Nick Drake

Einer der bekanntesten Unbekannten der Pop-Geschichte

Von Goetz Steeger · 19.06.2018
Der britische Singer-Songwriter Nick Drake nahm nur drei Alben auf. Nach seinem viel zu frühen Tod 1974 verzauberten seine filigranen und melancholischen Songs eine wachsende Fangemeinde. Heute wäre er 70 Jahre alt geworden.
Extrem schüchtern, wortkarg und ein wenig fahrig, dabei gutaussehend und groß, so betrat der 20-jährige Nick Drake das Londoner Büro des Label-Inhabers und Produzenten Joe Boyd, um sein Demo-Tape abzugeben. Der war von den Songs so angetan, dass er sofort ein Album mit ihm aufnehmen wollte, wohlgemerkt ohne den jungen Mann je live gesehen zu haben.
Nick Drake kam aus wohlsituierten Verhältnissen, studierte Literatur in Cambridge und zählte dort zu den Coolen, die "experienced" waren und Cannabis rauchten. Längst hatte er das Interesse an den dort hochgehaltenen sportlichen Aktivitäten verloren. Stattdessen experimentierte er auf seiner Gitarre mit verschiedenen Stimmungen und Folk-Pickings und hatte es damit zu einer außergewöhnlichen Präzision gebracht.
Bei den Aufnahmen zu seinem ersten Album "Five Leaves Left", das im Jahre 1969 erschien, sang und spielte er die Songs gleichzeitig ein. Alle Beteiligten waren hin und weg angesichts seiner Intensität und des gleichbleibenden Niveaus, auch noch wenn es der x-te Take war.
Nick Drakes Ideenreichtum und die fein-gesponnenen Arrangements und Besonderheiten im Folgenden nachempfunden anhand des Songs "Riverman".

Raffiniert und zwielichtig

Schon mal die erste Besonderheit: Es handelt sich hier um einen Fünf-Viertel-Takt. "Take Five" gab es ja vorher schon von Dave Brubeck, aber ein in der Popmusik sehr ungewöhnliches Taktmaß.
Ein bisschen Bossa Nova-artig gespielt, im Wechsel der tiefen und höheren Saiten. Das Ganze ist ein Vier-Akkord-Schema, raffiniert ausgedacht, denn der letzte und erste Akkord sind zwar die gleiche Tonart, aber das Eine in Dur, das Andere in Moll, dazu der im Original wunderbare Kontrabass von Danny Thompson.
Das Arrangement der Streicher trägt hier ganz besonders zu der zwielichtigen Atmosphäre bei. Die uneindeutigen Akkorde mit Septimen, Nonen und Ähnlichem angereichert waren typisch für die Gangart des britischen Komponisten Frederick Delius. Nach ihm sollte, so wünschte es sich Nick Drake, der Song klingen. Also suchte man einen entsprechenden Arrangeur.
Die spannungserzeugenden Tremolo-Streicher hier führen zu einem B-Teil mit einem neuen Akkord und einer Streicher-Melodie. Eine absteigende Melodie, die den Fünfertakt rhythmisch ausgefuchst aufteilt.
"Riverman" wurde oft gecovert, von Jazzern wie Till Brönner und Brad Mehldau ebenso wie von Paul Weller oder Benjamine Clementine.

Verzweiflung und Rückzug

Nach Erscheinen des Albums buchte man ihm eine Tour durch britische Clubs, in den meisten hatte niemand je von ihm gehört. Die langen Pausen, in denen er seine Gitarre umstimmte, ohne ein Wort zu verlieren, taten ihr Übriges: Das Gerede der Leute übertönte ihn, er konnte das nicht aushalten und brach die Tour ab.
Noch zwei ebenso einzigartige Alben entstanden in den folgenden Jahren, aber Nick Drake litt zunehmend unter schweren Depressionen.
Schon früher bei seinen Kommilitonen galt er als jemand, von dem keiner wusste, was in ihm vor sich geht. Jetzt kam wohl die Verzweiflung über die vermeintlich gescheiterte Karriere dazu und damit die fatale Einschätzung, alles im Leben falsch gemacht zu haben.
Er ließ sich stationär behandeln und zog anschließend wieder zu seinen Eltern zurück, die sich so gut es ging seiner annahmen. Am 25. November 1974 starb er mit nur 26 Jahren an einer Überdosis Tabletten.
Seine ältere Schwester Gabriella Drake erzählte später, dass er sich so sehr gewünscht habe, dass seine Songs in der Lage sind, Trost zu spenden. Wenn er wüsste, wie sehr ihm das gelungen ist.
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