Norbert Horst: "Kaltes Land"

Mörderische Geschäfte

Cover Norbert Horst: "Kaltes Land"
Norbert Horsts Roman ist nicht nur ein spannender Krimi, sondern auch ein vielschichtiges Portät einer brüchigen Gesellschaft. © Goldmann / picture alliance / dpa/ Nikos Arvanitidis
Von Thomas Wörtche · 17.11.2017
Drogen, Zwangsprostitution, Organhandel: In Norbert Horsts neuem Krimi sieht sich Kommissar Steiger mit einem Netzwerk von Kriminellen konfrontiert – und mit einer Welt, in der das Leben eines Flüchtlings nicht viel wert ist.
Es gibt in Menschen, die Deutschland als "Kaltes Land" erleben, vor allem wenn sie einer besonders ungeschützten Minderheit angehören wie die "minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge". Mit dieser Gruppe bekommen es Kommissar Thomas Adam, genannt "Steiger", und seine Crew von der Dortmunder Kripo zu tun, als sie die buchstäblich ausgeweidete Leiche eines Drogenkuriers finden.
Nicht unbedingt zum Entzücken der Chefs fängt die Gruppe an, tiefer zu graben und vor allem Zusammenhänge zu anderen merkwürdigen Untaten und Personalien zu sehen, die auf ein ganzes Netz von Abscheulichkeiten hindeuten: Neben Drogenhandel auch Zwangsprostitution und Organhandel. Dahinter scheint eine straffe Organisation zu stecken, die ihre Verbrechen wie eine effiziente Verwertungskette aufzieht. Der Tod ihrer Opfer ist als normaler "Schwund" mitkalkuliert, schließlich steht ein riesiges Reservereservoire zur Verfügung. Und zudem spielt die schwerfällige deutsche Bürokratie mit ihren Lücken und Versäumnissen den Tätern geradezu in die Hände.

Heruntergekommen und fertig

Norbert Horsts Ruhrpott ist, wie der Romantitel sagt, ein kaltes Land, heruntergekommen, schmutzig, fertig, aufgegeben, nichts, worin man gut und gerne lebt. Dagegen stemmt sich die Polizei, zumindest die Polizei, bei der Horsts Serienheld "Steiger" arbeitet. Horst ist selbst Polizist, seine Insiderkenntnisse geben allen seinen Romanen einen besonderen authentischen Dreh. "Echte Polizeiarbeit" liest sich bei ihm immer plausibel und entgegen des beliebten Vorurteils keinesfalls langweilig.
Horst hat ein feines Ohr für die verschiedenen Soziolekte, für die unterschiedlichen psychologischen Dispositionen seiner Figuren, für die Absurdität und die Komik von Behördensprech. Er kennt die Verfahrensroutinen, die formalen Abläufe, die oft komplizierten und kafkaesken Rechtslagen und er kennt deren Sollbruchstellen – alles Dinge, die er dramaturgisch sehr clever zu nutzen weiß und die den Reiz seiner Kriminalromane ausmachen.

Ein vielschichtiges Porträt

Man könnte sicher darüber diskutieren, ob sein letztendliches Grundvertrauen in die Ordnungsmacht, dass er als Polizist allerdings auch haben muss, einem harten Realitätscheck standhalten würde. Aber schließlich sind seine Bücher keine Kriminalreportagen, sondern veritable und gute Romane. Das gilt auch für "Kaltes Land". Ein absolut integrer Text, der sich seriös mit der Brüchigkeit unsere Gesellschaft auseinandersetzt. Und nebenbei ein sehr genaues, vielschichtiges Porträt von Deutschlands größter Metropol-Region liefert.

Norbert Horst: Kaltes Land
Roman
Goldmann, München 2017
399 Seiten, 9,99 Euro

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