Nutella-Streit

Palmöl als Fluch der Tropen

Zwei Arbeiter ernten die Früchte der Ölpalme.
Zwei Arbeiter ernten die Früchte der Ölpalme. © picture alliance / dpa / epa Barbara Walton
Von Alexander Göbel, ARD-Studio Rabat · 24.06.2015
Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal hat zum Nutella-Boykott aufgerufen. Denn: In der Haselnusscreme sei auch Palmöl aus den Tropen. Und dort richten die Palmölplantagen großen Schaden an, wie das Beispiel Liberia zeigt.
In Momblitaa sind sie umzingelt, sagt Ignatius, der Dorfälteste. Umzingelt von Palmölplantagen der Firma Sime Darby. 2009 hatte der malaysische Investor von der Regierung Liberias Hunderttausende Hektar Land gepachtet. Seit der Palmölgürtel rund um das Dorf Momblitaa immer weiter wächst, macht Ignatius sich Sorgen. Bislang konnten die Bauern noch vom Reisanbau leben. Damit könnte es jetzt vorbei sein.
"Wenn diese Firma jetzt kommt und rund um unser Dorf alles abholzt und die Reisfelder trockenlegt, um Plantagen zu pflanzen - wo sollen wir dann unseren Reis anbauen? Wovon sollen wir leben? Wir können doch nicht alle bei Sime Darby arbeiten, die stellen doch kaum Leute ein. Was soll nur aus uns werden?"
Schwache Staaten, willige Regierungen, viel Land
Das war der liberianischen Regierung offenbar egal, als sie den Pachtvertrag mit Sime Darby abschloss - über eine Dauer von 63 Jahren. Die Bevölkerung wurde über den Deal mit dem weltgrößten Palmölproduzenten gar nicht informiert - viele private Landbesitzer warten bis heute auf Entschädigung und sprechen von "Landgrabbing" - Landraub.
Dabei ist Sime Darby nur einer von vielen internationalen Palmölinvestoren, die in Westafrika beste Bedingungen vorfanden: schwache Staaten, willige Regierungen, viel Land. Nach vielen Jahren Armut und Bürgerkrieg habe Liberia das schnelle Geld machen wollen und sich diesen Investoren ausgeliefert, kritisiert Jonathan Yiah vom Insitut für Nachhaltige Entwicklung, kurz SDI, in Monrovia.
"Die Interessen der Palmöl-Firmen sind ausländische Interessen, es geht um Märkte in den USA und in Europa, in Asien. Liberia hat nicht viel davon, dass sie unser Land nutzen - der Staat bekommt eine lächerliche Pacht, vielleicht sind ein paar Dorfbewohner bei den Unternehmen angestellt, aber das bringt nicht viel Einkommen."
Agrobusiness in Westafrika
Vor einigen Jahren boomte das sogenannte Agrobusiness auch in Westafrika. Vor allem der Anbau von sogenannten Cash Crops wie Soja, Zuckerrohr und Palmöl wurde gefördert, die Investoren reagierten auf die weltweit steigende Nachfrage und liehen sich Pacht-Geld bei Pensionsfonds und Kreditinstituten - auch bei der Deutschen Bank. Die Weltbank wiederum schwärmte, Agrobusiness biete Ländern wie Liberia neue Entwicklungschancen. Also eine Win-Win-Situation?
Falsch, sagt Ashoka Mukpo. Für die Organisation "Friends of the Earth" hat der US-Amerikaner lange in Liberia gearbeitet.
"Die Landwirtschaft ist in einem schlechten Zustand. Für nachhaltige Entwicklung müsste dringend investiert werden - und ich meine damit nicht die multinationalen Konzerne, sondern die Kleinbauern. Zuerst müssen die Leute ja von ihrem eigenen Anbau satt werden können, es müssten Märkte geschaffen werden. Die Regierung gibt nur zwei Prozent ihres Budgets für Landwirtschaft aus, obwohl sie sich verpflichtet hat, zehn Prozent zu investieren. Stattdessen haben sie diese Riesenfirmen hier reingeholt. Diese Strategie ist alles andere als nachhaltig. Egal, was die Weltbank dazu sagt."
Umweltbelastungen durch Studien belegt
Auch wenn Palmöl-Konzerne betonen, dass sie die Umwelt nicht zerstören, belegen zahlreiche Studien das Gegenteil: Im Falle von Sime Darby kommt die Universität Reading zu dem Schluss, dass große Flächen von Tropenwald direkt oder indirekt durch die Palmölindustrie bedroht oder schon verloren seien. Rodungen für Ölpalmen hätten dramatische Auswirkungen auf das Klima und das sensible Ökosystem mit seltenen Tier- und Pflanzenarten.
"Wir sagen Nein zu dieser Firma, und dabei bleibt es, sagt der Dorfälteste in dem kleinen Ort Momblitaa. Selbst wenn die Regierung uns zwingt. Sollen sie mich doch umbringen, ich werde mich nicht beugen. Wir haben auch Rechte - und die lassen wir uns nicht nehmen!"
Dass Protest sich lohnt, zeigt das Beispiel Equatorial Palm Oil: Die britische Firma darf ihre Anbauflächen in Liberia nur noch dann erweitern, wenn die Dorfgemeinschaften zustimmen. Ein Machtwort von Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, das vielleicht schon zu spät kommt. Denn wie verheerend die Abhängigkeit von der Palmölwirtschaft ist, zeigt die Ebola-Epidemie: Viele Palmöl-Konzerne wie Sime Darby haben die Produktion wegen Ebola vorübergehend eingestellt. Menschen, die erst ihr Ackerland verloren haben, stehen nun auch noch ohne Arbeit da.
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