NPD-Verbotsverfahren

Die besondere Rolle von Mecklenburg-Vorpommern

Jamel liegt nur wenige Kilometer von der Ostseeküste entfernt. Kaum ein Navigationsgerät führt dieses winzige Sackgassendorf zwischen Wismar und Grevesmühlen. In mindestens sieben der zehn Häuser leben Leute, die rechts bis rechtsextrem ticken.
Jamel: In mindestens sieben der zehn Häuser leben Leute, die rechts bis rechtsextrem ticken. © Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Von Silke Hasselmann  · 29.02.2016
Morgen beginnt das Bundesverfassungsgericht die Verhandlung zum NPD-Verbotsantrag. So weit war das Verfahren im ersten Anlauf 2003 nicht gekommen. Vor allem Mecklenburg-Vorpommern wollte das Scheitern nicht hinnehmen und initiierte einen zweiten Anlauf.
Gerade ist in Pasewalk wieder ein Bus aus Mecklenburg-Vorpommerns Erstaufnahmeeinrichtung angekommen - heute mit 16 Asylbewerbern. Sie alle werden in der Oststadt, einer DDR-Plattenbausiedlung, untergebracht. DRK-Mitarbeiter Michael Schneider nimmt fünf junge Syrer und Kurden in Empfang.
"So, let´s go. Straight ahead, this direction. Wir befinden uns auf dem Weg in die Wohnung, die werden sie gleich zum ersten Mal sehen."
In der Oststadt wohnen bereits über 120 Asylbewerber, aber auch überdurchschnittlich viele deutsche Hartz-4-Empfänger und Geringverdiener. Unter ihnen gebe es natürlich nette Menschen, sagt Schneider. Aber:
"Gerade hier in der Oststadt ist auch eine Neonazi-Problematik. Da gibt´s jede Menge mit Springerstiefeln, weißen Schnürsenkeln und SS-Runen im Nacken tätowiert. Und es gibt auch sehr unfreundliche Kommentare. Wenn ich mit Frauen mit Kopftuch unterwegs bin, gibt´s Neonazis, die offen ausspucken vor den Asylbewerberinnen und mich auch mit Schimpfworten bedenken, weil ich dann auch als jemand identifiziert werde, der denen zur Seite steht."
Die meisten von ihnen würden nicht verhehlen, der NPD nahe zu stehen und sie zu wählen, sagt Schneider. Ähnlich verhält es sich in den Nachbarstädten Torgelow, Eggesin, Ueckermünde, Anklam. Auch dort erreichte die NPD bei den Landtagswahlen 2006 und 2011 zweistellige Ergebnisse. Darüber hinaus hat die NPD Abgeordnete in allen Kreistagen von Mecklenburg-Vorpommern, dazu in 25 Gemeinde- und 17 Stadtvertretungen.
"In der Stadt Grevesmühlen wohnen die NPD-Stammwähler offenkundig auch", berichtet der parteilose Stadtrat Lars Prahler.
"Bei der letzten Kommunalwahl hat der Vertreter der NPD, der sich zur Wahl gestellt hat, drei Prozent bekommen und ist in die Stadtvertretung eingezogen. Damit findet er Gehör in diesem Gremium, was ich persönlich sehr bedauere. Aber es sind eben nur drei Prozent und es sind 97 Prozent, die sie noch nicht erreicht haben und womöglich nie erreichen werden."

Das "Thinghaus" gilt als Treff von Rechtsextremisten

Dennoch werde Grevesmühlen überregional leider immer noch als NPD-Hochburg wahrgenommen, klagt Lars Prahler. Schuld daran sei vor allem das "Thinghaus" mit seiner riesigen Reichsflagge. Der Nazi-Treff gehört dem Abrissunternehmer, vorbestraften Neonazi und zeitweiligen NPD-Kreistagsabgeordneten Sven Krüger und gilt als Treff von Rechtsextremisten.
Das Thinghaus in Grevesmuehlen.
Das Thinghaus in Grevesmuehlen. © Deutschlandradio / Silke Hasselmann
Hier betreibt aber auch der Landtagsabgeordnete Stefan Köster sein Wahlkreisbüro. Der 42jährige glaubt, dass seine Partei und auch er selbst im September zum dritten Mal ins Parlament gewählt werden. Denn niemand kümmere sich so sehr um die Sorgen der kleinen Leute – "von Asylantenflut bis Zwangsgebühren".
"Wir sind die Partei für das eigene Volk und wir arbeiten mit allen jenen zusammen, die etwas zum Wohle unseres Volkes erreichen wollen und die mit legalen Mitteln arbeiten. Wenn jetzt, was noch nicht vorgekommen ist, Einzelpersonen oder Gruppen kommen würden, `wir machen morgen den bewaffneten Aufstand`- das ist mit der NPD nicht zu machen."
Dass die Verfassungsrichter die NPD verbieten werden, glaubt der Chef des Landesverbandes MV mit seinen 340 Mitgliedern nicht. Er werde die Verhandlung in Karlsruhe jedenfalls entspannt verfolgen, so Stefan Köster.
"Es ist immer behauptet worden, dass wir gegen das Grundgesetz wären, dass wir andere bedrohen und so weiter, und sofort. Aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass die Antragsteller dieses im Verfahren nicht belegen werden können."
Das sieht Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier anders. Er weiß: Wäre die NPD weg, bliebe ihr Ungeist da. Dennoch müsste die Polizei keine NPD-Aufmärsche mehr wie diesen in Wolgast schützen, wo rund 500 Demonstranten vor der zentralen Asylbewerberunterkunft brüllten: "Wir wollen keine Asylantenheime!". Vor allem würde die NPD sofort von der staatlichen Parteienfinanzierung abgeschnitten werden.

Verfassungsfeindlich reicht nicht für ein Verbot

Also überzeugte der Schweriner CDU-Politiker seine Kollegen aus den anderen 15 Bundesländern zunächst davon, alle V-Leute abzuschalten, die "zur Meinungsbildung innerhalb der NPD" beigetragen hatten. Dann stellte der Bundesrat den zweiten Verbotsantrag, der nun verhandelt wird.
"Wir sind ja an formalen Fehlern 2003 gescheitert, die schlimm genug waren und die von vornherein auszuschalten waren, damit das Bundesverfassungsgericht zu einer Entscheidung kommen kann. Und ich finde, dass wir eine Grundsatz brauchen. Denn es ist dem Bürger kaum vermittelbar, dass wir viele Steuergelder auch an die NPD zahlen, aber alle Demokraten sich einig sind, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist."
Doch verfassungsfeindlich reicht nicht für ein Parteiverbot. Vielmehr muss vor Gericht nachgewiesen werden, dass die NPD verfassungswidrig handelt. Man darf gespannt sein, wie die Bundesverfassungsrichter das vorgelegte Beweismaterial werten, die zum weit überwiegenden Teil aus Mecklenburg-Vorpommern stammt.
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