Musiker-Austausch zwischen Deutschland und Indien

Völkerverständigung am DJ-Pult

Der Schallplattenspieler eines Diskjockeys.
In Indien ist DJ'ing eine Männerdomäne - in die aber zunehmend auch Frauen vorstoßen © picture-alliance/dpa- ZB / Andreas Lander
Von Gerd Brendel · 27.07.2017
Elektronische Musik wird in Indien immer beliebter - und auch Frauen erobern die Szene zunehmend. Eine der bekanntesten Musikerinnen, Sanaya Ardeshir aus Bombay, ist gerade in Berlin zu Gast, als Stipendiatin der Initiative "Border Movement". Und sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Berlin-Sound mit nach Hause zu nehmen.
"Ich bin in Berlin-Kreuzberg, am ersten Tag meiner Border-Movement-Künstlerresidenz, in der Wohnung von Andi Teichmann."
Sanaya Ardeshir, DJane und Musikproduzentin aus Bombay, oder Mumbay wie die Stadt offiziell heißt, sitzt zwischen halb ausgepackten Koffern auf der Besucher-Couch. Ihren Gastgeber Andi Teichmann hat sie vor ein paar Jahren kennengelernt als der mit seinem Bruder Hannes, in der Elektro-Szene besser bekannt als "Gebrüder Teichmann", auf dem Subkontinent unterwegs war.
"2011 sind wir vom Goethe-Institut eingeladen worden, eine Reise durch Indien und anliegende Länder zu mache, Leute kennen zu lernen und Verbindungen zu knüpfen. Es ging um elektronische Musik, Vernetzung, Projektvorschläge."
Dort wurde die Idee zu "Border Movement" geboren, eine grenzüberschreitende Plattform für elektronische DJs, Musiker und Produzenten vom indischen Subkontinent und Deutschland, getragen vom Goethe-Institut. Mehrere "Soundcamps" in Indien, Pakistan und Sri Lanka haben die Teichmanns gemeinsam mit ihren Kollegen vor Ort seitdem organisiert und seit letztem Jahr wird auch ein zweiter Projektvorschlag umgesetzt: Eine Künstlerresidenz für Berliner in Indien und seinen Nachbarstaaten und für Musiker vom Subkontinent in Berlin. Das besondere daran: Die Stipendiaten sind wenigstens für ein paar Tage zu Gast bei deutschen Kollegen.

Berlins Geschichte aufgesogen

"Es entspricht dem, was wir auch in unseren Projekten macht, dass man zusammen lebt und arbeitet und sich nicht nur im Studio trifft."
Und so dauert es keine halbe Stunde bis Andi seine Drum Machine anschließt und Sanaya ihren Laptop aufklappt. Wie sie die Berliner Clubszene erlebt?
"Hier hat elektronische Musik eine Geschichte. Das Publikum bekommt ja richtig mit, was die Leute für Musik machen."
In ihrer Heimat gehört sie als Frau und DJane dagegen zu einer doppelten Minderheit.
"Wenn ich zuhause erzähle, was ich mache, kommt das den meisten sehr fremd vor. Und dass ich als unverheiratete Frau allein lebe und arbeite, ist vielleicht für Bombay okay, aber anderswo wird das nicht akzeptiert und kann sogar gefährlich werden."
Der größte Arbeitsmarkt für indische DJs und Musiker fällt für sie aus: Hochzeiten. Da ist populärer Bollywood-Pop gefragt und keine elektronische Tanzmusik. Trotzdem kann Sanaya von ihrer Musik leben.
"Mit Life-Auftritten und Aufträgen bei Firmen-Events, zu einer Auto-Premiere oder Promo-Events für Alkoholika."

Irritiert vom deutschen Ruhebedürfnis

Auch in Berlin wird Sanaya am DJ-Pult stehen. Und wenn sie nicht auflegt, will sie Material für Zuhause sammeln:
"Ich will aufnehmen, wie die Stadt klingt, und daraus eine akustische Karte Berlins komponieren."
Eine echte Herausforderung für die Musikerin aus dem lauten Bombay. Schon bei ihrer ersten Reise nach Deutschland zusammen mit ihrem Freund ist ihr eine Sache besonders aufgefallen.
"Wir fuhren mit dem Zug und mit einem Mal fiel uns auf, wie still alles war. Dagegen war selbst unser Atmen richtig laut und wir haben uns automatisch anders verhalten."
Da seufzt ihr Gastgeber tief auf. Vom Ruhebedürfnis seiner Nachbarn könnte der Berliner DJ eine Menge erzählen. Auch wenn man in Bombay die Clubs mit elektronischer Musik an einer Hand abzählen kann, dass hierzulande die Polizei anrückt, wenn es einem Nachbarn nach 22.00 Uhr zu laut wird, darüber kann Sanaya nur mit dem Kopf schütteln.
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