Ökologie

Klimaschutz ja - aber mit Augenmaß

Ein Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde, Brandenburg
Eine Bereitschaft zum Umdenken in der Wirtschaft sieht der Chemiker Frank Marscheider-Weidemann vom Fraunhofer-Institut © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Moderation: Nana Brink · 19.05.2015
Klimaschutz sei zwar "mega-wichtig", aber darüber dürfe man andere Bereiche des Umweltschutzes nicht vernachlässigen, findet Frank Marscheider-Weidemann vom Fraunhofer-Institut: etwa der Erhalt der Biodiversität oder Abfallvermeidung.
Vertreter aus 35 Nationen treffen sich derzeit in Berlin beim Petersberger Klimadialog, um den Klimagipfel von Paris im Dezember vorzubereiten. Dort soll endlich ein Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll geschlossen werden.
Wirtschaft bereit zum Umdenken
Bei der Wirtschaft sieht der Chemiker Frank Marscheider-Weidemann vom Fraunhofer-Institut durchaus eine Bereitschaft zum Umdenken in Sachen Klimaschutz. Unternehmen hätten natürlich ein Interesse daran, ihre Energiekosten zu senken.
Gleichzeitig mahnt Marscheider-Weidemann, man dürfe sich nicht nur auf Klimaschutz konzentrieren: Klimaschutz sei zwar "mega-wichtig", aber genauso müsse man beispielsweise die Biodiversität erhalten, Lärm bekämpfen, Abfall reduzieren und die Gewässer schützen. "Man darf jetzt auch nicht sozusagen alles in Richtung Klimaschutz optimieren."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Großer Bahnhof heute beim Tag zwei und letztem Tag beim Petersberger Klimadialog: Dort will man ja den in Paris im Dezember stattfindenden Klimagipfel vorbereiten mit Vertretern aus 35 Nationen. Auch die Bundeskanzlerin spricht heute und ihr französischer Amtskollege François Hollande. Das große Ziel: In Paris soll ein verbindlicher Vertrag geschlossen werden, um das Weltklima zu retten. Deutschland und Frankreich drücken da aufs Tempo, denn noch reichen die Anstrengungen ja bei Weitem nicht aus.
Viele Fachleute glauben ja auch nicht mehr daran, dass das große Ziel, also eine gemeinsame Verpflichtung, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, überhaupt noch zu schaffen ist. Wir wollen jetzt mal erfahren, was jenseits des politischen Tauziehens wirklich geschieht, um das Klima zu verbessern, zum Beispiel vonseiten der Wirtschaft.
Frank Marscheider-Weidemann ist technischer Chemiker beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und er sitzt auch in der Jury für den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt. Der wird übrigens Ende der Woche vergeben. Guten Morgen!
Frank Marscheider-Weidemann: Guten Morgen!
Innovationen sind gefragt
Brink: Es wird ja viel geredet zum Thema Klima in diesen Tagen. Was unternehmen denn Unternehmen in Sachen Klimaschutz?
Marscheider-Weidemann: Also, ich bin ja beim Fraunhofer Institut ISI in Karlsruhe, da gucken wir uns an, was Unternehmen sozusagen leisten. Wir beraten auch Unternehmen und monitoren auch so ein bisschen die Anstrengungen, die Unternehmen machen. Es ist so, dass die Unternehmen natürlich immer ein großes Interesse daran haben, Energiekosten zu meiden, das heißt, Energiesparen ist bei Unternehmen sozusagen ständig auf der Fahne.
Das Problem ist so ein bisschen: Wenn diese Energiekosten schon erwirtschaftet worden sind, das heißt, man hat genug Energie gesenkt, jede weitere Senkung würde Geld kosten, da ist es dann schon schwierig, Unternehmen dazu zu bringen, mehr zu machen. Da sind eben Innovationen gefragt.
Was wir am ISI auch machen, ist: Wir machen eine wissenschaftliche Beratung für den sogenannten Innovationspreis für Klima und Umwelt, der, wie Sie gesagt haben, Ende der Woche ausläuft. Die Bewerbungsphase endet am 22. Mai. Da ist es so, dass wir versuchen, Innovationen zu finden in Deutschland und eben auch zu präsentieren der Öffentlichkeit, wo dann tatsächlich auch mal mehr passiert in den Unternehmen als dieses inkrementelle Sparen von Energie und von CO2, wo wirklich dann Innovationen zu sehen sind, die häufig – das ist aber auch interessant – dazu führen, dass man die Umwelt schützt, Klimagase minimiert und gleichzeitig auch Geld spart. Es muss also nicht immer so sein, dass Klimagasreduktion auch Geld kostet.
Treibstoffsparen mit "Nanoslide"
Brink: Immer noch Geld kostet, und Sie wollen ja genau dafür eigentlich Motivation liefern. Gibt es denn schon konkrete Beispiele, wo Unternehmen anspringen? Können Sie uns was erzählen, damit wir es uns besser vorstellen können?
Marscheider-Weidemann: Also es gibt sehr viele große Unternehmen, die was machen, und zum Teil sind die eben auch Preisträger gewesen bei den Innovationspreisen in der Vergangenheit. Zum Beispiel hat die Daimler AG mit Nanoslide ein Verfahren entwickelt, bei dem eben eine Beschichtung der Zylinderlaufflächen von Kurbelgehäusen bis zur Serienreife entwickelt worden ist. Man hat dann durch ein neues Verfahren im Prinzip die Reibung verringert in den Kolben. Das klingt jetzt nicht so großartig, aber wenn man dann am Ende eine Reduktion des Kraftstoffverbrauches von 2,5 Prozent hat bei Otto- und Dieselmotoren, dann ist das natürlich weltweit eine riesige Einsparung auch an Kraftstoff und an CO2.
Brink: Nanoslide ist ja schon mal ein toller Name für das Verfahren, in dem man sozusagen den Ausstoß von Schadstoffen verringern kann. Aber gerade bei der Daimler AG, da frage ich mich dann aber schon: Ist das nicht nur Etikette? Schließlich baut ja dieser Automobilkonzern nach wie vor vor allem große, Benzin und Diesel verbrauchende Fahrzeuge. Ist das dann sozusagen die richtige Motivation?
Marscheider-Weidemann: Ich denke, das ist schon eine wichtige Motivation. Also grundsätzlich ist ja bei all diesen Innovationen schon auch eine Antriebsfeder, die auch selten gesehen wird, dass wir natürlich versuchen müssen oder versuchen wollen, unseren Lebensstandard zu halten. Das heißt, die Leute wollen große Autos, und natürlich gibt es dann sogenannte Reboundeffekte: Die Autos werden günstiger, brauchen nicht mehr so viel Kraftstoff und zack, kauft man dann ein Auto mit mehr PS, und das wird dann auch wieder günstiger, und dann leistet man sich eben noch ein Auto mit noch mehr PS.
Innovationen ermöglichen Klimaschutz bei gleichbleibendem Lebensstil
Da muss man natürlich gucken, dass man als Verbraucher auch seinen Teil dazu beiträgt und dann eben doch dem Kreislauf sich entzieht oder eben dann tatsächlich sogar Fahrrad fährt. Das bedeutet aber Lebensstiländerung. Das ist natürlich noch mal wesentlich schwieriger als das, was sozusagen durch diesen Innovationspreis auch getriggert wird: dass man einfach versucht, durch Innovationen, die dann auch eben ausstrahlen, die auch in Schwellenländern übernommen werden können, global CO2 einzusparen.
Brink: Das wollte ich gerade sagen, da wollte ich einhaken: Sind Sie nicht als Fraunhofer-Institut dann auch aufgefordert, so Innovationen zu fördern, Stichwort, in erneuerbare Energien, umweltfreundliche Technologien?
Marscheider-Weidemann: Ach, beim Innovationspreis für Klima und Umwelt, da gibt es eine Kategorie, wo auch Technologietransfer extra ausgezeichnet wird. Da hatten wir beispielsweise letztes Jahr zwei Preisträger, einmal Osram, die im Prinzip in netzfernen Regionen in Kenia und anderen Orten in Afrika Licht quasi zu den Häusern, aber auch auf Fischerboote gebracht haben. Wir hatten aber auch eine kleine Firma, Autarcon, ein Spin-off der Uni Kassel, die im Prinzip mit einer neuen Trinkwasserversorgungsanlage "Sun meets water", im Prinzip mit Photovoltaik ein sehr innovatives Verfahren zur Trinkwasserversorgung auf den Markt gebracht hat. Dieses Verfahren nutzt zum Beispiel die Choridionen des Wassers und macht daraus Chlor und desinfiziert sozusagen direkt im Wasser sich mit den Chemikalien des Wassers.
Brink: Wenn Sie jetzt blicken auf die ganzen Anträge, die Sie ja bald auf dem Tisch liegen haben, und dann entscheiden müssen über den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt, was ist Ihr Resümee? Gibt es eine Bereitschaft zum Umdenken in der Wirtschaft oder stecken wir da immer noch in den Kinderschuhen?
Marscheider-Weidemann: Also ich denke, dass es eine Bereitschaft gibt zum Umdenken. Es ist schon so, dass auch die Ingenieure natürlich stolz darauf sind, wenn sie bei uns ausgezeichnet werden, das merkt man auch immer wieder. Wenn dann Leute sagen, ja, also ganz banal: Wir müssen halt sozusagen ... Also ich kann sozusagen meinem Kind erklären, was ich gemacht habe, wir haben jetzt diesen Preis gewonnen mit meinem Beitrag, zum Klimaschutz kann ich mich sozusagen sehen lassen. Das ist das eine.
Den großen Wurf gibt es beim Klimaschutz nicht - aber viele kleine
Das andere ist natürlich, dass man auch gucken muss: Klimaschutz ist megawichtig und sicherlich ist es auch noch ein Thema, wie Sie gesagt haben, für die nächsten Jahre, es gibt aber nicht den großen Wurf sicherlich. Wir müssen sehen, dass wir eben viele kleine Würfe machen. Und das ist eben auch das, was ich von der Wirtschaft erwarte - natürlich mit Augenmaß. Man muss auch, ich sage einfach mal jetzt, die Biodiversität erhalten, das wird auch ein Thema sein der nächsten Jahrzehnte, man muss natürlich das leise machen, man muss Lärm bekämpfen, man muss das abfallarm machen, man muss das Wasser dabei schützen. Also man darf jetzt auch nicht sozusagen alles in Richtung Klimaschutz optimieren.
Brink: Frank Marscheider-Weidemann, technischer Chemiker beim Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung, und er sitzt auch in der Jury für den Deutschen Innovationspreis für Klima und Umwelt, und da läuft die Bewerbungsfrist Ende dieser Woche ab. Danke, Herr Marscheider-Weidemann, für das Gespräch!
Marscheider-Weidemann: Vielen Dank, Frau Brink! Tschüss!
Brink: Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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