Musik-Magazin Rolling Stone soll verkauft werden

"Wer liest denn noch diese großen Pop-Magazine"

Das Magazin Rolling Stone an einem Zeitschriften-Shop in Singapur im September 2016
Das Magazin Rolling Stone (in der zweiten Reihe) an einem Zeitschriften-Shop in Singapur im September 2016 © AFP / Roslan Rahman
Kulturwissenschaftler Stephan Porombka im Gespräch mit Gesa Ufer · 18.09.2017
50 Jahre nach seiner Gründung soll das einflussreiche US-Magazin Rolling Stone verkauft werden. Die Zeitschrift habe gezeigt, dass Popkultur sehr viel mehr sei als Musikhören, sagt der Berliner Kulturwissenschaftler Stephan Porombka.
Das einflussreiche US-Magazin Rolling Stone sucht genau 50 Jahre nach seiner Gründung einen Käufer. Der Gründer der Zeitschrift, Jann Wenner, sagte der "New York Times", er wolle die Zukunft des Magazins rechtzeitig sichern. "Es gibt Herausforderungen, die wir nicht alleine stemmen können." Für einen familiengeführten Verlag sehe die Zukunft düster aus. Das Magazin hatte zuletzt unter einer mangelnden Finanzierung zu leiden. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Rolling Stone 49 Prozent der Anteile an ein Start-up aus Singapur verkauft. Dessen Besitzer ist der Sohn des weltweit größten Palmöl-Händlers.
Wenner hatte die Zeitschrift 1967 als Student im kalifornischen Berkeley gegründet. Der "Rolling Stone" entwickelte sich seitdem sowohl zu einem Magazin für Rockmusik und alternative Kultur, als auch zu einem Hort experimenteller Autoren wie dem exzentrischen Schriftsteller Hunter Thompson.
"Im ganz engen Verständnis könnte man denken, dass solche Zeitschriften dafür zuständig sind, Popsongs in Umlauf zu bringen oder irgendwelche Stars zu feiern", sagt der der Kulturwissenschaftler Stephan Porombka von der Universität der Künste Berlin. "Aber der Rolling Stone hat etwas ganz anderes gemacht. Er hat uns vorgeführt, dass Popkultur nicht nur Musikhören ist, sondern eine bestimmte Form der kritischen Gegenwartsbeobachtung. Das hat natürlich sehr viel mit Musik zu tun. Die Musik hat das elektrifiziert, die Gegenwart elektrifiziert, den Journalismus elektrifiziert und hat ihn zugleich intellektueller gemacht."

Die Gegenwart avantgardistisch beobachtet

Der Rolling Stone habe "seine Leser immer darauf eingeschworen, mit der Popmusik zusammen die Gegenwart geradezu avantgardistisch zu beobachten", so Porombka.
In Deutschland wird der Rolling Stone bereits seit Längerem vom Axel-Springer-Verlag herausgegeben, in den USA möglicherweise bald von einem Unternehmen im Umfeld eines Palmöl-Händlers. Zur Frage, ob dieser geplante Eigentümerwechsel des Rolling Stone auch einen Zeitenwechsel anzeigt, der weit über dieses Heft hinausgeht, meint Kulturwissenschaftler Porombka:
"Das sind ja jetzt immerhin 50 Jahre - das ist ein halbes Jahrhundert. Und wir haben gerade einen großen Medienwechsel. Wenn man sich umhört: Wer liest denn noch diese großen und kritischen Pop-Magazine Rolling Stone oder auch Spex in Deutschland? Dann wird es relativ dünn."

Kommt der Nachfolger aus dem Nichts?

Man sehen einfach, dass die nachwachsende Generationen andere Musik hören, sich anders über Musik unterhalten und natürlich auch anders über Musik schreiben. "Im Nachhinein stellt sich heraus, dass diese große Pop-Ära des intellektuellen, kritischen, reflexiven Musikjournalismus wirklich eine der Magazin-Zeit gewesen ist, des gedruckten Magazins. Und das gedruckte Magazin steht in gewisser Weise an seinem Ende und muss sich im Medienwechsel neu erfinden."
Wer Nachfolger werden könnte, sei schwer zu sagen, erklärt Porombka. "Wenn wir jetzt auf Facebook zeigen oder auf Twitter, dann sehen wir ein großes Durcheinander. Ich glaube eher, dass unter dem Stichwort Post-Digital sich mittlerweile die Projekte bilden, die versuchen, auf eine neue Weise neue Stimmen und neue Schreibweisen zu erfinden, ohne dass wir sie jetzt sehen. Und das ist im Grunde genommen auch eine Situation wie 1967: Der Rolling Stone kommt aus dem Nichts. Und aus dem Nichts müssen wir auch die neue Stimme erwarten."
(abr)
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