Nordkoreanische Arbeiter auf Malta

Sklavenartige Zustände mitten in Europa

Eine Näherin arbeitet an einer Maschine, mit der Nähte mit einem Spezialband wasserdicht versiegelt werden.
Mindestens 41 Arbeiter aus Nordkoera sollen in einer Textilfirma auf Malta für Hungerlöhne arbeiten. © dpa/ picture-alliance/ Guido Meisenheimer
Von Jan-Christoph Kitzler · 19.01.2016
Ein Textilunternehmen auf Malta soll Arbeiter aus Nordkorea beschäftigt und ausgebeutet haben. Hungerlöhne wurden bezahlt, Überstunden verlangt. Die Pässe wurden laut einer Anwältin einbehalten. Malta soll keine Ausnahme sein. Nach einem Expertenbericht beschaffen 1.000 Nordkoreaner in der EU unter widrigen Arbeitsbedingungen ihrer Heimat Devisen.
In Malta sollen es mindestens 41 Arbeiter sein, die bei der Textilfabrik Leisure Clothing beschäftigt sind. Ein paar Kilometer südlich der Hauptstadt Valletta. Die Firma wirbt im Internet mit großer Flexibilität und mit einer großen Wettbewerbsfähigkeit. Und das wohl auch wegen der Hungerlöhne, die sie zahlt.
Geringer Lohn und Überstunden
Katrine Camillieri vertritt als Anwältin zehn Arbeiter, die hier waren. Keinen der Nordkoreaner, die schaffen es nicht nach draußen, aber einen Chinesen und neun Vietnamesen. 75 Euro haben sie im Monat bekommen - für 14-Stunden-Tage:
"Überstunden wurden auch nicht bezahlt. Ihren Berichten zufolge haben sie lange Stunden gearbeitet. Nur alle zwei Wochen gab es einen Tag Pause. Und abgesehen davon haben sie jeden Tag, auch sonntags von 7.30 Uhr am Morgen bis 9.30 Uhr am Abend gearbeitet. Ihre Pässe wurden einbehalten und so war ihre Freiheit, sich zu beschweren, oder zu versuchen, etwas zu ändern, sehr begrenzt."
Und so ist es auch für die Arbeiter aus Nordkorea: Etwa 1.000 sollen nach einem Expertenbericht zur Zeit in EU-Ländern ausgebeutet werden. Vor allem, um ihrer Heimat Devisen zu beschaffen. 90 Prozent des Lohns, so schätzen die Experten, dürfen sie nicht behalten. In Polen gab es Fälle, in Tschechien – und eben auch in Malta. Marcus Noland, vom Peterson Institut für internationale Wirtschaft in Washington DC, hat auch untersucht, wie die Arbeitskräfte vermittelt werden:
"Es muss eine gesetzliche Vereinbarung geben, um eine große Zahl von Arbeitern zu importieren. Normalerweise über eine staatliche nordkoreanische Arbeitsagentur und einen Arbeitgeber oder eine Arbeitsagentur im Gastland. Über diesen Kanal läuft der Import der Arbeiter."
Migrationsminister bestätigt Berichte
Maltas Mitte-Links-Regierung hat bisher mindestens ein Auge zugedrückt, wenn nicht beide Augen verschlossen. Die Ausgebeuteten haben Arbeitsvisa, gewisse Mindeststandards wurden zugesichert – aber überprüft wurde das bislang offenbar nicht. Dennoch gibt auch der zuständige Minister für Migration, Camelo Abela, indirekt zu, dass es mehr als nur den Fall Leisure Clothing gibt:
"Das ist etwas Anderes. Ich habe über den Fall einer Baufirma gesprochen, die eine Zahl Koreaner beschäftigt. Was diese Firma angeht: Es läuft ein Gerichtsverfahren und ich will das lieber nicht kommentieren."
Wie das Verfahren ausgeht, ist noch nicht absehbar. Aber das Thema sorgt inzwischen auch in Malta für Interesse. Zeitungen des kleinsten EU-Landes haben schon über die Verhaftung des Chinesen Bin Han berichtet, des Geschäftsführers von Leisure Clothing. Und es gibt inzwischen auch die Forderung, dass Malta besser kontrollieren muss, wer auf dem Inselstaat ein Visum bekommt und ob bei den Arbeitern aus dem Ausland die gesetzlichen Mindeststandards eingehalten werden. So sagt es Noel Scicluna, der für Malta als Botschafter in mehreren EU-Ländern gearbeitet hat:
"Wenn ich in meinen Akten einen Bewerber aus Nordkorea gehabt hätte, hätten alle Alarmglocken geschrillt und ich wäre damit sehr vorsichtig umgegangen, vorsichtiger als mit jedem anderen. Das ist Nordkorea. Bei einer Flucht wäre das etwas Anderes: Wenn man es schafft, über die Grenze nach China oder sonst wohin zu fliehen, und dann arbeiten muss. Das ist etwas Anderes."
Aber von Flucht kann bei diesen Arbeitern wohl keine Rede sein. Eher schon von Ausbeutung und von sklavenartigen Zuständen. Mitten in einem Land der EU.
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