Musik der "Identitären Bewegung"

Der rechte Soundtrack

Mitglieder der rechten "Identitären Bewegung" bei einer Demonstration in Berlin
Mitglieder der rechten "Identitären Bewegung" bei einer Demonstration in Berlin © imago/Christian Mang
Von Klaus Walter · 14.06.2017
Die sogenannte Identitäre Bewegung propagiert eine spezielle Variante des Völkischen. Sie nennt es "Ethnopluralismus". Die "Identitären" sind jung, kennen sich aus mit den Spielregeln der Popkultur - und bedienen sich gern beim politischen Gegner.
"Ich seh' romanische, gotische, klassizistische Bauten
Langsam zerfallen zu 'nem toten abgerissenem Haufen
Und alle Werte so wie Ehre, Stolz und Identität, sind
Restlos entfernt und aus Geschichtsbüchern draußen."
Der Rapper Komplott beschwört den Untergang des Abendlandes. Gotische und klassizistische Bauten zerfallen, Werte wie Heimat, Stolz und Identität sind restlos entleert. Komplott tritt auf im Namen der indentitären Gruppe "Kontrakultur Halle", sein Song "Europa" ist eine Hymne der Identitären.
Die sehen nicht nur ihre Identität bedroht sondern auch ihre "ethnokulturelle Kontinuität". So erleben wir eine Weltpremiere: der erste Rap-Song mit dem Wortungetüm "ethnokulturelle Kontinuität":
"Wir müssen uns wehren, sonst ist es zu spät, denn unsere Gegner vernichten die ethnokulturelle Kontinuität."

Ein Europa der weißen Völker

"Ethnokulturelle Kontinuität" - klingt seriös und umschreibt einen der zentralen ideologischen Begriffe der Identitären Bewegung, meint Thorsten Hindrichs, Musikwissenschaftler an der Uni Mainz und Experte für rechte Popmusik:
"Kontrakultur steht exemplarisch für dieses Changieren der 'Identitären Bewegung' zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus, der ist bei besorgten Bürgern genauso angesagt wie bei Teilen der radikalen Rechten, weil er für die neurechte Denkfigur des Ethnopluralismus, für ein Europa der Völker steht. Der weißen Völker, selbstverständlich."
Die weißen Völker müssen ihre völkische Reinheit erhalten, sich wehren gegen die Vermischung des Blutes, oder, im Jargon der Identitären: gegen den großen Austausch der Völker.

Angst vor dem Fremden schüren

Dieser Austausch droht, wenn immer mehr Menschen aus anderen Teilen der Erde nach Europa kommen. Dann, so heißt es bei Kontrakultur Halle, drohen in unserer Heimat Kleinstaaten von Kriminellen, "die aussehen wie Robinsons Freitag".
Komplott und Kontrakultur Halle haben viele Feindbilder - Politikerinnen wie Claudia Roth, oder auch Schwule und Gendertheorien:
"Warum hat Claudia Roth so ne komische Warze in der wohlstandsverfetteten Mondgesichtsvisage?
In der Uni nur komische Affen, die den ganzen Tag über Homothemen quatschen ..."

Die linke Popmusik wird einfach kopiert

Beim Titel ihres Songs beweisen Komplott und Kontrakultur Halle Geschmack und Geschichtsbewusstsein. "Macht kaputt was euch kaputt macht", fordern Komplott und Kontrakultur Halle und bedienen sich bei einer linken Politrockband aus dem 20. Jahrhundert.
"Macht kaputt was euch kaputt macht", das Original von Ton Steine Scherben. Die feindliche Übernahme von Parolen und Protestformen der Linken ist eine Spezialität der Identitären. Das gilt übrigens auch für Dress-Codes. Thorsten Hindrichs:
"Das gilt ja generell für rechte Musik, von Nazi-Oi! bis Rechts-Rap. Die radikale Rechte hat schon immer Popmusik von anderen übernommen und es - bis jetzt jedenfalls - noch nie fertig gebracht, eine eigene Popmusik zu entwickeln."

Claudia Roth als Zielscheibe

"Kontrakultur Halle", erinnert das nicht an die gute alte "Gegenkultur" der verhaßten 68er? Und ausgerechnet Claudia Roth wird zur Zielscheibe, die Grünenpolitikerin erwähnt ja gerne, dass sie mal Managerin von "Ton Steine Scherben" war.
"Ihr seid Charlie doch wer sind wir, ich bin Deutschland, ihr seid Charlie, doch wer war bei Gaza?"
"Ich bin Deutschland" verkündet ein weiterer deutscher Rapper in seinem Song "Charlie Hebdo". Sein Name ist Dissziplin, korrekt geschrieben nur mit SS vor dem Zett. Neuerdings sucht Dissziplin die Nähe der Identitären.
"Um Dissziplin war es die letzten Jahre ja relativ ruhig, insofern bin ich mir nicht sicher, ob er nicht gerade versucht, die Gunst der Stunde zu nutzen."

Fünf maskierte junge Frauen

Den Soundtrack zur Identitären Bewegung liefern aber nicht nur rappende Männer aus Deutschland. In einem kruden Video mit antisemitischen Zügen warnen fünf maskierte junge Frauen auf französisch vor dem "großen Austausch" der Völker. Ihr Name ist Les Brigandes und die Selbstauskunft zu ihrem Video spricht für sich:
"Unzensierte, originale Fassung des neuen gesellschaftskritischen Videos 'Der Große Austausch' der volkstreuen Frauenmusikgruppe aus Frankreich, Les Brigandes. Das Video benennt die Folgen und die Hintergründe des derzeit in Europa stattfindenden Bevölkerungsaustausches über die Zuwänderungsströme aus Afrika und Asien nach Europa."
Die Musik der Identitären Bewegung ist so pluralistisch wie ihr sogenannter Ethnopluralismus: Hauptsache weiß und gegen den "großen Austausch".
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