Novelle

Unbekanntes vom jungen Schnitzler

Das Cafe Griensteidl in Wien: In dem legendären Wiener Kaffeehaus trafen sich um 1890 die Dichter Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal, der Kulturkritiker Karl Kraus, der Architekt Adolf Loos und der Revolutionär Leo Trotzki.
Cafe Griensteidl: In dem legendären Wiener Kaffeehaus trafen sich um 1890 die Dichter Arthur Schnitzler und Hugo von Hofmannsthal, der Kulturkritiker Karl Kraus, der Architekt Adolf Loos und der Revolutionär Leo Trotzki. © picture-alliance/ dpa
Von Hans von Trotha · 19.05.2014
Die Novelle stammt aus dem Jahr 1894. Arthur Schnitzler war damals 31 Jahre alt. In dieser frühen Erzählung lässt der spätere Virtuose der psychologischen Beiläufigkeit den Konflikt zwischen leidenschaftlichem Künstlertum und bürgerlichem Leben aufflammen.
Handelt es sich um eine "literarische Sensation" - so der Verlag und die Herausgeber -, eine "große Entdeckung" (FAZ) oder aber um eine Mogelpackung, gar einen "editorischen Skandal" (Süddeutsche Zeitung)? Über diese Frage ist zum Erscheinen von Arthur Schnitzlers bislang ungedruckter Novelle Später Ruhm eine Diskussion entbrannt. Während der Verlag sein Buch unter die Leute bringen möchte, fragen Wissenschaftler, ob Schnitzler überhaupt wollte, dass der Text gedruckt wird. Wie dem auch sei – er liegt nun vor, und wir können bislang Unbekanntes vom jungen Arthur Schnitzler lesen.
Ein erster Hinweis auf das Projekt ist eine Notiz: "Der alte Dichter, der endlich den Kreis von jungen Leuten findet, der ihn 'würdigt'. Rührende Gestalt." Im März 1894 begann der 31-jährige Schnitzler dann mit der Niederschrift der Novelle. Es ist durchaus typisch für die Arbeitsweise dieses späteren Virtuosen der psychologischen Beiläufigkeit – zu jener Zeit war von seinen berühmten Texten noch keiner geschrieben -, ein Werk aus einer knappen Beobachtung wachsen zu lassen.
Emotionale Höhen und Tiefen, ausgelöst durch Erinnerungen
"Herr Saxberger kam vom Spaziergang nach Hause und schritt langsam die Stiege zu seiner Wohnung hinauf." Zum Wesen der Novelle gehört gemeinhin das Eintreten einer "unerhörten" Begebenheit. Die erwartet den pensionsnahen Wiener Beamten in seiner Wohnung in Person eines Dichters, der ihm die Huldigung einer Gruppe junger Literaten namens Begeisterung überbringt. Für einen Gedichtband, den Saxberger in jungen Jahren verfasst hatte. - "Es war so seltsam, Künstler, Künstler – wie das Wort nur klang!" In der Folge wird der alte Mann alle emotionalen Höhen und Tiefen erleben, die eine Erinnerung an vergangene, gar verdrängte Zeiten auslösen kann. Bald schwant ihm: "Ich habe geträumt … ich habe mein Leben geräumt."
Saxberger mäandert bald zwischen seinem gutbürgerlichen Wirtshausstammtisch und den Kaffeehaussitzungen der Begeisterung, bei denen viel über Kunst schwadroniert wird. "Alle lyrischen Gedichte sind ja schließlich entweder Morgenstimmungen oder Abendstimmungen", lautet eine der ebendort zum Besten gegebenen Weisheiten – ein Beispiel für die Ironie Schnitzlers Ironie insbesondere im Umgang mit Künstlern und solchen, die gern welche wären. Das ist sein Thema. Während Thomas Mann aus diesem Konflikt einen Roman nach dem anderen zimmerte, blieb Schnitzler meist bei den verdichtenden Formen des Dramas und der Novelle.
Im Kaffeehaus wird über Kunst schwadroniert
Das Potenzial zum Schlüsselroman sollte man hier nicht allzu hoch hängen, auch wenn die Begeisterung unverkennbar an das Junge Wien um Autoren wie Hofmannsthal, Zweig und eben Schnitzler erinnert, das sich damals im Café Griensteidl traf, und für die einzige Frau in der Runde, eine "nicht mehr ganz junge" Schauspielerin, Schnitzlers damalige Geliebte Adele Sandrock Pate gestanden haben mag. Der Konflikt zwischen leidenschaftlichem Künstlertum und bürgerlichem Leben trägt die frühe Erzählung eines späteren Meisters, von dem im Nachwort die Einschätzung zitiert wird: "Eindruck: Hübsch, einige sehr gute Stellen."

Arthur Schnitzler: Später Ruhm
Novelle
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2014
160 Seiten, 17,90 Euro

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