war es. Ein paar Meter weiter hielt uns ein Privatauto mit drei Männern in Zivil an. Meine Freundin verschickte schnell den Tweet. Sie zwangen einen meiner Freunde ins Auto einzusteigen. Einer der Polizisten presste mir das Knie an die Brust, so dass mir die Luft wegblieb. Gleich darauf bekam der Fahrer des Wagens einen Anruf. Als er aufgelegt hatte, schaute er nach hinten und sagte, drück' nicht so doll zu, die wissen schon bescheid. Da verstand ich, dass dieser Tweet, den meine Freundin geschickt hatte, zurück gekommen war, um uns zu beschützen.
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Foto, Interview und Übersetzung: Anja Krieger