NSU-Komplex im Film

Ärgerliche Geschichten

Die Angeklagte Beate Zschäpe sitzt am 25.07.2017 im Verhandlungssaal im Oberlandesgericht (OLG) in München (Bayern) zwischen ihre Anwälte Hermann Borchert (l) und Mathias Grasel. Vor dem Oberlandesgericht wurde der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) fortgesetzt. Foto: Peter Kneffel/dpa | Verwendung weltweit
Beate Zschäpe im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in München. Hier wird der Prozess um die Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) verhandelt. © dpa
Von Matthias Dell · 29.12.2017
Wie reagiert die deutsche Filmproduktion auf die NSU-Morde und deren gesellschaftliche und juristische Aufarbeitung? Sehr durchwachsen, meint Kritiker Matthias Dell: Insbesondere die Spielfilme zum Thema bleiben größtenteils vage. Erkenntniswert bieten sie kaum.
Auf 401 Verhandlungstage hat es der NSU-Prozess am Oberlandesgericht München bereits gebracht. Der erste war Anfang Mai 2013, reserviert sind Sitzungstermine aktuell bis 30. August 2018. Während in München also immer noch verhandelt wird, geht die künstlerische Verarbeitung des NSU-Komplex weiter. Die ARD-Trilogie "Mitten in Deutschland", die 2016 drei Filme über Opfer, Täter und Ermittler versammelte, wurde 2017 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Vage Spekulationen

Vor allem an Christian Schwochows sehr präzise erzähltem Täterfilm aus dem Projekt ("Heute ist nicht alle Tage", Drehbuch: Thomas Wendrich) lassen sich die Beiträge dieses Jahres nicht messen – weder Fatih Akins Rachefantasie "Aus dem Nichts" noch Lars Kraumes Bestseller-Adaption "Dengler – Die schützende Hand" im ZDF. Akin, dessen Film zwar in Cannes lief und für den Golden Globe nominiert ist, vermengt reale Zeichen (Nagelbomben-Attentat mit Fahrrad, Wohnmobil) mit erfundenen zu einer, und das ist das Ärgerliche, völlig unproduktiven Geschichte. Man versteht nichts besser oder überhaupt, wenn man "Aus dem Nichts" gesehen hat.
Der Regisseur Fatih Akin vor einem Plakat des Films "Aus dem Nichts"
Fatih Akin hat 2017 seinen lose an den NSU-Fall angelehnten Film "Aus dem Nichts" vorgestellt. © dpa / picture alliance / Peter Kneffel
Bei Kraumes Schorlau-Verfilmung ist es ähnlich: Auch wenn der Krimiautor vieles recherchiert hat, bleibt er in seinen Spekulationen vage allgemein. Irgendein "Die da oben" beim Geheimdienst hat seine Finger im Spiel. Die Popularität von Schorlaus Buch hat natürlich zuerst damit zu tun, dass es bei der Aufklärung Lücken gibt, die Rolle des Staates kein Thema der Münchner Anklage ist. Aber eine kluge Spekulation darüber, wie die Geheimdienste in den NSU-Komplex verwickelt sind, ist der ZDF-Film nicht.

Stimmiger Dokumentarfilm

Stimmig ist Sobo Swobodniks Dokumentarfilm "6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage – die Morde des NSU". Der dokumentiert die Verbrechen aus Opferperspektive, lässt Lebensgeschichten Hinterbliebener aufscheinen oder zitiert aus Akten und Protokollen.
In gewisser Weise verbindet dieser bilanzierende Ansatz den Film mit Ersan Mondtags Münchner Theaterarbeit "Das Erbe", das den NSU als Aufforderung nimmt, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.

Sichtbarmachen der Geschichte

Das tun auf spielerische, anregende Weise auch die "Spots", die für das ehrenamtliche NSU-Tribunal gedreht wurden von verschiedenen Filmemacherinnen. In denen etwa Ibrahim Arslan als Überlebender des Anschlags von Mölln 1992 eine Kontinuität rechten Terrors aufzeigt.
Dieses Sichtbarmachen der Geschichte ist womöglich der Ausgangspunkt für weitere Filme, die auf eine bessere Weise als Akin oder Kraume fiktional über den NSU-Komplex handeln werden. Die Funktion der filmischen Beschäftigung mit den rechtsterroristischen Verbrechen wird deutlicher werden, wenn der Prozess in München zu Ende geht. Dann ist die Kunst eine Möglichkeit, Öffentlichkeit herzustellen.
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