Neonlichter in Hongkong

Vom Aussterben bedroht

Neonreklamen auf der Haiphong Road in Kowloon in Hongkong.
Neonreklamen auf der Haiphong Road in Kowloon in Hongkong. © imago stock&people
Von Moritz Gaudlitz · 25.04.2018
Sind sie Kunst oder dienen sie nur der Reklame? Ausgefallene Neonlichter prägten bis vor Kurzem das Stadtbild von Hongkong. Die Vorlagen wurden zum Teil von Kaligraphen entworfen. Nun machen ihnen LEDs Konkurrenz.
Jeden Abend gibt es in der chinesischen Metropole Hongkong ein Lichtspektakel. Auf der Halbinsel Kowloon leuchten die Hochhäuser für ein paar Minuten in verschiedenen Farben. Darunter auch Hongkongs höchstes Gebäude, das 484 Meter hohe International Commercial Center.
Seine gesamte Glasfassade ist mit tausenden LED-Modulen bestückt, sodass Werbung und abgefahrene Lichtanimationen darauf abgespielt werden können und sich das Hochhaus in eine gigantische Litfaßsäule verwandelt. Doch vor den LEDs prägten ausgefallene Neonlichter das Stadtbild Hongkongs. Davon gibt es aber immer weniger. Sie sind nicht mehr zeitgemäß, verbrauchen viel Strom und sind in ihrer Herstellung aufwendig.

"Keine Bestimmungen"

Neonreklame ist ein richtiges Handwerk, das nicht mehr viele beherrschen. Gerade mal eine Handvoll der sogenannten "Neon-Master" gibt es in der chinesischen Sonderverwaltungszone noch. Wu Chi-Kai ist einer von ihnen:
"Das Besondere an den Neonschildern in Hongkong ist und war, dass es keine Regulierungen oder Bestimmungen gab, was die Größe und die Art und Weise der Installation betrifft. Wenn unsere Kunden eine Neonreklame wollten, um die Passanten und ihre potentiellen Kunden zu locken, hat man die Schilder einfach größer gemacht. Gerade auf der Nathan Road wurden die Schilder immer größer und auffälliger. Jeder, der hier spazieren ging, konnte dort Neonschilder - vertikal und horizontal an den Gebäuden angebracht - bewundern. Das war damals die goldene Zeit der Neonschilder, eben weil es auch die Zeit von Hongkongs Wirtschaftsboom war."
Die Kunden von Wu Chi-Kai schicken ihm zuerst eine Zeichnung, meist von Kaligraphen oder Grafikern entworfen. Danach wird festgelegt, wie groß die Beleuchtung werden soll. Erst dann beginnt Wu Chi-Kai in seiner Lagerhalle im Nordwesten der Stadt mit dem Brennen der Neonröhren.

Wie die Neonfarben entstehen

Das Glas wird bis zu 1000 Grad gebrannt, um es zu biegen, zu drehen und immer wieder hineinzublasen, damit die Hitze auch in die Röhren läuft. Wu Chi-Kai legt die einzelnen Gläserteile auf einen Tisch und gleicht sie mit den Zeichnungen ab. Jetzt fehlen nur noch die speziellen Gase, um die Kunstwerke auch leuchten zu lassen. Denn die Neonfarben entstehen erst durch das Hinzufügen von unterschiedlichen Gasen. Damit es Rot leuchtet, muss Neon hinzugefügt werden, für blaues Licht muss Argon in die Röhren geblasen werden.
Die Nachfrage nach Neonreklame ist seit Anfang der 2000er Jahre stark gesunken. Der 51-jährige Wu Chi-Kai verdient nur noch ein Drittel dessen, was er noch vor 20 Jahren mit seiner Kunst verdient hat. Denn Neonlichter müssen den immer strengeren Gesetzen fürs Bauen und Anbringen von Beleuchtungen in der Stadt und den günstigeren und helleren LEDs weichen.
Wu Chi-Kai: "Etwa gegen 1997 kamen die LEDs auf den Markt. Ich dachte mir sofort, dass die ein starker Konkurrent zu den Neonlichtern sein werden. Neonlichter wurden jahrzehntelang gemacht und benutzt und heute sind sie eben altmodisch. Die Menschen wollen halt lieber neue Technologien und Dinge für ihre Werbetafeln benutzen."

Liebhaber haben Initiative gegründet

Vor ein paar Jahren haben Neonliebhaber aus Hongkong die Initiative "Neonsigns" gegründet. Auf der Website neonsigns.hk kann man die letzten Neonreklamen in der Stadt auf interaktiven Landkarten erkunden. Fotografiert und dokumentiert von der Internetcommunity. Auf der längsten Einkaufsstraße in Kowloon, der Nathan Road, findet man noch einige alte Leuchtreklamen. Hier flimmern farbige Neonschilder von Restaurants, Mode- und Schmuckläden.
Flimmernde Schriftzeichen von "Mak's Noodle", einem der ältesten Suppenrestaurants im Osten von Hongkong.
Flimmernde Schriftzeichen von "Mak's Noodle", einem der ältesten Suppenrestaurants im Osten von Hongkong.© Moritz Gaudlitz
Aber auch auf der gegenüberliegenden Hong Kong Island gibt es vereinzelt noch Neonschilder. Ich habe bei meiner Tour durch Hongkong eines gefunden, das auf der Website von neonsigns noch nicht dokumentiert wurde.
Die verschiedenfarbigen flimmernden Schriftzeichen von Mak's Noodle, einem der ältesten Suppenrestaurants im Osten der Stadt. Hongkongs Neonlichter sind aber nicht nur Dekoration, sie haben vor allem das Bild der Stadt und der Architektur verändert, sagt Brian Kwok, Design Professor an der polytechnischen Universität.

"Jeder Bezirk trägt verschiedene Kleider"

Brian Kwok: "Man sieht hier eine Menge Gebäude, die keine speziellen architektonischen Merkmale oder Besonderheiten haben. Aber sobald Werbung oder Neonschilder an den Gebäuden hängen, ist in etwa so, wie wenn Menschen verschiedene Kleidungen tragen. Jeder Bezirk hier trägt verschiedene Kleider und steht für unterschiedliche Charakteristika."
Die knisternden Neonlichter haben Hongkong mit den engen Straßen und lebhaften Boulevards zu dem gemacht, was es heute ist. Eine farbenträchtige Metropole, die niemals schläft. Die Neonreklamen sind aber noch viel mehr als nur warme Beleuchtung. Sie sind Kunstwerke, die für die Zukunft bewahrt werden sollten.
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