"O frischer Duft, o neuer Klang!"

Von Christian Linder · 13.11.2012
Wenige Schriftsteller des 19. Jahrhunderts waren so populär wie Ludwig Uhland, ein Repräsentant seiner Zeit. Uhland inspirierte nicht nur seine Leser, sondern auch zahlreiche Komponisten, die seine Gedichte vertonten. Am 13. November 1862 starb er.
Eines der berühmtesten Stücke Franz Liszts aus den "Liebesträumen" verdankt sich der Lektüre des Gedichts "Hohe Liebe" von Ludwig Uhland.

In Liebesarmen ruht ihr trunken,
Des Lebens Früchte winken euch;
ein Blick nur ist auf mich gesunken,
doch bin ich vor euch allen reich.
Das Glück der Erde miss' ich gerne.
Und blick', ein Märtyrer, hinan,
denn über mir in goldner Ferne.
Hat sich der Himmel aufgetan.


Ludwig Uhland, eine deutsche Schulbiografie: Geboren am 26. April 1787 in Tübingen als Sohn einer alten Gelehrtenfamilie; Philologie- und Jurastudium in Tübingen und Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften; Sekretär im Justizministerium und anschließend Rechtsanwalt; Abgeordneter im württembergischen Landtag; Professor für deutsche Sprache und Literatur in Tübingen; Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Diese hochansehnliche offizielle gesellschaftliche Biografie hat natürlich nur in Lexika überlebt. Die nachhaltigere Wirkung konnte Ludwig Uhland als Schriftsteller entfalten, vor allem mit seinen Balladen und Gedichten wie "Ich hatte einen Kameraden" oder "Frühlingsglaube", geschrieben 1812:

Die linden Lüfte sind erwacht,
sie säuseln und weben Tag und Nacht,
sie schaffen an allen Enden.
O frischer Duft, o neuer Klang!
Nun, armes Herze, sei nicht bang!
Nun muss sich alles, alles wenden.


Der Autor kam der Schriftstellerkollegin Annette von Droste-Hülshoff als "das schüchterne gute Männchen" vor, ein äußerer Eindruck, der vermutlich auch daher rührte, dass Uhland trotz seines sichtbaren gesellschaftlichen Rangs als Schriftsteller und Politiker sich einfach gab und auch von der Kleidung her anspruchslos auftrat. Zur Zeit von Droste-Hülshoffs Beobachtung hatte er seine Schüchternheit und Schweigsamkeit allerdings längst überwunden, während langer Wanderschaften mit Justinus Kerner, einem 1804 kennengelernten jungen Medizinstudenten mit literarischen Ambitionen.

Unterwegs öffnete sich Uhland damals ein Blick für die äußere Welt, der ihn auch innerlich freimachte. Erste Gedichte wie "Die Kapelle" aus dem Jahr 1805 entstanden:

Droben stehet die Kapelle,
schauet still ins Tal hinab.
Drunten singt bei Wies' und Quelle.
Froh und hell der Hirtenknab'.
Traurig tönt das Glöcklein nieder,
schauerlich der Leichenchor,
Stille sind die frohen Lieder,
und der Knabe lauscht empor.
Droben bringt man sie zu Grabe,
die sich freuten in dem Tal.
Hirtenknabe, Hirtenknabe!
Dir auch singt man dort einmal.


Dieser volksliedhafte Ton gefiel den Lesern, wobei die Gedichte, von der Kritik als "schwäbische Romantik" diskutiert, mit romantischer Schwärmerei wenig im Sinn hatten, sondern eher nüchtern, mit großer Ehrfurcht seelische Verfasstheiten der Menschen und Naturbeobachtungen beschrieben. Dass die Veränderbarkeit der Welt ihr Zweck ist, sich aber vieles der Machbarkeit entzieht, hat Uhland immer wieder bekannt:

"Das Unendliche umgibt den Menschen, das Geheimnis der Gottheit und der Welt."
Der sprachlich volkstümliche Ausdruck, den Uhland für dieses Geheimnis gefunden hat, inspirierte nicht nur Franz Liszt, sondern auch Robert Schumann oder Johannes Brahms. Brahms' Vertonung des Gedichts "Heimkehr" in der Gesangsinterpretation von Dietrich Fischer-Dieskau ist dafür eines der bekanntesten Beispiele.

Neben seiner Naturlyrik schrieb Uhland gelegentlich auch politische Gedichte, die als Flugblätter kursierten. Und zusammen mit seinen in zahlreichen Reden rhetorisch glänzend und unerschrocken vorgetragenen politischen Interventionen brachte ihm seine Arbeit größte Anerkennung ein und ließ ihn zu einem Repräsentanten eines erträumten neuen Deutschlands werden:

"Glauben Sie, meine Herren, es wird kein Haupt über Deutschland leuchten, das nicht mit einem vollen Tropfen demokratischen Öls gesalbt ist."

Uhland freute sich zwar über die ihm entgegengebrachte Verehrung, aber er wollte sie in den letzten Lebensjahren nur noch aus der Entfernung wahrnehmen. Er starb am 13. November 1862. Sein Grab findet sich auf dem Friedhof in Tübingen.