Musikforum Ruhr

Ein Konzerthaus für die BoSys – und für alle

Der große Konzertsaal des neuen Musikforums in Bochum (Nordrhein-Westfalen) im Hauptgebäude des neuen Musikforums.
Der große Konzertsaal des neuen Musikforums in Bochum © picture alliance / dpa / Marcel Kusch
Von Stefan Keim · 27.10.2016
Das neue Bochumer Musikforum Ruhr ist eine Besonderheit: Anders als etwa die Hamburger Elbphilharmonie hat der Bau nur so viel gekostet wie geplant. Und es sieht so aus, als könnte der Neubau ein Ort für echte musikalische Begegnungen werden.
Die Pausenglocke des Musikforums Ruhr wurde in Bochum gegossen und hing viele Jahrzehnte in der St. Marien-Kirche. Doch die Kirche ist Geschichte. Lange schon war sie profanisiert. Nun ist um sie herum das neue Musikforum entstanden. Mit ihren hellen, strahlenden Wänden ist die Kirche ein perfekter Ort für die Ankunft des Publikums, die Pausen und die Gespräche danach. Die Glocke ruft nicht mehr zum Gottesdienst, sondern in den Konzertsaal nebenan.

Neubau war 17 Jahre lang umstritten

Höhe und Breite des ehemaligen Gotteshauses gaben die Maße vor für den Neubau. Die Backsteinmauern blieben an vielen Stellen erhalten. Die Architektur erzählt am diesen Stellen von der Entwicklung des Ruhrgebietes, dem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Kulturregion. Der Konzertsaal vermittelt mit hellen Farben einen freundlichen Eindruck. Wenn man von der Bühne ins Parkett schaut, kommt einem der Raum intim vor, als säßen die Zuhörer direkt neben den Musikern. 960 Menschen passen hinein. Zur Eröffnung dirigiert der Hausherr und Generalmusikdirektor Steven Sloane die erste Sinfonie Gustav Mahlers, ein Stück mit großer Besetzung und dynamischen Extremen. Das bringt die Akustik des neuen Saales zur Geltung. Steven Sloane:
"Wir leben in einer künstlerischen Welt als Musiker, ich nenne das Kunst des Augenblicks. Wir geben ein Konzert, und es ist vorbei, es kommt nie wieder. Auch ein großartiges Konzert ist ein Erlebnis, und dann ist es weg. Es bleibt eine Erinnerung, irgendwie. Jetzt haben wir einen Eindruck, das wird für tausende Leute, für Generationen wirken. Und da bin ich sehr stolz drauf, dass ich dabei bin bei diesem Prozess."
Der Innenraum der Marienkirche in Bochum (Nordrhein-Westfalen). Die sanierte Marienkirche gehört zum neuen Musikforum Ruhr.
Die sanierte Marienkirche in Bochum ist Teil des neuen Musikforums Ruhr.© picture alliance / dpa / Marcel Kusch
Das Musikforum hat eine 17 Jahre lange Vorgeschichte. Es war umstritten. Noch ein Konzerthaus zwischen den großen Philharmonien von Dortmund und Essen fanden viele unnötig. Der Bund der Steuerzahler setzte es sogar auf seine schwarze Liste. Steven Sloane hörte nicht auf, für ein eigenes Haus zu kämpfen. Bisher spielten die Bochumer Symphoniker im Schauspielhaus und im Audimax der Universität. Die Räume sind nicht nur akustisch unzulänglich für klassische Konzerte, sie standen zudem oft nur für die Generalprobe zur Verfügung. Wenn überhaupt. Das Musikforum bedeutet für Steven Sloane eine völlig veränderte künstlerische Perspektive.
"Unser Orchester muss jetzt neu lernen zu spielen, also anders spielen als vorher. Weil vor allem im Audimax im Schauspielhaus wir den Klang ziemlich forcieren müssen, dass es überhaupt rüber kommt. Und jetzt der Klang entfaltet sich von allein."

Potenzial, Spitzenorchester zu werden

Die Bochumer Symphoniker haben sich trotz der schweren Bedingungen einen ausgezeichneten Ruf erarbeitet. Sie sind ein reines Konzertorchester, aber wenn sie Opern begleiteten – wie Bernd Alois Zimmermanns "Soldaten" bei der Ruhrtriennale – zeigten sie außergewöhnliche Leistungen. Nun könnten sie ein echtes Spitzenorchester werden. Doch nicht nur darum geht es im neuen Haus. Eine Besonderheit ist die Verbindung mit der Musikschule, die mit den Symphonikern das Musikforum bespielen wird.
"Die Verbindung von unserem Orchester mit der Musikschule ist eine Win-Win-Situation, für alle Seiten. Wir wissen alle, die jungen Leute sind unsere Zukunft, überhaupt in unserer Gesellschaft. Und was die klassische Musik angeht: Wenn wir nicht mit jungen Leuten anfangen, dann wird auch diese wunderbare Kunstform irgendwann aussterben. Das Konzept, dass wir zusammen dieses neue Musikforum erfüllen können mit Musik, ist einfach richtig von allen Seiten."
Steven Sloane im Hauptsaal des neuen Musikforums.
Der Hausherr und Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, Steven Sloane.© picture alliance / dpa / Marcel Kusch
Musikschüler und Orchestermusiker werden manchmal zusammen auftreten. Das geschieht schon im Eröffnungskonzert, bei der Uraufführung des hebräischen Segenswunsches "Baruch ata Adonaj" des Bochumer Komponisten Stefan Heucke. Ein zweiter, kleinerer Saal, steht für kleinere Konzertformate zur Verfügung. Trotz aller Vernetzungen wäre das Musikforum vor einigen Jahren fast doch noch gescheitert. Denn die überschuldete Stadt Bochum rutschte in einen Nothaushalt. Frank Allmeroth, Leiter der Zentralen Dienste der Stadt:
"Wir haben von vorn herein eine ganz harte Budgetvorgabe von unserem Auftraggeber, dem Rat der Stadt Bochum, bekommen. Wir haben es von vorn herein geschafft, andere Finanzierer für dieses Projekt zu finden. Wir kriegen ungefähr 14 Millionen Euro Zuschüsse von der Europäischen Union, vom Land und vom Bund. Und wir kriegen 14,5 Millionen Euro Spenden, die die Bochumer Bürger aufgebracht haben, von ungefähr 20 000 Spendern, so dass der Anteil der Stadt Bochum natürlich nicht so groß ist."

Das Erfolgsrezet: Klare Absprachen, Ehrlichkeit und Kompromisse

Und wie hat es geklappt, dass die Planungen auch Realität wurden? Und die Baustelle nicht wie an anderen Orten im Chaos versank? Andreas Grosse-Holz, Leiter des Gebäudemanagements, verrät das Geheimnis: Klare Absprachen, Ehrlichkeit und Kompromissbereitschaft.
"Wir haben das Gebäude kleiner gemacht, wir haben es schmaler gemacht, wir haben es kürzer gemacht. Wir haben es auch niedriger gemacht. Wir haben bei den Materialien auch immer wieder Einschnitte gemacht, wir haben in allen Bereichen immer nach Kompromissen gesucht, die aber die Nutzung des Gebäudes nicht einschränken."

Symphoniker als Teil des Stadtlebens

An allem wurde gespart, nur nicht an der Akustik. Dennoch sieht das Musikforum schick aus. Als kurz vor Schluss ein Drei-Millionen-Loch drohte, sprang die Anneliese-Brost-Stiftung ein, weshalb das Haus auch den Namen der 1920 in Bochum geborenen Verlegerin und Milliardärin trägt. Britta Freis, die Geschäftsführerin der Stiftung Bochumer Symphonie, hat unermüdlich Geld eingeworben für die BoSys, wie das Orchester liebevoll genannt wird. Und will damit nicht aufhören.
"Wir werden natürlich auch in Zukunft weiter Spenden sammeln für dieses Haus. Es gibt viele schöne Sachen, die man gerne noch nachbauen möchte, noch einbauen möchte, oder Programm, das wir gerne mitfinanzieren wollen. Wir werden weiter gemeinsam mit dem Freundeskreis an der Seite der BoSys stehen."
Der Name Musikforum ist Konzept. Es soll wirklich ein offenes Haus sein, in dem auch Theatergruppen und andere Musiker auftreten können. Aber in dem keine kommerziellen Gastspiele stattfinden. Das ist ein grundlegend anderes Denken als in den meisten Philharmonien herrscht. Die Bochumer Symphoniker verstehen sich als Teil des Lebens in der Stadt. Sie haben immer schon auch auf Spielplätzen und in der Fußgängerzone gespielt, Künstler zum Anfassen. Das wird auch so bleiben im neuen Musikforum.
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