Nackt gegen den Sextourismus bei der EM

Von Stephan Laack · 05.06.2012
Entblößung als Zeichen des Protests: Mittlerweile sind es über 300 Frauen in der Ukraine, die sich öffentlich ausziehen. Dabei geht es um Wirtschaft um Korruption genauso wie um den Kampf gegen Zuhälter, Menschenhändler, gegen die Fußball-EM und um die Freiheit von Julia Timoschenko.
Immer wenn die ukrainische Agitprop-Gruppe Femen auftaucht, ist ihr große Aufmerksamkeit gewiss. Doch in der Regel bleibt den Feministinnen nur wenig Zeit. Meistens schreiten schon nach wenigen Sekunden Sicherheitsbeamte ein, um ihren Protest - etwa gegen Sextourismus in der Ukraine oder Chauvi-Gehabe in der Politik - zu unterbinden.

Wie etwa in den vergangenen Tagen, als sie den Fußball-EM-Pokal – der vor der EURO in verschiedenen ukrainischen Städten präsentiert wurde – für ihre überfallartigen Aktionen nutzen wollten. Zunächst war es einem Femen-Mitglied in Kiew auf dem zentralen Platz Maidan gelungen, neben dem Pokal zu posieren.

Doch während sich der normale Fußball-Fan für gewöhnlich nur mit dem Objekt der Begierde fotografieren lassen will, zog Femen-Frau Julia blitzschnell ihr rotes Oberteil herunter. Auf ihrem nackten Oberkörper stand die Parole "Fuck Euro 2012" geschrieben. Die 23-Jährige wurde festgenommen und musste nach 4 Stunden auf der Wache umgerechnet 12 Euro Bußgeld bezahlen.

Nur wenige Tage später versuchten zwei weitere Aktivistinnen eine ähnliche Aktion in Dnjepropetrowsk durchzuführen - ihnen soll es sogar gelungen sein, den Pokal vom Sockel zu stoßen. In der Folge wurden insgesamt vier Frauen kurzzeitig festgenommen. Chefin der Femen-Gruppe ist Anna Guzol. Sie erklärt Sinn und Zweck dieser Protestform:

"Wir machen schon seit zwei Jahren darauf aufmerksam, dass die Europameisterschaft die Entwicklung von Sextourismus und Prostitution in der Ukraine fördern wird. Indem wir den EM-Pokal angreifen, wollen wir die Weltöffentlichkeit dazu aufrufen, die Euro 2012 zu boykottieren. Denn weder Michel Platini oder die ukrainischen Machthaber sind auf unsere Forderungen eingegangen, Sex-Tourismus während der EURO zu verhindern."

Zwar ist Prostitution in der Ukraine verboten, doch das horizontale Gewerbe floriert. So wird Sex gegen Bezahlung etwa häufig auf Internetseiten angeboten, die mit einem Escort-Service werben oder in Nachtclubs und Massagesalons. Hohe Arbeitslosigkeit, niedrige Einkommen und teure Lebenshaltungskosten sind Gründe dafür, dass junge ukrainische Frauen der Prostitution nachgehen.

Femen weist zudem darauf hin, dass kriminelle Banden junge Mädchen zur Prostitution zwingen würden. Viele der Kunden kommen aus West-Europa. Die Aktivistinnen halten mit Slogans wie "Die Ukraine ist kein Bordell" dagegen. Gezielte Aufklärung und provokante Aktionen sollen dabei helfen, Sex Tourismus in der Ukraine an den Pranger zu stellen. Femen Chefin Guzol beklagte schon vor einem Jahr, dass ihr Protest unter dem derzeitigen Präsidenten Janukowitsch längst nicht mehr so geduldet wird, wie das noch zuvor der Fall gewesen sei.

Guzol: "Ich habe die Veränderungen am eigenen Leib gespürt. Der Ukrainische Geheimdienst hat uns unter Druck gesetzt. Sie haben nicht nur unsere Aktivistinnen an den Unis aufgesucht und sie bedroht - sie sind zum Beispiel auch nachts zu mir nach Hause gekommen. ich musste dann zu einem Verhör in ihren Dienstwagen. Mittlerweile wird jede unserer Aktionen von der Miliz begleitet."

Doch einschüchtern lassen wollen sie sich nicht. Mittlerweile hätten sie auch Unterstützung von Frauen aus anderen Ländern – etwa aus Brasilien, Frankreich oder der Schweiz. Während der EURO müsse man immer mit der Femen-Gruppe rechnen, kündigt Guzol an.

Dort wollen sie auch weiterhin mit nacktem Oberkörper, im BH oder mit überklebten Brustwarzen demonstrieren. Längst sei diese Protestform zu ihrem Markenzeichen geworden.