Musik-Prognose 2018

Der Pop wird total global

BTS bei den American Music Awards 2017
BTS bei den American Music Awards 2017 © picture alliance / Hubert Boesl/dpa
Von Christoph Möller · 02.01.2018
Streaminganbieter treiben die Globalisierung weiter voran: Popmusik klingt internationaler, Sprachgrenzen verschwimmen, viele Künstler singen eine Mischung aus mehreren Sprachen. 2018 dürfte Pop durch und durch global werden.
Er sei ein bisschen aufgeregt, sagt der Moderator bei den American Music Awards 2017. Diese Typen Superstars zu nennen, fühle sich deutlich untertrieben an. Er meint BTS. So etwas wie die Backstreet Boys aus Südkorea. Es ist ihr erster Auftritt im US-Fernsehen.
Fan-Chöre, Gekreische. Auf der Bühne – sieben gecastete Sänger, die auf Koreanisch singen – und alle singen mit.
BTS sind ein Internet-Phänomen. Die erste koreanische Band, die in die Billboard Hot 100 Charts eingestiegen ist. Erfolg dank sozialer Medien – ihr Fanclub, die sogenannte "A.R.M.Y.", teilt jedes noch so verwackelte Foto. Michael Fuhr, Musikwissenschaftler an der Uni Hildesheim, sagt, Fanclubs sind im K-Pop wichtiger Teil der Verkaufsstrategie, sind Teil des Marketingkonzepts des Labels.
"Vergleichbar mit den Fanclubs von deutschen Fußballmannschaften, die eigentlich Teil der Industrie im Grunde sind. Und von dort aus auch einer gewissen Agenda entsprechen, die das Label vertritt."
K-Pop wird – wie Latin Pop – weltweit immer mehr gehört. Fans sind offen für andere Sprachen und vermeintlich fremde Sounds. Dank Internet verbreiten sich neue musikalische Trends sehr schnell, Genres und Ländergrenzen immer unwichtiger.
"Gerade YouTube auch mit dieser visuellen Komponente, dass man Videoclips ziemlich schnell produzieren kann, hochladen kann, und dann auch weltweit rezipiert werden kann. Da sind die südkoreanischen Akteure ziemlich geschickt, das in ihre Strategien ziemlich bewusst mit einzubauen und dieses Medium auch voll zu nutzen für ihre kommerziellen Zwecke."
Fuhr sagt, K-Pop sei ohnehin schon stark von US-amerikanischer Popkultur geprägt und damit anschlussfähig. Die Videoästhetik. Aber auch der Sound. Der BTS-Song "Best Of Me" könnte ohne weiteres auch von Justin Bieber sein.
Tatsächlich ist "Best Of Me" von Andrew Taggart produziert worden, eine Hälfte der Chainsmokers, deren sanfte Dance-Hymnen internationale Superhits sind. Auch aktuelle Latin-Pop-Songs sind häufig Hybride aus US-HipHop und seine Unterformen wie Reggaeton und Trap. Etwa von den puerto-ricanischen Newcomern Chris Jeday und Ozuna.
Gleichzeitig nutzen Popstars wie Beyoncé oder Justin Bieber den Latin-Pop-Hype. Bieber hat seinen Hit "Sorry" einfach zusätzlich als "Latino Remix" veröffentlicht. Wohl kaum aus künstlerischen Überlegungen, sondern um den Markt zu bedienen. Mit ein paar zusätzlichen spanische Versen von J Balvin sind Millionen zusätzliche Klicks garantiert.
Popmusik internationalisiert sich, um Cash zu machen. Sie internationalisiert sich aber auch, weil die globale Verbreitung von Musik auf Streamingplattformen so einfach ist wie noch nie. Aus künstlerischer Sicht ist das ein großer Fortschritt. So finden ungewöhnliche Künstlerinnen wie die katalanische Rapperin Bad Gyal schneller ein weltweites Publikum. Ihr futuristischer Reggaeton-Track "Jacaranda" wurde vom Fact Magazine als bester Song 2017 geadelt.
Bad Gyal singt auf Englisch, Spanisch und Katalanisch, nutzt viele Effekte und klingt wie ein Roboter. Gleiches auch auf dem neuen Mixtape der Britin Charli XCX. Man hört brasilianische Drag-Performerinnen, estnische Rapper und schwedische Pop-Sängerinnen. Doch vor allem hört man: Auto-Tune.
Anti-Algorithmus-Pop. Bei Charli XCX sind alle Stimmen gleich. Ihr Mixtape "Pop 2" zeigt, wie sich globalisierte Popmusik anhört. Pop wird zu einem bizarren Genre-Mix, entkoppelt von der Herkunft der Sängerinnen und Sänger.
Die Globalisierungs-Metamorphose der Popmusik wird sich 2018 weiter beschleunigen. Streamingdienste sind die Verteilungszentren neuer, hybrider Musikformen. In welcher Sprache gesungen wird, scheint für den Erfolg von Mainstream-Hits unwichtiger zu werden. "Despacito" hat den Weg dafür freigemacht. Fans unterstützen Musik aus Regionen, die bislang von Major Labels kaum beachtet worden sind. Dank Streaming sind sie sichtbarer und marktfähiger geworden.
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