NS-Verstrickungen des Auswärtigen Amtes

Von Sabine Adler, Hauptstadtstudio · 25.10.2010
Ein Grüner, der Steine wirft, an der Spitze ihres Ministeriums – was konnten sich Spitzenbeamte ereifern im ach so ehrwürdigen Auswärtigen Amt, in dem die Mitarbeiter weit öfter als in anderen Behörden ein "Von" oder "Zu" im Familiennamen tragen.
Joschka Fischer, wurfsicher und schlagfertig, antwortet einem damaligen betagten Angestellten: Hätten Sie es mal beim Steinewerfen belassen. Dann wären viele Menschen am Leben geblieben.

Was Fischer zu dem Zeitpunkt ahnte, aus bereits zwei vorliegenden Studien sogar schon genau wissen konnte, steht jetzt mit dem Bericht der von ihm eingesetzten Historikerkommission unzweifelhaft fest, auch wenn es manch Archivar der Behörde gern verhindert hätte:

Das Auswärtige Amt war tief verstrickt in das Naziregime, Beamte quer durch die Dienstgrade wirkten an der Vernichtung der Juden mit. Vom Auswärtigen Amt aus wurde keinesfalls Sand ins Getriebe des NS-Apparates gestreut. Die Maschinerie funktionierte reibungslos, auch dank der Räder und Rädchen in der Wilhelmstraße, dem früheren Sitz des Außenamts. Dort zog nicht erst mit Hitler eine willige Führungsriege ein. Die Mehrheit der Beamten hatte schon vor 1933 oder gar 1918 ihren Dienst angetreten.

Die auf ihren Status zum Teil ehrpusselig bedachten Diplomaten verfolgten Juden, die rechtzeitig flohen noch im Ausland, gaben der Gestapo Tipps. Der damalige Staatssekretär des Ministeriums, Ernst von Weizsäcker, empfahl die Ausbürgerung von Deutschlands berühmtestem Schriftsteller, Thomas Mann, weil der die Nazis kritisiert hatte. Weizsäcker steckte mit im braunen Sumpf.

Richard von Weizsäcker, Sohn und Bundespräsident, sagte in seiner Rede vom 8. Mai 1985: Das Kriegsende befreite Deutschland von diesem Sumpf. Er hatte nur teilweise Recht. Denn der Morast wurde 1945 noch keineswegs trocken gelegt. Mit Billigung des ersten Bundeskanzlers Konrad Adenauers. Frei nach dessen Motto: Man schüttet kein schmutziges Wasser aus, wenn man kein reines hat.

Was Wunder, dass die 68er gegen die Vätergeneration auf die Barrikaden stiegen. Jahrzehnte konnten die braunen Täter weiterwirken, nicht wenige brachten beachtliche Wendungen zustande, vollzogen Metamorphosen zu Demokraten.

Den wenigen Widerständlern im Auswärtigen Amt, wie Fritz Kolbe, blieb eine Rückkehr auf ihre Posten verwehrt. Als unliebsame Zeugen hätten sie den Korpsgeist gestört. Die Ja-Sager, so ist es an den Karrieren der Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes abzulesen, kamen eindeutig viel weiter.

Das ist eine weitere Tragödie. Und die Lehre? Widerstand meiden? Bitte nicht. Ihn mutig wagen, ernst nehmen. In jeder Phase.
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