Musik am Pranger der Nazis

Von Albrecht Dümling · 24.05.2013
Der Erfolg von Musik- und Theateraufführungen jüdischer Komponisten oder Regisseure passte den Nationalsozialisten in den 1930er-Jahren nicht. Sie ließen die Vorstellungen bestimmter Stücke nicht nur verbieten, sondern boten auch in einer Ausstellung dar, was "entartete" Musik sei.
Ernst Kreneks Oper "Jonny spielt auf" gehörte ab 1927 zu den erfolgreichsten Bühnenwerken der Weimarer Republik. Deutschnationale Besucher empörte allerdings der schwarze Jazzmusiker im Mittelpunkt. Anhänger Adolf Hitlers protestierten sogar gegen eine "jüdisch-negerische Besudelung" der Opernhäuser, obwohl der Komponist nicht jüdischer Herkunft war. Aber es galt als propagandistisch wirkungsvoller, wenn man die sogenannte Negermusik mit dem Judentum in Verbindung brachte. Ab 1933 wurde Kreneks Werk in Deutschland nicht mehr gespielt. Der nationalsozialistische Staatsrat Hans Severus Ziegler griff die frühere Jazzbegeisterung auf, als er am 24. Mai 1938 bei den Düsseldorfer Reichsmusiktagen die Ausstellung "Entartete Musik" eröffnete. Für ihn war diese Begeisterung eine Krankheit, eine geistige Verirrung.

"Ein Volk, das dem 'Jonny', der ihm schon lange aufspielte, nahezu hysterisch zujubelt, mindestens aber instinktlos zuschaut, ist seelisch-geistig so krank und innerlich so wirr und unsauber, dass es für die unendliche und uns immer wieder erschütternde Reinheit und Schlichtheit und Gemütstiefe etwa der ersten Takte der 'Freischütz'-Ouvertüre gar nichts mehr übrig haben konnte."

Ziegler, der Initiator der Ausstellung, hatte schon 1930 als Theaterreferent der Thüringer Regierung die sogenannte Negerkultur bekämpft. Die Münchner Ausstellung "Entartete Kunst" und ein Jahr später die Düsseldorfer Propagandaschau "Entartete Musik" knüpften daran an und zeigten auf ihren Plakaten verzerrt dargestellte Afroamerikaner. Ansonsten war der medizinisch-biologische Begriff der "Entartung" in Bezug auf Musik höchst ungebräuchlich. Ziegler stützte sich auf den Dreiklang und die Tonalität, die er als germanische Norm bezeichnete. Ihr stellte er die atonale Musik Arnold Schönbergs entgegen.

"Ich bekenne mich mit einer Reihe führender musikalischer Fachmänner und Kulturpolitiker zu der Anschauung, dass die Atonalität als Ergebnis der Zerstörung der Tonalität Entartung und Kunstbolschewismus bedeutet. Da die Atonalität zudem ihre Grundlage in der Harmonielehre des Juden Arnold Schönberg hat, so erkläre ich sie für das Produkt jüdischen Geistes. Wer von ihm isst, stirbt daran."

Zieglers Ausstellung widmete sich jedoch nicht nur Schöpfern ernster Musik oder dem jüdischen Einfluss auf Presse, Verlagswesen und Musikerziehung. Ausführlich prangerte sie auch die vielen jüdischen Künstler im Bereich der leichten Muse an.

Léon Jessels biederes "Schwarzwaldmädel" wurde ab 1934 verboten. Aber ausgerechnet einem der berüchtigtsten Antisemiten, dem fränkischen Gauleiter Julius Streicher, war es zu verdanken, dass diese Operette in Nürnberg sogar noch bis 1937 gespielt werden durfte. Nun aber brandmarkte die Düsseldorfer Ausstellung den Komponisten Léon Jessel, wie auch seine nichtjüdischen Kollegen Paul Hindemith und Igor Strawinsky pauschal als "entartet". Kein Geringerer als Peter Raabe, der Präsident der Reichsmusikkammer, protestierte aufs Schärfste gegen Zieglers Initiative. Dies hatte zur Folge, dass Joseph Goebbels die Presse anwies:

"Berichte über die Ausstellung "Entartete Musik" sollen nicht in besonderer Aufmachung und Größe erscheinen."

Alfred Rosenberg, der Chefideologe der NSDAP, griff jedoch das Thema der Ausstellung auf und ließ ein infames "Lexikon der Juden in der Musik" entwickeln. Ab 1940 beschlagnahmten seine Mitarbeiter in den besetzten Gebieten das Eigentum geflohener jüdischer Musiker, auch solcher, die Hans Severus Ziegler in Düsseldorf als "entartet" angeprangert hatte. Wer nicht mehr fliehen konnte, wurde deportiert und ermordet.