Mythos und Legende

Die Indianerin Pocahontas

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Aus der Disney-Verfilmung: Pocahontas mit ihrem Freund John Smith © dpa / picture-alliance / Disney
Von Ulrike Rückert · 21.03.2017
Pocahontas ist seit dem gleichnamigen Disney-Film in der ganzen Welt bekannt. Über Jahrhunderte schufen Dichter und Romanciers, Maler und Filmemacher eine Legende. Dabei galt sie in den USA einst als Idealbild eines angepassten Ureinwohners. Vor 400 Jahren wurde sie begraben.
"Captain Smith and Pocahontas
Had a very mad affair
When her Daddy tried to kill him
She said "Daddy - O don't you dare"
He give me fever …"
Pocahontas ist wohl die berühmteste Indianerin der Geschichte und spätestens seit dem gleichnamigen Disney-Film in der ganzen Welt bekannt. In vier Jahrhunderten haben Bühnendichter und Romanciers, Maler und Filmemacher eine Legende gewoben.
"Und es sagen ja heutzutage noch sehr viele Amerikaner stolz: Ich bin Abkömmling von Prinzessin Pocahontas."
Sie war eine Tochter des Powhatan, des Oberhäuptlings über etwa dreißig kleine Stämme an der Chesapeake Bay, an der Ostküste Nordamerikas. Dort errichteten englische Abenteurer 1607 ein Fort: Jamestown, die erste dauerhafte englische Siedlung in der Neuen Welt. Die Briten suchten Gold, stattdessen fanden sie nur Hunger, Krankheit und feindselige Indianer. John Smith, einer ihrer Anführer, fiel Powhatan in die Hände und sah, so berichtet er, einem grausamen Tod ins Auge, als er seinem Schutzengel begegnete:

"Durch ihr mitleidiges Herz"

"Pocahontas, des Königs meistgeliebte Tochter, flößte mir durch ihr mitleidiges Herz großen Respekt ein. In der Minute meiner Hinrichtung riskierte sie, dass ihr das Hirn herausgeschlagen wurde, um mein Leben zu retten."
Und dies ist die Disney-Version:
"Wenn du ihn tötest, dann musst du mich auch töten!"
"Tochter, tritt zur Seite!"
"Niemals! Ich liebe ihn, Vater. Sieh dich doch um! Dann erkennst du, wohin uns der Weg des Hasses geführt hat!"
"Das, vermutet man inzwischen längst, war ein vorher bestimmtes Adoptionsritual, wo klar war, der Engländer John Smith sollte nie getötet werden und Pocahontas musste ihn nicht retten, sondern das war ein Ritual, um zu zeigen, er ist jetzt Teil der Powhatans. Von Seiten von dem Anführer der Powhatans ganz klar so gedacht, dass die Engländer den Powhatans helfen sollten, als Verbündete."
… sagt Heike Bungert, Professorin für Nordamerikanische Geschichte. Nach Smith ist Pocahontas auch das Überleben der ganzen Kolonie im harten Winter zu verdanken:
"So groß war das Elend, dass wir verhungert wären, hätten uns die Wilden nicht genährt. Und diese Hilfe brachte uns diese Dame Pocahontas. Sie, nach Gott, war das Instrument zur Bewahrung dieser Kolonie."

Später wurde auch Pocahontas ein Opfer des Krieges

"Das ist ein Mythos. Powhatan hatte zum einen sehr viele Töchter, weil er eben auch mehrere Frauen hatte. Pocahontas war im Gegensatz zu zum Beispiel dem Disney-Film sehr viel jünger, die war um die Zeit – vermutet man – zwölf oder dreizehn, also wirklich noch ein Teenager. Aber es ist möglich, dass sie in das Dorf der Engländer geschickt wurde, um auch so’n bisschen zu spionieren, weil sie als Kind nicht so auffiel. Aber dass sie DIE Vermittlerrolle gespielt hat, wird sicherlich nicht stimmen."
Das Mitleid der Indianer schlug bald wieder in Feindschaft um. Später wurde auch Pocahontas ein Opfer des Krieges, als die Siedler sie entführten.
"Und ihr Vater hatte so wenig Interesse an ihr, dass er sie ja nicht ausgelöst hat gegen Lösegeld."
Nach einem Jahr konnte Gouverneur Smith berichten:
"Die Tochter des Powhatan ließ ich sorgsam in christlicher Religion unterrichten; nachdem sie darin gute Fortschritte gemacht hatte, entsagte sie öffentlich den Göttern ihres Landes und bekannte ihren christlichen Glauben. Sie wurde getauft und ist seither mit einem englischen Gentleman verheiratet."

Gründungsmythos der Vereinigten Staaten

Ihr Gatte war der Tabakpflanzer John Rolfe. 1616 segelte er mit Pocahontas nach England. Als klar war, dass es in Virginia keine Goldschätze gab, brauchten die Finanziers der Kolonie einen neuen Anreiz für Siedler und Investoren. Nun priesen sie Jamestown als Zivilisationsprojekt an, mit dem aus wilden Heiden gute Christen gemacht würden, und malten eine Vision friedlichen Zusammenlebens in einem fruchtbaren Land. Pocahontas war das perfekte Aushängeschild. Sie war die Attraktion auf Bällen und Banketten und bei Hofe. Ihre Heimat sah sie nie wieder. Sie starb in England und wurde dort am 21. März 1617 bestattet. Die Geschichte von der Indianerin, die selbstlos und gütig die weißen Eindringlinge rettet und eine der Ihren wird, schuf einen Gründungsmythos der Vereinigten Staaten.
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