Nach der NRW-Wahl

"Martin Schulz hat Steherqualität"

Vor der Wahlniederlage: Der Parteivorsitzende Martin Schulz umarmt am im April 2017 NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.
Vor der Wahlniederlage: Der Parteivorsitzende Martin Schulz umarmt am im April 2017 NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. © dpa / picture alliance
Klaus Staeck im Gespräch mit Britta Bürger · 14.05.2017
NRW verloren, alles verloren? Der Grafikdesigner Klaus Staeck sieht in der Wahlniederlage der SPD keine Vorentscheidung für den Bund. Auch Kanzlerkandidat Schulz werde sich durch das Wahlergebnis nicht beirren lassen, so der Ehrenpräsident der Akademie der Künste.
Alles richtig gemacht und dennoch verloren? Der Grafikdesigner und Ehrenpräsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, sieht die Gründe für die Wahlschlappe der SPD bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen vor allem in den Ängsten vieler Bürger vor Veränderung.
"Wir haben es schwer, weil wir immer etwas verändern wollen", sagte Staeck im Deutschlandfunk Kultur. Allerdings gebe es derzeit in großer Zahl "verschreckte Bürger", die sehr auf Sicherheit bedacht seien. "Da ist das Angebot, dass sich nichts ändert, allemal verführerischer."

"Lichtgestalten" sind nicht gut für die Demokratie

Eine Vorentscheidung für die Bundestagswahl will das langjährige SPD-Mitglied Staeck in der NRW-Wahl keinesfalls sehen. Auch sei Martin Schulz "natürlich" das richtige Zugpferd, betonte der Ehrenpräsident der Akademie der Künste. "Der hat auch eine Steherqualität. Der wird sich nicht beirren lassen jetzt durch dieses Landtagswahlergebnis."
Klaus Staeck steht vor Werken aus seiner Sammlung
Der Ehrenpräsident der Akademie der Künste in Berlin, Klaus Staeck, in der Ausstellung "Kunst für Alle".© picture alliance / dpa/ Britta Pedersen
Staeck warnte gleichzeitig vor einer zu starken Fixierung auf Personen in der Politik: "Also, zur Entscheidung stehen dann doch noch immer Parteien. Und die Lichtgestalten, die wir dann auch immer in solchen Gesprächen uns wünschen, die gibt es nicht. Die sind auch, glaube ich, für die Demokratie nicht gut."
(uko)

Das Interview im Wortlaut:
Britta Bürger: Mit seinen politischen Plakaten mischt sich der Grafikdesigner und Karikaturist Klaus Staeck seit Jahrzehnten in die politischen Debatten ein. Auch als Präsident der Akademie der Künste hat er dies getan. Inzwischen ist er Ehrenpräsident.
Dass ihm dabei die politischen Inhalte der CDU und weiter rechts liegender Parteien am meisten zum Widerspruch aufrufen, ist offensichtlich. Wie es dem jahrelangen SPD-Mitglied am heutigen Wahlabend geht, das fragen wir ihn selbst. Guten Abend, Herr Staeck!
Klaus Staeck: Guten Abend, Frau Bürger!
Bürger: Sie mischen sich seit Jahrzehnten in politische und gesellschaftliche Debatten ein. Gibt es in Ihrem Postkarten- und Plakatearchiv eine Arbeit, die zur heutigen Lage passt?
Staeck: Nein, ich bin keiner, der für die Tagespolitik arbeitet. Also das ist manchmal auch das Dilemma, dass meine Plakate, die teilweise 30, 40 Jahre alt sind, leider ihre Gültigkeit behalten. Das stimmt mich manchmal nicht froh für die Politik, die wir alle miteinander machen.

"Es wird sich nichts ändern" - ein verführerisches Angebot

Bürger: Das Ergebnis ist für SPD und Grüne deutlich schlimmer als erwartet. Die SPD hat ihr historisch schlechtestes Ergebnis in Nordrhein-Westfalen. Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat umgehend alle politischen Ämter niedergelegt. Warum hat es die SPD derzeit so schwer?
Staeck: Tja, wenn ich diese Frage beantworten könnte, dann wäre ich vielleicht ein Anwärter auf ein höheres Parteiamt, was ich nicht habe. Wir haben es schwer, weil wir immer etwas verändern wollen, und der verschreckte Bürger, den es in großer Zahl gibt, verschreckte Bürgerinnen, die doch sehr auf Sicherheit bedacht sind, und da ist das Angebot, dass sich nichts ändert, allemal ein verführerischer, und wenn dann noch alle Angst haben um die innere Sicherheit, dass möglichst nicht eingebrochen wird, dass alles wunderbar läuft, dann sind wir doch eine Partei, die den Leuten sagt, Leute, wenn alles so bleibt, wie es ist, dann wird es ein böses Ende nehmen, und das ist nicht unbedingt ein attraktives Angebot.
Bürger: Die Linke fliegt wohl raus, die AfD kommt aus dem Stand auf sieben Prozent. Es könnte zu einer schwarz-gelben Koalition kommen. Was bereitet Ihnen mit Blick jetzt auf dieses Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen am meisten Sorgen?
Staeck: Na ja, dass bestimmte Dinge, vor allen Dingen durch die FDP, die soziale Sicherheit, die ja auch die Leute sehr, sehr ernst nehmen, zu Recht, dass die ein bisschen unter die Räder kommt. FDP steht nicht unbedingt für soziale Themen, schon mal gar nicht auch das Thema Bildung, was ja eine große Rolle spielt. Die wird große Mühe haben, die CDU mit der FDP.

"Keine Vorentscheidung für den Bund"

Nicht dass ich ihr das gönne, aber natürlich habe ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht, aber ich glaube, der Hauptkampf im Augenblick – ich sage mal bewusst –, der Kampf wird darum gehen, diese Niederlage, die wir nun mal eingefahren haben, vor allen Dingen Martin Schulz anzuhängen, obwohl gerade Frau Kraft darum gebeten hatte, dass sich die Bundespolitik, die Bundes-SPD, nicht in den Landtagswahlkampf einmischt, denn es bleibt dabei: es war eine Landtagswahl.
Bürger: Okay, das wird nun trotzdem als Tiefschlag für Martin Schulz gewertet. Halten Sie ihn denn tatsächlich für das richtige Zugpferd?
Staeck: Ja, natürlich. Ich kenne ihn erst mal sehr lange, und Sie wissen ja, Sozialdemokraten gehen mit den eigenen Leuten nicht immer sehr pfleglich um – das ist eine besondere Art im Umgang miteinander – aber er hat auch eine Steherqualität. Also der wird sich nicht beirren lassen jetzt durch dieses Landtagswahlergebnis, und es ist auch keine Vorentscheidung für den Bund.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal mit Herrn Seehofer so übereinstimme. Sie kennen doch den Sender "Phoenix": Da gibt es immer so eine Laufschrift unten. Da wurde eingeblendet: Seehofer, der NRW-Sieg der CDU, CDU ist noch keine Vorentscheidung für den Bund. Da bin ich voll mit ihm einverstanden.

Warnung vor zu großer Personenfixierung

Bürger: Nun gibt es aber auch Leute, die sagen, die SPD bräuchte vielleicht mal so einen klugen, jungen Politikertypus wie Emmanuel Macron, der erst mal parteilos war.
Staeck: Na ja, aber der hat keine Partei. Also wir jubeln nur wieder den hoch, Heilsbringer wird da auch schon wieder genannt wie seinerzeit Martin Schulz, aber wie wollen Sie denn das machen, ohne eine Basis letztlich. Da dienen sich jetzt alle möglichen Leute in Frankreich an, um mit ihm sowas wie eine Partei zu gründen und die man nun mal braucht für das Parlament. Nein, ich bin mit dem Martin Schulz zufrieden. Immer muss es mehr sein. Alle sagen ja, wo bleibt er, er muss mehr liefern. Gut, das müssen wir alle miteinander tun.
Ich bin überhaupt nicht jemand, der so auf Personen fixiert ist. Also zu Entscheidung stehen dann doch noch immer Parteien, und die Lichtgestalten, die wir dann immer gerne in solchen Gespräche auch wünschen, die gibt es nicht, und die sind auch, glaube ich, für die Demokratie nicht gut.
Bürger: Sie haben ja nie direkt im Auftrag der SPD gearbeitet, also keine Kampagnen oder ähnliches gestaltet, aber Sie nehmen wahrscheinlich die Slogans und Plakate doch besonders intensiv wahr. Hatte die CDU mit dem Slogan "Uns reicht’s" vielleicht einfach auch die bessere Kampagne im Vergleich zur SPD mit diesem Slogan "NRWir", der jetzt auch sehr stark als Wohlfühlwahlkampf kritisiert wird?

"Ansporn, noch eine Schippe draufzulegen"

Staeck: Ich habe eine ganz andere Form, mich einzumischen – das haben Sie ja schon angedeutet –, aber ich habe auch wieder mit Freunden eine Wählerinitiative für den Bund gegründet, und die läuft gar nicht schlecht. Also ich gehöre nicht zu den Leuten, die jetzt irgendeinem Ergebnis hinterherjammern. Es wäre schöner gewesen, wenn es nun anders ausgegangen wäre. Nein, für mich ist das ein Ansporn, noch eine Schippe draufzulegen, um das salopp auszudrücken. Nein, ich überlege schon, wie kann man Martin Schulz, meiner Partei, auch außerhalb dieses reinen Parteienspektrums, ich sage mal ganz bewusst altmodisch: dienlich sein, und vertrauen Sie mal auf die alten Kämpfer. Ich kenne einige, die da noch mitziehen, und das wird ein spannender Wahlkampf. Noch mal mit Herrn Seehofer: entschieden ist gar nichts.
Bürger: Der Plakatkünstler Klaus Staeck, Ehrenpräsident der Akademie der Künste und Mitglied der SPD zur Abwahl der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen. Herr Staeck, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Staeck: Herr Bürger … Frau … Jetzt sage ich schon Herr! Frau Bürger, ich danke Ihnen!
Bürger: Solange Sie nicht Frau Seehofer sagen, ist alles okay! Schönen Abend!
Staeck: Tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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