Neu im Kino: "Dunkirk"

Ein Mosaik aus purer Überlebensangst

Szene aus Christopher Nolans "Dunkirk"
Szene aus Christopher Nolans "Dunkirk" © Courtesy of Warner Bros. Pictures
Von Patrick Wellinski · 26.07.2017
1940 waren über 350.000 alliierte Soldaten in der französischen Stadt Dünkirchen eingekesselt. Sie wurden in einer halsbrecherischen Aktion evakuiert. Davon erzählt Christopher Nolan in "Dunkirk" - und das ganz ohne Helden, dafür mit kunstvoll verschachtelten Zeitebenen.

Worum geht es?

Die Schlacht von Dünkirchen gehört zu den kriegsprägenden Auseinandersetzungen des Zweiten Weltkrieges. 1940 wurden britische und französische Truppen von der Wehrmacht eingekesselt. Mehrere Hunderttausend wurden daraufhin in einer halsbrecherischen Operation evakuiert. Bis heute ist diese Evakuierung Teil der nationalen britischen Identität. Man spricht auch vom "Wunder von Dunkirk".
Interessanterweise hat sich das Kino bislang nur sehr zaghaft mit dieser Schlacht auseinandergesetzt. Christopher Nolan holt die Geschehnisse nun ins Blockbuster-Kino. Aufgefächert auf mehrere Protagonisten beobachtet er die Hilflosigkeit der zu evakuierenden Truppen am Strand, in der Luft und zu Wasser. Dabei wird der Schrecken und das Eingesperrtsein besonders drastisch und nachfühlbar inszeniert.
Eine Szene aus Christopher Nolans Film "Dunkirk"
Eine Szene aus Christopher Nolans Film "Dunkirk"© Melinda Sue Gordon / Warner Bros.

Was macht den Film besonders?

Christopher Nolan ist mit Abstand der talentierteste Handwerker des Kinos. Kaum ein Regisseur traut sich, auf der Skala des Mainstream-Kinos so komplex und herausfordernd zu erzählen. Deshalb ist "Dunkirk" auch kein historischer Kriegsfilm geworden.
Nolan hat einen Film über das Zeitempfinden einer Schlacht gedreht. Der Film verschachtelt dabei auf erstaunlich kunstvolle Weise drei unterschiedliche Zeitebenen. Wir sehen die eigentliche Evakuierung, die eine Woche dauert; bekommen eine Flucht gezeigt, die einen Tag lang begleitet wird, und schließlich wird auch eine Fliegerschlacht demonstriert, die eine Stunde über den Köpfen der Soldaten tobte.
Daraus webt "Dunkirk" ein sehr beklemmendes Mosaik aus falschen Hoffnungen und purer Überlebensangst. Aber eben ohne Helden. Kein Soldat bekommt ein emotionales Gewicht verpasst. Wir erfahren nichts über die Herkunft oder die Träume der einzelnen Kämpfer.
Und wenn am Ende auch noch Churchills berühmte "We shall fight on the beaches"-Rede ertönt, wird der Zynismus dieser Kriegsschlacht in erstaunlich klare Bilder gegossen.

Intensives und intelligentes Kinoerlebnis

Mit Dunkirk haben wir einen der prägendsten Blockbuster der letzten Zeit. Christopher Nolan entwickelt nicht nur das Genre des Kriegsfilms weiter, indem er das Zeitempfinden der Soldaten in den Mittelpunkt rückt, er mutet zudem mit einer hoch intelligenten Erzählstruktur dem durchschnittlichen Blockbuster-Publikum auch so einiges zu. Das Ergebnis ist ein erstaunlich intensives und intelligentes Kinoerlebnis, das zudem in der 70mm-Fassung auch noch ein fast ausgestorbenes Kinoformat ganz groß feiert.

Dunkirk
Großbritannien 2017
Regie: Christopher Nolan
mit Mark Rylance, Kenneth Branagh, Tom Hardy, Cillian Murphy, Fionn Whitehead, Barry Keoghan
Länge: 106 Min., FSK ab 12

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