Neues von Adam und Eva

02.11.2009
Die nicaraguanische Schriftstellerin und einstige Skandalautorin Gioconda Belli erzählt den Mythos von Adam und Eva neu. Sie spielt mit den Rollenbildern von Frau und Mann und geht salopp mit dem sakrosankten Material um.
Gioconda Belli, geboren 1948 in Nicaragua, ist eine Künstlerin von wechselhafter Ausstrahlung. In den Siebzigern inszenierte sie sich als Rebellin, Feministin und Skandalautorin. Ihre frühen Gedichte sorgten für Aufregung, ob sie über Sex schrieb oder über die Revolution. Von Ortegas Sandinisten hat sich Gioconda Belli längst distanziert, in Managua lebt sie nur noch einen Teil des Jahres (sonst bei Los Angeles), und viele Verse aus jüngerer Zeit wirken platt. Seit über 20 Jahren verfasst die Autorin nun auch Prosa, Unterhaltungsromane, die sich gut verkaufen. Bellis Autobiografie, eine heroische Seifenoper, wurde 2001 im deutschsprachigen Feuilleton verrissen.

Jetzt hat sich die Nicaraguanerin zurückgemeldet, mit einem Roman über Adam und Eva. Im Buch Genesis nur wenige Verse umfassend, wird der Schöpfungsmythos bei Belli zur Saga. Die Erzählerin schildert die Erschaffung des Ur-Paars, sie zeigt die Schlange, den Baum der Erkenntnis, zeigt Gottes Zorn und die Vertreibung aus dem Paradies. Das Paar hat Kinder, zweimal Zwillinge - Kain und Luluwa, Abel und Aklia (die Mädchen werden in der Bibel nicht erwähnt). Auf Gottes Geheiß sollen sich die Kinder fortpflanzen, es kommt zu Eifersucht, zum Brudermord.

Was ist neu an der Neufassung? Belli gibt den Protagonisten Kontur. Adam kommt als etwas unbedarfter Beau daher, er langweilt sich im Paradies. Bis Eva auftaucht. Die Frau bringt Unruhe, sie redet zu viel, und sie fragt zu viel. Selbst Gottes Weisungsrecht zieht sie in Zweifel. Die Schlange – keineswegs die doppelzüngig-falsche Kreatur – wird als schlagfertiges Orakel skizziert. Erfrischend respektlos kommentiert sie Gottes Wirken: "Er wird sich schon wieder einkriegen." Und der Herr selbst, Elohim? Ist ein Sonderling, der Andere, der alles lenkt, sich aber nie zeigt.

Gioconda Belli will philosophisch in die Tiefe gehen. Eva erscheint nicht als Sünderin, sondern als Gottes Verbündete. Der Herr braucht die kluge Kreatur, um das Projekt "Geschichte" überhaupt in Gang zu setzen; die Historie beginnt mit dem freien Willen einer starken Frau. Tochter Aklia zieht am Ende mit einer Affenhorde fort. Erst aus dieser Horde – das suggeriert der Text - wird die Menschheit hervorgehen. Ein Versuch, Bibel und Darwinismus zu vereinen?

Das Buch mag skeptische Leser verblüffen. Präzise, poetisch dicht klingt der Text zu Beginn. "Und er ward. Plötzlich. Vom Nicht-Sein zum Wissen, dass er war." Die Ironie ist schön, der saloppe Umgang mit sakrosanktem Material und mit den Rollenbildern von Mann und Frau. Schön ist, wie die Autorin den Weg der Erkenntnis umschreibt. Adam und Eva sehen und fühlen alles zum ersten Mal. Hunger: "Was ist das?"

Nach ein paar Dutzend Seiten scheint die dramaturgische Kraft jedoch erschöpft. Die Geschichte wird zäh, jede Pointe zerredet. Bald wirkt der Text wie die letzten Bücher der Verfasserin: gefällig, gefühlig. Es gibt Kitsch - leuchtenden Odem, aufwallende Freude - und einen Hang zu religiöser Verklärung. Bellis neuer Roman, heißt das, hat großartige Momente, doch er bietet kein reines Lesevergnügen.

Besprochen von Uwe Stolzmann

Gioconda Belli
Unendlichkeit in ihrer Hand.

Aus dem nicaraguanischen Spanisch von Elisabeth Müller.
Droemer Verlag, München 2009
304 Seiten, 16,95 Euro.