Neuer Kinofilm "Eleanor und Colette"

Eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft

Anita Elsani, Bille August, Helena Bonham Carter und Petra Müller bei der Premiere von "Eleanor & Colette"
Anita Elsani, Bille August, Helena Bonham Carter und Petra Müller bei der Premiere von "Eleanor & Colette" in Essen. © Imago/xA.xHavergox/xFuturexImage
Bille August im Gespräch mit Susanne Burg  · 28.04.2018
Zehn Jahre lang gab es vergebliche Versuche, den Stoff zu verfilmen. Schließlich landete das Drehbuch bei dem dänischen Regisseur Bille August, den das Psychiatriedrama faszinierte. Nun kommt "Eleanor und Colette" in die deutschen Kinos.
Eleanor Riese gehörte zu den vielen Psychiatriepatienten, denen noch in den 1980er Jahren in den USA gegen ihren Willen Medikamente gegeben wurden. Gemeinsam mit ihrer Anwältin Colette Hughes kämpfte sie erfolgreich dagegen an. Diese wahre Geschichte erzählt der neue Spielfilm "Eleanor und Colette", der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt.

Erzählung aus dem Alltag der Psychiatrie

Die Regie geführt hat der Däne Bille August, bekannt für seine erfolgreichen Literaturverfilmungen "Das Geisterhaus", "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" und "Nachtzug nach Lissabon". Das Drehbuch für "Eleanor und Colette" stammt von dem US-amerikanischen Drehbuchautor Mark Bruce Rosin und landete vor einigen Jahren auf dem Schreibtisch von Bille August. Ihn faszinierte der Fall und die Geschichte einer ungewöhnlichen Frauenfreundschaft.

Das Interview im Wortlaut:

Bille August: Was ich sofort mochte an dem Stoff, war die außergewöhnliche Beziehung zwischen den zwei Frauen. Es ist ein Gerichtsdrama und der Fall ist wichtig, weil er auch veränderte, wie Psychiatriepatienten in den USA behandelt werden. Aber ich mochte, wie sich die Freundschaft zwischen diesen beiden sehr unterschiedlichen Frauen entwickelt.
Susanne Burg: Das ist ein großer Teil des Films und er spielt vor dem Hintergrund des Falles von Eleanor Riese, die Psychiatriepatientin war. Was war die Situation der US-amerikanischen Psychiatrie in den 1980ern?
August: Die Patienten in der Psychiatrie hatten keinen Einfluss auf ihre Medikamente. Sie mussten nehmen, was ihnen verordnet wurde. Eleanor Riese hat das Thema auf den Tisch gebracht und für die Rechte der Patienten gekämpft, zusammen mit ihrer Anwältin Colette Hughes. Die Gesetze wurden dann auch 1987 geändert und auch zwangseingelieferte Patienten hatten dann das Recht, bei der Einnahme von Antipsychotika mitzubestimmen.
Danish director Bille August, also a member of the Tiantan Award International Jury, attends a press conference for the 7th Beijing International Film Festival in Beijing, China, 15 April 2017. Foto: James Luke/Imaginechina/dpa |
Der Regisseru Bille August.© James Luke/Imaginechina/dpa
Burg: Eleanor Riese bekam vor dem Gerichtsverfahren lange antipsychotische Medikamente gegen ihren Willen. Was waren eigentlich die Nebenwirkungen?
August: Die Nebenwirkungen waren fürchterlich. Sie zitterte und ihr war schwindelig. Sie war ja in der Klinik, damit es ihr besser ging. Aber diese Medikamente machten alles schlimmer. Sie beschloss dann, dagegen zu kämpfen, auch für die anderen Tausende von Patienten in einer ähnlichen Situation.
Burg: Es ist interessant, dass sie die Klarheit hatte zu verstehen, was mit ihr passierte. Sie wollten Eleanor als komplexe Figur im Film zeigen. Ihr Verhalten folgt jedoch anderen Mustern, als sie uns vertraut sind, wirkt etwas erratisch. Wie haben Sie sich diese Figur erschlossen?

Unerwachsen und mit großem Herz

August: Eleanor Riese hatte eine Hirnhautentzündung, als sie zehn oder elf war und ihr Gehirn entwickelte sich von dem Zeitpunkt an intellektuell nicht mehr weiter. Sie ist also in gewisser Weise ein Kind geblieben. Im Film ist sie 41 Jahre alt. Sie ist unerwachsen, hat aber ein großes Herz und sie ist sehr direkt mit Leuten – so wie Kinder es sind. Sie hat auch ein soziales Gewissen und ist sehr mitfühlend mit den anderen Patienten. Aber ihre Persönlichkeit ist kindlich.
Burg: Helena Bonham Carter spielt Eleanor. Wie haben Sie mit ihr an der Rolle gearbeitet – auch um Klischees von Psychiatriepatienten eventuell zu vermeiden?
August: Wir haben viel Zeit in Krankenhäusern verbracht und uns Bilder angesehen von Patienten mit ähnlichem Krankheitsbild. Wir haben viel recherchiert. Helena hat sich lange damit beschäftigt, hat mit Patienten geredet und ihre Mutter ist glaube ich eine Psychiaterin und hat ihr geholfen. Aber es war eine Menge Arbeit, diesen Charakter zu erfassen.
Burg: Sie haben erwähnt: Colette Hughes hat den Fall übernommen, gespielt von Hilary Swank. Sie hat sich für eine Entschädigung und eine Gesetzesänderung eingesetzt. Zwischen den beiden sehr ungleichen Frauen entwickelt sich eine Freundschaft. Manchmal schreibt ja auch das Leben Geschichten, die nur schwer zu glauben sind. Hatten Sie Sorge, dass die Glaubwürdigkeit ein Problem im Film sein könnte?
August: Ich mochte das sehr an der Geschichte, die Freundschaft dieser beiden Frauen, die so unterschiedlich sind. Und darauf habe ich mich konzentriert. Am Anfang streiten sie sich ja fast, weil sie so verschieden sind. Colette ist fast wie eine Geschäftsfrau, Rechtsanwältin. Sie arbeitet so viel, dass sie fast keinen Zugang zu ihrem Inneren hat, zu ihrer eigenen Persönlichkeit, und auch nicht zu anderen. Aber jedes Mal, wenn sie sich mit Eleanor trifft, öffnet sie sich ein bisschen mehr. Es ist fast ein bisschen wie Yin und Yang, wo die jeweils andere Hälfte fehlt. Sie ergänzen sich. Und darin liegt die Schönheit der Geschichte.

Dreharbeiten im Krankenhaus

Burg: Der Drehbuchautor hat das erste Mal in einem Interview von dem Fall gehört. Es ist schon unglaublich, dass der Fall noch nie verfilmt wurde. Als Sie davon hörten, was war Ihre erste Reaktion?
August: Es gab wohl zehn Jahre lang Versuche, den Fall zu verfilmen, aber es war schwierig. Und irgendwie landete dann das Drehbuch auf meinem Tisch. Ich las es und dachte: Das ist wichtig und ich will mitmachen, wenn wir es finanziert bekommen und die richtigen Schauspieler finden. Bei uns kam es dann irgendwie zusammen.
Burg: Wir sollten auch über die Ästhetik des Films sprechen. Die Farben sind recht entsättigt. Welche Gedanken sind in den visuellen Stil geflossen?
August: Nun, der Film spielt zu großen Teilen im Krankenhaus und ich wollte, dass alles sehr blass und klinisch kalt aussieht, so dass die Figuren mehr im Zentrum stehen. Das war die Idee dahinter.

Filmindustrie ohne Konkurrenz

Burg: Dies ist eine deutsch-belgische Produktion mit internationalen Stars. Sie haben schon viele solcher Produktionen gemacht. In den letzten 25 Jahren hat sich der dänische Film als international sehr stark in der Filmindustrie etabliert. Es ist natürlich eine komplexe Angelegenheit, aber wie würden Sie den Erfolg und die Beliebtheit des dänischen Films international erklären?
August: In Dänemark sind die Filmemacher Kollegen und Freunde, keine Feinde. Wenn ich ein Drehbuch beendet habe, schicke ich es meistens meinen Kollegen und sie lesen und korrigieren es. Und sie tun es umgekehrt auch. In der Postproduktion ist es ähnlich. Wir unterstützen einander. Denn es hilft auch der dänischen Filmindustrie, wenn wir gute Filme machen. Es gibt also keine wirkliche Konkurrenz. Wir inspirieren uns gegenseitig und das ist sehr fruchtbar. Das ist einer der Gründe.
Burg: Es muss aber noch mehr geheime Rezepte geben, oder?
August: Die Filmförderung ist sehr gut. Das dänische Filminstitut ist hervorragend. Es unterstützt 25 bis 30 Filme im Jahr. Das heißt, es gibt kontinuierlich neue dänische Filme und das führt zu einem sehr professionellen Standard, hinter und vor der Kamera. Und es hilft auch, dass wir diese dänische Handschrift entwickeln und gute Qualität und Substanz gewährleisten können. Das ist so die Kombination an Gründen.
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