Musik, die von allem etwas inne hat

Von Alice Lanzke · 02.09.2011
Tal Balshai bewegt sich unbekümmert zwischen den verschiedenen Stilrichtungen - schon früh merkte er, dass er nicht zum Tonmeister geboren war. Mittlerweile ist der Wahlberliner ein anerkannter Komponist, Arrangeur und Pianist.
Leicht, aber nicht seicht. Zugänglich, aber nicht oberflächlich. Die Stücke des israelischen Komponisten, Pianisten und Arrangeurs Tal Balshai schmeicheln sich dem Zuhörer fast unmerklich ins Ohr, um dort einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Seit Jahren gelingt es dem Wahlberliner, sich den immer hektischer werdenden Zwängen der Musikindustrie zu entziehen: Er nimmt sich Zeit für seine Arrangements und Kompositionen, liest viel und hört sich durch unterschiedlichste Stilrichtungen. Jazz, Rock, Pop, Klassik - gekonnt spielt Balshai mit den verschiedenen Genres und gibt gleichzeitig über seine Werke einen intimen Einblick in seinen musikalischen Kosmos.

"Das, was der Hörer bekommt, ist ein Teil von mir. Und diese Teile sind gemischt, weil ich mein Leben lang durch verschiedene musikalische Stationen gewandert bin, also sei es am Anfang Rockmusik, später mit der Klassik und natürlich Jazz, aber auch alles andere, was man hört - und ich höre eigentlich wahllos alles. So würde ich sagen, dass meine Musik von allem was inne hat."

Kaum ein Musiker lässt sich gerne ein Etikett auf sein Werk kleben. Doch bei Balshai ist diese Aussage mehr als Koketterie. Seine Kompositionen werden von Jazzmusikern genauso geschätzt wie von den Kollegen aus der Klassik, zeigen sie doch, wie fließend die scheinbar starren Grenzen sind. Er selbst sagt, dass es ihm in seinen Werken um Ausdrucksstärke und Bildhaftigkeit gehe. Grundsätzlich falle es ihm allerdings schwer, seine Musik zu beschreiben, so Balshai mit einem Augenzwinkern:

"Meine Musik beschreiben ist immer für einen selbst total schwer, da muss man sozusagen in den Spiegel gucken und erzählen: Bin ich jetzt schön oder nicht?"

Humor und Leichtigkeit gehören zu Balshais hervorstechendsten Eigenschaften. Der 41-Jährige scheint sich immer noch darüber zu freuen - und teilweise sogar überrascht zu sein - dass er wirklich Musiker ist. Dabei fing alles bereits in seiner Kindheit in Israel an: Der große Bruder hatte eine Rock-Band, probte mit den Freunden daheim und ließ Tal zusehen. Dieser wünschte sich daraufhin ein Keyboard, bekam aber stattdessen ein Klavier.

"Ich war ein bisschen enttäuscht, denn dazu kam auch so eine strenge rumänische Lehrerin, die mir dann Bach-Inventionen und so weiter aufgedrückt hat. Irgendwann habe ich auch ein Keyboard bekommen, aber irgendwie war das Klavier schon so tief drin, dass ich gemerkt habe, was das echte Instrument ist. Und bin letztendlich seitdem beim Klavier geblieben.

Ich habe dann, als ich 13, 14 wurde, mir wie mein Bruder Mitmusiker gesucht, und da durften wir auch bei meiner Mutter im Wohnzimmer zwei Mal die Woche proben und dann natürlich auch den Kühlschrank leer fressen und Lärm machen. Und sie hat das alles toleriert und mitgemacht, sie war echt cool. Das war eine gute Zeit für die Musik in Jerusalem, dass meine Mutter die gesponsert hat sozusagen."

Obwohl Tal Balshais Großeltern durchaus religiös waren, ihn in die Synagoge mitnahmen und auf seine Bar Mitzwah vorbereiteten, verbindet ihn heute wenig mit dem Judentum als Religion. Doch die Kindheitserinnerungen von damals würden durchaus ihren Weg in seine Stücke finden, so Balshai. Wie das genau passiert, verrät er allerdings nicht. Lieber sollen sich die Zuhörer selbst emotionale Brücken zu seiner Musik bauen, eine "Verbindung zu ihrem eigenen Innersten herstellen", wie er sagt. Das machen Balshais Werke mit ihren bildhaften Melodien, ihrer genreübergreifenden Originalität und ihrer nie oberflächlichen Eingängigkeit allerdings leicht.

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