Mütterpflegerin Susanne Herfurth

"Es ist ganz viel Beruhigungsarbeit"

Susanne Herfurth ist selbst Mutter von Kindern, die sie allein groß gezogen hat.
Susanne Herfurth ist selbst Mutter von Kindern, die sie allein groß gezogen hat. © Jakob Schmidt/ Deutschlandradio
Von Jakob Schmidt · 30.04.2018
Susanne Herfurth ist weder Hebamme noch Haushaltshilfe, sondern Mütterpflegerin. Sie kümmert sich nicht nur um alltägliche Aufgaben wie Einkaufen, Kochen und Reparaturen. Sondern sie baut zu Müttern eine vertrauensvolle Beziehung auf.
Anna: "Ich habe immer gedacht, ich bin völlig kontrolliert. Und ich kann das alles und kann gut planen und gut organisieren. Und ich habe das total unterschätzt. Also völlig unterschätzt! Diesen Kontrollverlust. Also, dass du wirklich überhaupt nichts planen kannst, dass du deine Gefühle nicht unter Kontrolle hast. Dass du einfach nicht mehr funktionierst! Das konnte ich mir nicht vorstellen. Und das hat mich so stark getroffen, das hat mich komplett aus dem Ruder gerissen. Und da, glaube ich, ist es ganz toll, wenn Mütterpflegerinnen da helfen können."
Anna ist 41, alleinerziehend – und sitzt hochschwanger auf ihrem Sofa. Bald schon wird ihr zweites Kind auf die Welt kommen.
"Die letzte Geburt war ziemlich ätzend, weil die äußeren Umstände sehr schwierig waren. Und dann habe ich danach eine ganz schwere Wochenbettdepression gehabt. Und das war alles sehr, sehr, sehr unschön. Und ich finde diese erste Zeit so unglaublich wichtig und ich habe gemerkt, wie katastrophal das beim ersten Mal war, wenn man dann völlig alleine ist. Und das will ich auf gar keinen Fall noch mal haben. Und wir nehmen jetzt jede Hilfe in Anspruch, die es irgendwie gibt."
Zwei Wochen später. Vor ein paar Tagen ist Joscha geboren worden. Anna liegt mit dem Säugling im Bett. Sie wirkt erschöpft - aber trotzdem entspannt.
"Ein totales Wunder, echt…"
Ihre Wohnung wird sie in den nächsten Tagen kaum verlassen müssen, diesmal kann sie sich ganz auf ihr Kind konzentrieren.

Das Wissen der Großmütter vermitteln

Susanne Herfurth: "Guten Morgen, vier helle Brötchen hätte ich gerne."
Bäckerin: "4,20 bitte!"
Susanne Herfurth: "Danke, tschüss, schönen Tag!"
"Ich bin Susanne Herfurth und Mütterpflegerin. Seit über zehn Jahren! Wir sagen immer: Die Frau steht im Mittelpunkt. Und alles, was der Frau gut tut, das mache ich auch. Das ist sehr vielfältig."
Mütterpflegerin – das ist kein geschützter Beruf, grundsätzlich darf sich jeder so nennen. Susanne Herfurth aber hat eine aufwendige Ausbildung durchlaufen, die von Fachwissen zum Stillen über pädagogische und psychologische Kenntnisse bis hin zu Kochrezepten für bewusste Ernährung reicht. Ihre Arbeit, sagt sie, soll eine Lücke schließen zwischen der rein physischen Unterstützung durch Haushaltshilfen und der sehr spezialisierten Arbeit von Hebammen.
"Darüber hinaus ist es ganz viel Beruhigungsarbeit, würd ich jetzt mal so sagen. Weil wir heute nicht zurückgreifen können auf unsere eigenen Erfahrungen. Wir haben einen Traditionsbruch gehabt und wir müssen eigentlich wieder zu dem, was die Urgroßmütter noch wussten."
Heute besucht sie Anna zum vierten Mal. Schon jetzt ist sie zu einer engen Vertrauten geworden.
Anna (41) ist alleinerziehend und hat gerade ihr zweites Kinder bekommen.
Anna (41) ist alleinerziehend und hat gerade ihr zweites Kinder bekommen.© Jakob Schmidt/ Deutschlandradio
Susanne Herfurth: "Ich hab Brötchen. Ich hab auch Glühbirnen gekriegt!"
Anna: "Och, super!"
Susanne Herfurth: "Und wie war die Nacht?"
Anna: "Super! Also gestern der Tag war so entspannt."
Susanne Herfurth: "Dann hast du da auch in der Nacht noch was von… Wenn du entspannt bist, entspannt sich Joscha sowieso auch."
Anna: "Aber das ist Wahnsinn. Also ich frag mich jetzt, was ich bei der ersten Geburt gemacht hab. Ich weiß nicht, ob es am ersten/zweiten Kind liegt. Bestimmt auch, aber auch an dem, dass man sich das bewusst macht, dass man tatsächlich zur Ruhe kommen muss. Und dass man das annimmt."
Susanne Herfurth: "Und das hat dir auch niemand gesagt?"
Anna: "Doch. Es haben alle gesagt!"
Susanne Herfurth: "Ach und du hast es aber nicht…"
Anna: "Ich konnte es halt nicht. Ich habe es nicht gemacht. Aber es ist einfacher, wenn das jemand Fremdes ist, wo du offiziell Hilfe annimmst, die dann auch bezahlt wird, als wenn du Leute fragen musst. Das ist was ganz anderes! Ich bin heute vor Joscha aufgewacht und dachte: Aha. So kann es auch sein…"
Susanne Herfurth (zum Baby): "Schön. Kleinen Vorsprung hat die Mama…"

Glühbirne wechseln, Mittag kochen, Kind abholen

Nach dem gemeinsamen Frühstück legt Anna sich mit dem Kind wieder hin. Ohne schlechtes Gewissen. Im Bad sind zwei Lampen kaputt gegangen, auch dafür ist Susanne Herfurth da.
Susanne Herfurt: "Das wird jetzt leicht gefährlich hier…"
Bei vielen Krankenkassen ist ihr Beruf immer noch kaum jemandem ein Begriff. Abrechnen muss sie ihre Arbeit deshalb als schlichte Haushaltshilfe. Deren Kosten werden dann von den meisten Kassen übernommen.
Auf der Liste für heute steht noch ein aufwändiges, selbst gekochtes Mittagessen. Danach wird sie Anna beim Stillen beraten und den älteren Sohn aus der Kita abholen.
Susanne Herfurth ist selbst Mutter von vier Kindern.
Mütterpflegerin Susanne Herfurth in der Küche ihrer Klientin Anna.© Jakob Schmidt / Deutschlandradio
Susanne Herfurth: "Das wirklich wichtig: im Wochenbett zusammenwachsen. Das kann eben nur die Familie! Das kann ich nicht abnehmen. Aber die anderen Sachen nehme ich gerne ab!"
Um flexibel auf alle Wünsche reagieren zu können, betreut Susanne Herfurth nur zwei bis drei Mütter gleichzeitig. Annas Wunschliste ist heute nach knapp drei Stunden abgearbeitet.
Susanne Herfurth: "Machs gut, bis morgen. Erhol dich gut!"'
Anna: "Das mach ich…"
Susanne Herfurth: Tschüss!
Susanne Herfurth ist selbst Mutter – von vier Kindern. Und genau wie Anna alleinerziehend. Damals, sagt sie, hätte sie selbst eine Mütterpflegerin dringend gebraucht.

Alleinerziehende Väter sind in Deutschland eine Minderheit. Der 41-jährige Marco etwa lebt allein mit seinen beiden Söhnen Maximilian (9) und Florian (10). Im Beitrag von Konrad Spremberg erzählt er, wie er gekündigt wurde, als seine Kinder im ersten Kitajahr ständig krank waren. Und dass er sich von der Politik benachteiligt fühlt, weil immer nur die Rede sei von alleinerziehenden Müttern.
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