Obdachlosenhilfe in Barcelona

Brot und Menschenwürde gibt's in Gottes Imbiss

Ein Obdachloser in Barcelona
Ein Obdachloser in Barcelona - Menschen wie ihm steht der "Imbiss Gottes" offen © dpa / picture alliance / Fabian Stratenschulte
Von Andreas Boueke · 28.02.2016
Wolfgang Strebinger ist drei Mal ausgestiegen: aus der provinziellen Enge der Pfalz, aus dem bürgerlichen Leben als Hippie in den 70ern und aus einer amerikanischen evangelikalen Gruppe. Nun ist Strebinger eingestiegen − in die Hilfe für Obdachlose in Barcelona.
Vor der gotischen Kathedrale des Erzbistums Barcelona ist immer etwas los. Touristengruppen hören den Erklärungen ihres Reiseführers zu, Straßenartisten und Musiker hoffen auf ein wenig Kleingeld, Kauflustige tragen Plastiktüten aus teuren Boutiquen und unrasierte Obdachlose beobachten das Treiben, während sie auf die nächste Mahlzeit in einer der nahegelegenen Suppenküchen warten.
Keine zehn Minuten Fußweg entfernt beginnt der Raval, heute ein angesagtes Stadtviertel, in dem aber noch immer Armut und Obdachlosigkeit das Straßenbild prägen. Junge Familien mit Kindern leben neben alteingessesenen Senioren mit Minirente. IT-Nerds eröffnen Büros in ehemaligen Lagerhallen ein Stockwerk über Ramschläden pakistanischer Migranten.
Altes Elend mischt sich mit neuer Hipsterkultur, moderne Stadtplanung mit offensichtlichem Verfall, optimistische Aufbruchstimmung mit rohem Überlebenskampf.

Hilfe für angeknackste Menschen

In dieser Umgebung betreibt der deutsche Sozialarbeiter Wolfgang Strebinger ein kleines Obdachlosenzentrum, den "Chiringuito de Dios", die Imbissstube Gottes.
"Unter Armen zu leben, die Armen, das ist ja kein romantischer Begriff, das ist ja nicht einfach nur dass das arme liebe Menschen sind, in Not geratene Heilige oder so. Einfach schwierige Menschen zum Teil, sehr heruntergekommen, zum Teil auch psychisch angeknackste Menschen und natürlich auch viel Enttäuschung auf dem Gebiet so, und Gefahr.”
Wolfgang Strebinger ist Jahrgang 1953. Geboren und aufgewachsen ist er in der Pfalz. Aber wirklich heimisch hat er sich dort nie gefühlt. Er wollte ein anderes Leben führen, die Welt kennenlernen und solidarisch leben mit Armen und Obdachlosen:
"Ja und in der Hippiezeit bin ich dann nach Indien und da beginnt eigentlich alles, in Indien in den siebziger Jahren im vergangenen Jahrhundert, als es noch Hippies gab. Und da war ich in Indien auf der Straße auf der Suche natürlich wie wir alle, Drogen, Religion und Mischmasch an Gefühlen und Ideen. Einfach weg von Deutschland, weg vom Konsum und irgendwie Suche nach Transzendenz und so weiter. Das war ja so die Botschaft auch damals der Beatles, die Suche nach einer anderen Art zu leben. Und irgendwann entschloss ich mich, also total lokal zu werden."
Damals war der Raval ein heruntergekommenes Elendsviertel mit düsteren Gassen und kaum Anlaufstellen für Menschen, die in Armut leben, kein Dach über dem Kopf haben oder mit ihrer Sucht nach Drogen und Alkohol kämpfen.

Brötchen und gute Laune

"Der Wolfgang, der ist ja hier seit 30 Jahren. Der wollt einfach die Leute helfen. Der hat hier belegte Brötchen verteilt und gute Laune, so hat er angefangen."
Der Spanier Juan hat seine Jugend als Sohn eines Gastarbeiters in Pforzheim verbracht. Nach einem Gefängnisaufenthalt wegen Drogenschmuggels haben ihn die deutschen Behörden nach Barcelona abgeschoben. Er landete auf der Straße:
"Der Wolfgang hat mich dann, ich bin ja morgens zum Frühstück gekommen, in Chiringuito, und hab' hier gefrühstückt. Und irgendwann mal hat er mich gefragt: 'Du, hättest du Zeit heute Nachmittag, weil dann kommt Lebensmittelbank.' Und er bräuchte ein bisschen Hilfe, und so."
Alle Mitarbeiter im Chiringuito de Dios sind Freiwillige, die das Milieu der Obdachlosen gut kennen, meist aus persönlicher Erfahrung. Wolfgang Striebinger steht jeden Morgen in der kleinen Küche und bereitet das Frühstück für Dutzende Bedürftige vor.
"So läuft das bei uns, alles wie im Hotel schon. Wichtig is', dass alles schön gediegen ist, also Kaffee, guter Kaffee, Marmelade, gute Marmelade, Brot is' eigentlich auch 'nen ganz gutes Brot, was wir haben. Alles mit 'ner gewissen Qualität, und vor allen Dingen menschenwürdig. Es geht um Brot und Menschenwürde, Brot ist das erste, aber Menschenwürde ist nicht das letzte. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sagt Jesus und ich glaube, er hatte recht.
Es geht um echtes Interesse. Wir entwickeln ja auch viel Interesse an Apple und an High Tech und an Satelliten. Dieses Interesse, dieses listige, intelligente Wesen, wo natürlich Kapital dahinter sitzt, dieses Interesse wünsch' ich mir für die Armen."
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