Musikalische und tänzerische Zeitreisen

Vorgestellt von Hannelore Heider · 04.04.2007
"Ballets Russes" dokumentiert anhand von Zeitzeugengesprächen den Aufbruch des Tanzes in die Moderne. Ehemalige Primaballerinen und Erste Tänzer erzählen eindrucksvoll von der gleichnamigen Balletttruppe um Sergej Djagilew. "Der Klang der Stille" versucht den Prozess des Komponierens bei Beethoven darzustellen, ohne eine eigene Bildidee dafür zu finden und verharrt in konventionell-naturalistischer Erzählweise.
"Ballets Russes"
USA 2005. Regie: Dayna Goldfine, Dan Geller. Mitwirkende: Irina Baronova, Yvonne Chouteau, Frederic Franklin, Nathalie Krassovska u.a. 118 Min.

Ballettfreunde werden wissen, dass mit diesem Titel nicht das russische Ballett schlechthin, das Bolschoi und seine großen Ballerinen gemeint sind, sondern der Aufbruch in die Moderne des Tanzes schlechthin. Das geschah in Paris in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und ist mit Namen wie Sergej Diaghilew, Wazlaw Nijinski, Komponisten wie Satie und Strawinsky und Künstlern wie Picasso und Cocteau verbunden.

1929 löste sich Diaghilews Truppe auf, aber die "Ballets Russes" lebten weiter und speisten sich aus denselben Quellen: russischen Exilanten, die ihre Töchter auf die russische Tanzschule gaben, woraus sich die berühmten "Babyballerinen" des neuen "Ballets Russes de Monte Carlo" rekrutierten, die der Tänzer und Choreograf Massine zu neuen Triumphen führte. Bis in die 60er Jahre hinein haben verschiedene Companys Ballettfreunde in aller Welt beglückt, haben künstlerische Eitelkeiten, finanzielle Desaster und - als Staatenlose! - den Weltkrieg überstanden.

Davon erzählt der Film mit vielen Filmdokumenten, die die Kühnheit und Schönheit des künstlerischen Ausdrucks belegen. Das Charmante an dieser Dokumentation aber ist, dass die Regisseure sicher im letzten Augenblick die vielen noch lebenden Mitglieder der Companys mit sehr persönlichen, außerordentlich lebendigen Erinnerungen zu Wort kommen lassen. Die Damen und Herren, Primaballerinen und erste Tänzer, sind weit über 80 und quicklebendig. Sie trafen sich nach Jahrzehnten in New Orleans wieder, zur ersten Réunion der "Ballets Russes", wo die Idee zu diesem hochinteressanten und unterhaltsamen Dokumentarfilm entstand.


"Der Klang der Stille"
USA/Deutschland 2006. Regie: Agnieszka Holland. Darsteller: Ed Harris, Diane Kruger, Matthew Goode, Ralph Riach u.a. 104 Min.

Es ist nicht ganz leicht, sich einen Grund vorzustellen, aus dem heraus ein biografischer Film über Ludwig van Beethoven modernes und wie wir wissen ja vor allem junges Kinopublikum interessieren sollte. Der Klang der Stille ist es gewiss nicht, aber unter diesem deutschen Titel wird der Film hierzulande vermarktet. Er soll wohl auf Beethovens Taubheit anspielen. Wie der Originaltitel "Copying Beethoven" auf die Tatsache, dass der Film seine Beethoven-Geschichte über eine zweite Person, nämlich die Kopistin namens Anna Holz erzählt wird. Beides sind Äußerlichkeiten und dabei bleibt der Film auch.

In Budapest, in nostalgischen Kulissen gedreht, zeigt er in konventioneller Erzählweise, wie aus der spannungsgeladenen Beziehung zwischen einem alten, kranken und freilich genialen Manne und einer jungen, selbst mit kompositorischem Ehrgeiz geschlagenen Frau letztlich doch noch Gutes erwuchs, nämlich die triumphale Uraufführung von Beethovens 9. Sinfonie in Wien.

Der Film erzählt, als sei alles wirklich so gewesen und das gilt auch für die Szenen, die es wirklich auf sich nehmen, den Prozess des Komponierens sichtbar zu machen. Ohne eine Idee, wie das Bilder leisten könnten, werden komplizierteste künstlerische Prozesse zu Küchenlatein, die ganz sicher die Intelligenz von Musikfreunden und Kennern beleidigen.

Für die Popcorngeneration werden Diane Kruger als Anna Holz und "Best of Beethoven" als Häppchen angeboten, aber statt Provokation gibt es viel zu viel Pathos in endlosen Dialogen, die Ed Harris als Beethoven schwelgerisch zelebriert.