OECD zu Armut und Reichtum

"Deutschland steht sehr gut da"

Gerüstbauer arbeiten auf einer Baustelle.
Christoph Lütge warnt vor übereilter Umverteilungspolitik. © picture-alliance / dpa / Christian Charisius
Moderation: Katja Schlesinger und Frank Meyer · 09.12.2014
Die Kluft zwischen Arm und Reich nimmt auch in Deutschland zu. Zu diesem Schluss kommt ein OECD-Bericht. Der Wirtschaftsethiker Christoph Lütge sieht die Lage weniger dramatisch: Im Vergleich stehe Deutschland "sehr gut da".
Christoph Lütge, Professor für Wirtschaftsethik an der Technischen Universität München, hat die Schlussfolgerungen des heute veröffentlichten Berichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kritisiert. Die politische Botschaft dieses Berichts überrasche ihn, sagte Lütge im Deutschlandradio Kultur:
"Da sollte man einmal genauer hinsehen. Aus meiner Sicht wird hier viel zu schnell von Daten zu den Schlussfolgerungen gesprungen."
Die Berechnungen der OECD für Deutschland müssten in ein Verhältnis zu der Situation in anderen Ländern gesetzt werden, sagte Lütge vor dem Hintergrund der von der OECD geforderten Politik des Gegensteuerns hinsichtlich der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich:

"Dieser Unterschied ist in anderen Ländern nach wie vor deutlich stärker. Jetzt hier in Deutschland nach Umverteilung zu rufen, erscheint mir schon etwas überraschend."
Es sei allerdings grundsätzlich schon so, dass die Schere zwischen Arm und Reich seit den frühen neunziger Jahren in der allergrößten Zahl der Länder auseinander gegangen sei:

"Mit Beginn der Globalisierung hat sich vieles anders verteilt. Und natürlich sind Reiche reicher geworden. Es sind aber auch viele Arme auch etwas reicher geworden. Nur nicht ganz so viele."
Warnung vor "hektischer Betriebsamkeit"
Im Vergleich zu anderen Ländern stehe Deutschland "sehr gut da", betonte Lütge angesichts der Forderungen der OECD nach einer besseren Bildungspolitik auch für sozial Schwache. Das Problem des Berichts sei, dass man jetzt politisch dazu verleitet werde, eine hektische Betriebsamkeit zu entfalten:

"Die möglicherweise gar nicht viel bringt. Also man muss sich das genau im Einzelnen ansehen, wo man tatsächlich, zum Beispiel im Schulsektor, noch etwas tun kann."

Auch im Hochschulbereich mit immer mehr Studierenden gebe es sicherlich noch einen gewissen Nachholbedarf:

"Aber man sollte das jetzt nicht nur hektisch aufgrund dieser Zahlen tun."
Mehr zum Thema