Neues Theaterfestival in Brandenburg

Macher wollen "den Rechten ein anderes Gefühl entgegensetzen"

Macher und Besucher des Theaterfestivals "Land in Sicht" begegnen sich an der "Langen Theatertafel" im brandenburgischen Paretz.
Im Rahmen des Theaterfestivals "Land in Sicht" kommen Macher, Schauspieler, Paretzer und Besucher beim gemeinsamen Essen ins Gespräch. © Mathias Rümmler
Von Vanja Budde · 02.06.2018
Vor allem in ländlichen Gebieten sind Populisten und Rechte stark. Das dörferübergreifende Festival "Land in Sicht" will ihren Parolen mit der Kraft des Theaters begegnen. Dabei kommen sich Macher, Schauspieler und Zuschauer näher.
In dem Ein-Mann-Stück "Die Feuerwehr ist da" geht es um den arbeitslosen Heiko Butzke. Ohne Aufgabe ist der aber nicht. Als Einsatzleiter bei der freiwilligen Feuerwehr spielt er eine wichtige Rolle in seinem Dorf. Doch nun will ihn das Jobcenter auf eine freie Stelle nach Stuttgart schicken.
Für das Stück mit Musik wurden Dutzende freiwillige Feuerwehrleute interviewt, der Text beruht auf ihren Erzählungen. Das Bühnenbild ist karg, an einem Garderobenständer hängen Feuerwehr-Schutzkleidung und Helme, ein altes Moped, eine Wasserpumpe. Ansonsten ist Jens-Uwe Bogadtke auf sich gestellt. Und meistert den einstündigen Monolog: Bogadtke ist Schauspieler im "Theater am Rand" im Oderbruch, er hat auch schon in der Volksbühne und im Berliner Ensemble auf der Bühne gestanden.

Zuschauer aus Berlin und Potsdam angereist

Es ist Sonntagnachmittag, draußen brennt die Sonne vom Himmel, es herrschen hochsommerliche 30 Grad. Trotzdem sitzen an die 100 Leute hier in der dunklen Kulturscheune im Dörfchen Paretz, 40 Kilometer westlich von Berlin. Das Thema des Stückes wäre durchaus auch etwas für die Paretzer gewesen, doch von ihnen sieht man nur eine Handvoll unter den aus Berlin und Potsdam angereisten Zuschauern. Sieglinde Haas ist eine davon:
"Mich hat ganz doll gewundert, wie der Mann über eine Stunde da auf der Bühne stand und mit Mimik, Gestik – ja, total schön. Es ist nur immer schade, dass die Dorfbevölkerung das nicht ganz so annimmt, ne? Wenn man jetzt so rumguckt: Man sieht zwar einige, die – muss ich jetzt auch sagen, ich persönlich mit rangelockt habe – aber es sind auch mehr Auswärtige, die dann aufs Land kommen und ein Event erleben möchten."
Der Schauspieler Jens-Uwe Bogadtke in der Rolle des Einsatzleiters der Freiwilligen Feuerwehr im Theaterstück "Die Feuerwehr ist da".
Szene aus dem Ein-Mann-Stück "Die Feuerwehr ist da", das auf dem Theaterfestival "Land in Sicht" in Paretz aufgeführt wurde.© Mathias Rümmler
Die Gäste haben sich neben der Scheune an einer langen Tafel niedergelassen. Die "Lange Theatertafel" im Grünen ist zentraler Bestandteil der vier Festival-Tage an vier verschiedenen Spielstätten. Zwischen Theater, Puppenspiel und Neuer Musik sollen sich bei Speis und Trank Angereiste, Zugereiste, Dörfler, Künstler und Gäste näher kommen. Speed-Dating im Schatten der Bäume.
Helga Breuninger, Stifterin der Kultur-Scheune Paretz: "Ich würde mir wünschen, dass die vielen wunderbaren Theaterprojekte, die es in Brandenburg gibt, sich vernetzen, dass da Synergien entstehen, sodass wir hier ein kulturelles Landleben haben, wie jetzt hier zum Beispiel. Theater wertet das Land auf und macht es lebenswert."

Leiterin: Freies Theater auf dem Land hat politische Aufgabe

In einer Sofaecke in der kühlen Scheune verschnauft kurz Kerstin Dorscht, Projektleiterin des Theaterrings Brandenburg und Mitinitiatorin des Festivals "Land in Sicht". Freies Theater auf dem Land habe gerade in heutigen Zeiten auch eine politische Aufgabe, sagt sie. Jeder fünfte Brandenburger würde laut aktuellen Umfragen die AfD wählen. Die Populisten sind vor allem im ländlichen Raum stark.
Kerstin Dorscht: "Da braucht es einfach ein Gegengewicht. Deswegen sind natürlich auch solche Vernetzungsprojekte wahnsinnig wichtig. Man hat ja das Gefühl, die Rechten sind alle vernetzt, nur wir nicht. Diese Form Theater, ob jetzt darstellend, Tanz, Musik, geht ja über das Gefühl. Wir müssen eben den Rechten ein Gefühl entgegensetzen und ein anderes Gefühl. Da sehe ich die Kraft von Theater."
Regisseur Wolfram Scheller: "Da öffnen sich unter Umständen ganz andere Welten – für uns als Macher, aber auch für die Zuschauer, die kommen."
Wolfram Scheller, Künstlerischer Leiter der Truppe theater.land, hat das zweite Eröffnungsstück mitgebracht: "Drei Schwestern" nach Anton Tschechow. Theater auf dem Dorf könne immer nur ein Angebot sein, meint er. Die Macher bräuchten einen langen Atem.
Wolfram Scheller und seine Schauspielerinnen haben das Stück auf die drei Schwestern reduziert und auf die Frage: In der Provinz bleiben, oder in die Hauptstadt flüchten? Eine Frage, die für junge Leute in den Dörfern Brandenburgs sehr aktuell ist.
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