"Never Ending Story" Elbphilharmonie

Von Verena Herb · 01.04.2012
Schon vor zwei Jahren sollte die Hamburger Elbphilharmonie als "Juwel unter den Konzerthäusern" strahlen. Stattdessen herrscht nun Stillstand auf der Dauergroßbaustelle, die Kosten sind explodiert. Stadt, Architekten und Baufirma streiten seit Monaten.
Februar 2012: Der Wind pfeift über die Stahlkonstruktion der Elbphilharmonie, als die Hamburger Kultursenatorin Barbara Kisseler den prominenten Besucher, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso über die Baustelle führt.

Barroso und seine Entourage tragen weiße Bauhelme und schwarze Schutzschuhe – der Politiker ist begeistert:

"Ich bin von diesem Projekt sehr beeindruckt – es wird wahrscheinlich das größte musikalische Zentrum Zentraleuropas werden."

Und ignoriert höflich die Tatsache, dass derzeit Baustopp herrscht am öffentlichen Teil der Baustelle: Kein Hämmern, kein Bohren, kein Fräsen.

Ein Grund für den Stillstand: Hochtief hat Sicherheitsbedenken bezüglich der Statik am komplizierten Tragwerk des Daches für den Konzertsaal. Mittlerweile hat Hochtief sogenannte Ertüchtigungsmaßnahmen zugesagt, will die Stahlträger verstärken. Doch erst Mitte, Ende Mai werde man voraussichtlich mit den Bauarbeiten fortfahren.

Die Auseinandersetzung um die Sicherheit der Stahlträger ist nur ein Kapitel in dieser "Never Ending Story" Elbphilharmonie. Oder anders ausgedrückt: Willkommen in Absurdistan. Dabei hatte alles so schön angefangen...

Im Jahr 2001 sprach der private Investor Alexander Gerard mit den Basler Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron über die Vision eines Konzertsaals auf dem damaligen Kaispeicher A am westlichen Zipfel der Hafencity: Der Entwurf zeigte eine kühne Welle aus Glas, unter deren Hülle ein neuer Konzertsaal entstehen sollte – modern, avantgardistisch, atemberaubend.

In Hamburg war man begeistert – zumal 2005 auf dem Preisschild ein "Festpreis" von 77 Millionen Euro stand als Kosten für die Stadt. Den Grundstein für die Elbphilharmonie legte von Beust am 2. April 2008 – Fertigstellungsprognose damals: Sommer 2010.

Mittlerweile sind die Kosten für das Bauwerk um das Vierfache angestiegen: auf derzeit 323 Millionen Euro. Von zusätzlichen 100 Millionen Euro ist die Rede – die Stadt und Hochtief versuchen, das derzeit vor Gericht zu regeln. Ergebnis offen. Gleiches gilt für den Termin für das Eröffnungskonzert. Darauf angesprochen, kann Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler nur müde lächeln:

"Die Frage stelle ich mir ungefähr im Wochentakt. Und ich würde mich freuen, wenn ich irgendwann eine belastbare Antwort darauf hätte."

Als Fertigstellungstermin sei November 2014 zwar avisiert – 2015 jedoch nicht ausgeschlossen.

Doch was ist der Grund für all die Querelen: Die zeitlichen Verzögerungen, die Kostenexplosionen? Fakt ist: Es wurde mit dem Bau der Elbphilharmonie begonnen, als die Hauptplanungen noch nicht abgeschlossen waren. Thomas Möller, Niederlassungsleiter von Hochtief in Hamburg:

"Es wurde gestartet mit zwei Konzertsälen. Es wurde gestartet mit einer Elbwasser-Rückkühlung. Und während des Bauvorhabens, also während der Herstellungszeit schon, wurde erhöht auf drei Säle. Es wurde umgestellt auf eine Rückkühlung mit Tiefbrunnen. Um einfach diese beiden Beispiele zu bringen."

Hinzu kommt ein kompliziertes Vertragskonstrukt: bei dem der Konzern Hochtief baut, was das Architektenbüro Herzog und de Meuron entwirft und was die städtische Realisierungsgesellschaft ReGe steuern und kontrollieren soll.

Die Fronten zwischen Bauherrn und Baukonzern scheinen verhärtet: Und so zeigt Olaf Scholz in der Öffentlichkeit keine Nachgiebigkeit gegenüber dem Baukonzern. Auch wenn das nicht als Ankündigung zu verstehen sei, machte der Sozialdemokrat jüngst klar:

"Wir könnten sie ja auch zu jedem Zeitpunkt alleine zu Ende bauen. Dauert dann etwas länger... würde aber auch gehen."

Die Elbphilharmonie ohne Hochtief – durchaus eine Option, wenn auch eher unrealistisch. Fakt ist: Die Elbphilharmonie wird kommen. Man weiß nur immer noch nicht genau, wann. Nur eines ist sicher: Dass sie den Hamburgern derzeit weniger lieb als teuer ist.
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