Neuer Bundestag

Welcher Ton ist in Klimafragen zu erwarten?

Der FDP-Abgeordnete Hermann Otto Solms leitet die konstituierenden Sitzung des 19. Deutschen Bundestages am 24.10.2017 im Plenarsaal im Reichstagsgebäude in Berlin.
Die konstituierende Sitzung des Bundestages © dpa-Bildfunk / Ralf Hirschberger
Von Nadine Lindner · 24.10.2017
In Berlin hat sich der neue Bundestag konstituiert. Mit der AfD sitzt zum ersten Mal eine Partei im Parlament, die den Einfluss des Menschen auf Veränderungen des Klimas leugnet. Im Wahlkampf hat Umweltpolitik kaum eine Rolle gespielt.
Die Luft ist stickig und der Andrang im Saal ist so groß, dass viele Besucher der klimapolitischen Konferenz der Wochenzeitung "Die Zeit" vor wenigen Tagen in Berlin nur noch Stehplätze bekommen haben.
"Ich glaube, der Grund, warum der Raum so platzt, hat natürlich auch etwas damit zu tun, dass wir alle das Gefühl haben: Mit Jamaika ist da vielleicht was drin in der Umwelt- und Klimapolitik."
Neben der Moderatorin Petra Pinzler sitzt die grüne Bundestagsabgeordnete Julia Verlinden.
Julia Verlinden (Bündnis 90 / Die Grünen) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags.
Julia Verlinden (Bündnis 90 / Die Grünen) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags.© imago / foto2press

Grüne halten an den Klimazielen für 2020 fest

Sie mahnt mehr Anstrengungen an, damit Deutschland seine selbst gesteckten Klimaziele für das Jahr 2020 – die jetzt gefährdet seien – doch noch einhält:
"Jetzt sieht es so aus, dass wir sie vielleicht nicht schaffen. Also verändern wir diese Ziele mal. Und wir Grüne sagen, das ist nicht die Option. Sondern die Option muss sein: Strengen wir uns mehr an."
Die 38-jährige Verlinden steht für einen Generationswechsel, den es in der Grünen-Fraktion in der Klimapolitik gibt. Bärbel Höhn, zuletzt Vorsitzende des Umweltausschusses und langjährig prägend für dieses Politikfeld, ist zur Bundestagswahl nicht mehr angetreten. Nun spielen Annalena Baerbock oder Julia Verlinden eine größere Rolle. Beide Frauen in ihren 30ern sind rhetorisch stark, in der Energie- und Klimapolitik themenfest bis ins Detail.

AfD möchte Klimaabkommen von Paris kündigen

Was heißt es für die Diskussion über Umwelt- und Klimapolitik, wenn die AfD mit im Bundestag sitzt? Das fragen sich hier auf der Konferenz viele. Denn die Rechtspopulisten zweifeln den Einfluss des Menschen auf den Klimawandel an:
"Der Grund für die Energiewende ist der angebliche Klimawandel."
So der jetzige Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland Anfang September auf einer Pressekonferenz im Wahlkampf. Die Energiewende nennt Gauland Planwirtschaft:
"Deshalb sagt die AfD Schluss mit der Energiewende und all ihren Ausformungen. Abschaffung des EEG, des EneV und der dazugehörigen Gesetze und Verordnungen."

Interviewanfragen zum Klimawandel unbeantwortet
Der AfD-Politiker Alexander Gauland.
Der AfD-Politiker Alexander Gauland© Imago / IPON
Nicht nur die Regeln für Erneuerbare Energien und Energieeinsparung sollen abgeschafft werden. In ihrem Programm geht die Partei noch weiter und fordert den Stopp des Ausbaus von Windrädern sowie:
"Das Pariser Klimaabkommen ... ist zu kündigen. Deutschland soll aus allen staatlichen und privaten 'Klimaschutz' Organisationen austreten und ihnen jede Unterstützung entziehen."
Und weiter:
"Die Aussagen des Weltklimarats (IPCC), dass Klimaänderungen vorwiegend menschengemacht seien, sind wissenschaftlich nicht gesichert."
Zwei Interviewanfragen des Deutschlandradios zu diesem Thema ließ die Partei unbeantwortet.
Was bedeuten diese Positionen für den Bundestag? Auf dem Podium, in den Kaffeepausen sind das die Gesprächsthemen und auf der klimapolitischen Konferenz, zu der die "Zeit" eingeladen hat. Der Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller, mahnt zur Gelassenheit:
"Die AfD hat sich sehr hart gegen Klimaschutzmaßnahmen positioniert. Aber das ist ein Standpunkt, der nicht der Wissenschaft entspricht. Der Klimawandel ist bei den allermeisten politischen Akteuren, aber auch bei Politikern, der Bevölkerung anerkannt. Deswegen wird man diese Grundsatzdiskussionen im Bundestag hoffentlich nicht mehr zu lange führen."
Claudia Kemfert spricht bei einer Konferenz im schwarzen Blazer und betont ihre Wort mit einer Handbewegung
Claudia Kemfert© dpa / Bernd Wüstneck

Kemfert bezweifelt Klimakompetenz der AfD

"Beim Thema Klimaschutz hat sie nicht so eine Fundamentalkompetenz. Weil man sieht, dass die Bevölkerung in Deutschland den Klimawandel ernst nimmt und dass der Klimaschutz schon weiter fortgeschritten ist, als da, wo die AfD steht. Da holt sie die Bürger nicht ab, zumindest einen Großteil der Bürger."
Das sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin beim DIW-Berlin. Sie glaubt, dass die AfD das Misstrauen in der Bevölkerung nähren wolle, aber ihrer Ansicht nach keinen großen Erfolg haben werde.
Klimapolitisch einflussreicher könnten die Positionen der wieder im Bundestag vertretenen FDP sein. Der liberale Hermann Otto Solms spricht seit Neuestem für seine Partei, wenn es um Umwelt und Klimafragen geht. Eigentlich Neuland für den 76-Jährigen, der als Finanzfachmann gilt.
Diese thematische Vorprägung wird auch bei den Positionen zum Klimaschutz deutlich – die Energiewende sei zu teuer! So der Liberale Solms:
"Wir unterstützten alle Klimaschutzpolitik, die in Paris beschlossen worden ist, aber da endet auch schon die Gemeinsamkeit. Weil wir meinen, dass bei der Energiewende Fehler gemacht worden sind, sodass die Umsetzung der Energiepolitik nicht richtig funktioniert."

FDP fordert mehr Marktinstrumente beim Klimaschutz

Er hofft, dass die Grünen sich auf die Politikansätze der FDP einlassen:
"In dem wir mit marktwirtschaftlichen Instrumenten versuchen, die Belastungen für die Bürger beschränken, aber gleichzeitig zu einer effizienten Lösung der Umweltproblematik kommen."
Konkret heißt das: Abschaffung der EEG-Umlage für neue Anlagen, Ausweitung des europäischen Handels mit CO2-Verschmutzungsrechten. Egal wie der Ton im Parlament gesetzt wird. Eines steht jetzt schon fest: Die Umwelt- und Klimapolitik wird im Vergleich zu vorhergehenden Legislaturperiode größere Aufmerksamkeit bekommen. Denn spätestens im Jahr 2020 wird sich das erste Mal schwarz auf weiß zeigen, ob Deutschland seine selbst gesetzten CO2-Einsparziele erreicht. Und damit seine Rolle als selbst ernannten Klimavorreiter auch ausfüllen kann.
Mehr zum Thema