Neue Straßennamen für das "Afrikanische Viertel"

Ein Symbol der Wiedergutmachung

Die Lüderitzstraße in Berlin-Wedding soll umbenannt werden.
Die Lüderitzstraße in Berlin-Wedding soll umbenannt werden. © imago stock&people
Von Manfred Götzke · 22.03.2018
Adolf Lüderitz oder Carl Peters waren für Gräueltaten in der deutschen Kolonialgeschichte verantwortlich. Die Straßen im "Afrikanischen Viertel" in Berlin-Wedding, die ihre Namen tragen, sollen nun umbenannt werden. Doch es regt sich Widerstand.
Mnyaka Sururu Mboro bestückt seine Umhängetasche mit Fotos, Zeichnungen und historischen Karten von Tansania und Namibia. Er tritt aus dem Büro seiner NGO Decolonize Berlin hinaus, auf die Kameruner Straße im Afrikanischen Viertel im Wedding. Bevor der Aktivist und Stadtführer seinen Rundgang durchs Viertel beginnt, stellt er noch kurz etwas klar.
"Wenn man sagt, Afrikanisches Viertel, klingt das so, als wenn hier viele Afrikaner wohnen, aber hier ist es total anders. Wenn man alle Namen checkt – alle diese Namen haben zu tun mit deutschem Kolonialismus in Afrika damals, ich bezeichne das Viertel deshalb als Kolonialviertel."

Mugunda statt Lüderitz

Die meisten Straßen in diesem größten Kolonialviertel Deutschlands sind nach afrikanischen Ländern, Flüssen und Gebirgen benannt. Drei ehren jedoch bis heute die Gründer der ehemaligen deutschen Kolonien. Männer, die mitunter für schlimmste Gräueltaten verantwortlich sind.
Wir biegen von der Kameruner Straße in die Lüderitzstraße ein, Mboro zeigt auf das Straßenschild.
"Das ist der Lüderitz, auch bekannt als Lügenfritz …"
Adolf Lüderitz war der Gründer der deutschen Kolonie Südwestafrika und ähnlich kreativ wie kriminell. Der Kaufmann hat Mithilfe des "Meilenschwindels" in den 1890er-Jahren Land im heutigen Namibia erworben.
Er ließ die dort lebenden Nama im Glauben, der Vertrag meine die englischen Meilenangaben. Tatsächlich hat er sich aber die Fläche der viermal so großen geografischen Meilen zu eigen gemacht.
"Die Straße Lüderitz wird umbenannt, und wir hätten gerne, dass diese Straße nach dieser Frau hier benannt wird, Anna Mugunda."
Die Straße soll - auch nach dem Willen der Berliner Lokalpolitiker - künftig eine namibische Anti-Apartheid-Aktivistin ehren, erzählt Mboro.
"Sie war eine Aktivistin ganz vorne dabei, sie wurde in der Zeit der Apartheid erschossen. Sie ist eine Hererofrau, die war ganz jung und 1959 wurde sie erschossen. In Namibia ist dieses Datum Staatsfeiertag – und auch Frauentag."

Die Nazis benannten die Straße nach Peters

Wir gehen ein paar hundert Meter die Lüderitzstraße entlang, passieren eine Kleingartenkolonie und biegen in die Petersallee ein.*
"So, wir stehen hier an der Petersallee – und gemeint ist der hier: Dr. Carl Peters."
Peters ist der Gründer der Kolonie "Deutsch-Ostafrika", er errichtete im Kilimandscharo-Gebiet im heutigen Tansania eine Terrorherrschaft. Die Nazis haben die Straße nach ihm benannt. 1939.
"Der war wirklich unmenschlich, rassistisch, ein Psychopath, in Tansania nennen wir ihn 'blutige Hand' – und in Deutschland ist er als 'Hängepeters' bekannt."
Peters hatte sich ein afrikanisches Mädchen als Geliebte gehalten. Als er entdeckte, dass sie ein Verhältnis mit seinem Diener hatte, ließ er beide öffentlich aufhängen und das Heimatdorf der Geliebten Niederbrennen.
"Ich kenne die Geschichte, seit ich vier Jahre alt bin …"
"Ich als Tansanier finde, so einen hier zu ehren, ist wie Salz in eine Wunde zu streuen."
Mboro ist 1978 als junger Student nach Westberlin gekommen, seit den 1980er-Jahren setzt er sich für die Umbenennung dieser Straße ein. Dass der Berliner Bezirk Mitte nun Vorschläge für die Neuen Namen vorgelegt hat, ist für ihn das vorläufige Ende eines langen Kampfes.

Viele Ältere lehnen die Umbenennung ab

"Wenn die Straße hier umbenannt ist, ist das nicht nur ein Symbol für Wiedergutmachung, sondern wir können dann auch die ganze Geschichte bekannt machen. Deswegen gehen wir auch in die Schulen und machen hier Rundgänge seit über zehn Jahren."
Zwar wurde die Straße 1986 auf Drängen der Anwohner umgewidmet. Sie bezieht sich seitdem auf den CDU-Politiker Hans Peters. Mboro hält das allerdings für einen billigen Trick, da diese Umwidmung im Kontext des Kolonialviertels schwer erkennbar ist. Tatsächlich weist nur eine kleine Plakette auf einem der Straßenschilder darauf hin. Mboro hat das immer für eine Mogelpackung gehalten."**
"Maji Maji Allee" soll die Straße künftig heißen und damit an den Maji Maji Krieg erinnern – den größten Befreiungskampf der deutschen Kolonialzeit. Während Mboro mir von der Maji-Bewegung erzählt, nähert sich eine Rentnerin, die ihren vollen Einkaufstrolley hinter sich herzieht. Und beginnt loszuschimpfen.
"Haben sie sich mal Gedanken gemacht, was das für uns alle kostet, wir haben so viele Ältere hier im Viertel, die müssen zu Behörden, müssen alles ändern, von Ausweis, Sozialamt, AOK …"
Nach ein paar Minuten zieht die Rentnerin weiter, Mboro zieht die Augenbrauen hoch, lächelt ironisch.
"Geht nicht nur ums Schild …"
"Danke Tschüss."
"Hören sie so etwas häufiger?"
"Ja die war noch harmlos. Die anderen schreien rum, sagen 'hau ab, geh zurück nach Afrika!'."

Nachträgliche Ergänzungen vom 26.03.2018:
* Wir haben die topografischen Angaben präzisiert.
** Wir haben diesen Absatz zur Präzisierung des Sachverhalts nachträglich eingefügt.
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