Navid Kermani kritisiert Schriftsteller

Anstand statt Cancel Culture

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Außenansicht des "Nochtspeicher", aufgenommen am Sonntag, 09. August 2020, in Hamburg.
Im "Nochtspeicher" in Hamburg war ursprünglich das Literaturfestival mit der Kabarettistin Lisa Eckhart geplant. © picture alliance/dpa/APA/picturedesk/Martin Fichter-Wöss
Jan Freyn im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 11.09.2020
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Der Schriftsteller Navid Kermani hat zwei anonym gebliebene Autoren kritisiert. Diese sollen die Ausladung der Kollegin Lisa Eckhart vom Hamburger Literaturfestival provoziert haben. Der Literaturwissenschaftler Jan Freyn stimmt ihm zu.
Die Debatte um Cancel Culture in Deutschland geht weiter. Anlass ist weiterhin der Vorfall rund um das Hamburger Harbour Front Literaturfestival: Die Autorin und Kabarettistin Lisa Eckhart war zu dieser Veranstaltung eingeladen, dann aber wieder ausgeladen worden. Zwei Schriftsteller hätten mit ihrer Absage gedroht, wenn die umstrittene Kabarettistin auch käme.


In der neuen Ausgabe der Wochenzeitung "Die Zeit" kritisiert nun der Schriftsteller Navid Kermani diese beiden namentlich bisher nicht öffentlich in Erscheinung getretenen Kollegen. Es handelt sich um den Abdruck von Kermanis Eröffnungsrede eben jenes Literaturfestivals am 9. September 2020.

Meinungsfreiheit muss gelebt werden

Über diesen aktuellen Text haben wir mit dem Literaturwissenschaftler Jan Freyn gesprochen. Er hatte die Debatte um den Begriff Cancel Culture mit einem ebenfalls in der "Zeit" publizierten Gastbeitrag ins Rollen gebracht.
"Ich finde prinzipiell: Wer sich weigert, mir Eckhart auf einer Bühne zu stehen, der behandelt sie eigentlich nicht mehr als einen Menschen, der kritisiert werden darf und soll, sondern als Unberührbare", sagt Freyn.
Das finde er bedenklich. Er hätte es besser gefunden, wenn sich die Autoren öffentlich erklärt hätten und dann auch konsequent nicht gekommen wären. "Anonym ihre Ausladung zu provozieren, kann man ja eigentlich nicht anders nennen als feige."

Kultur und Anstand

Es sei grundsätzlich so, dass Meinungs- und Kunstfreiheit sich nicht in ihrer "formellen Garantie" erschöpfen, betont Freyn. Um Meinungsfreiheit zu garantieren, brauche es eine bestimmte Kultur und "Anstand" – ein Begriff, den auch Kermani benutze.
(huc)
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