Mülltrennung

Warum die kompostierbare Tüte nicht in die Biotonne darf

Blick in eine Biotonne, in der neben Obst und Gemüse auch Plastikabfälle zu sehen sind.
Immer mehr Plastik landet im Biomüll, deshalb wird es auch immer aufwändiger, sauberen Kompost herzustellen. © picture alliance / dpa / Christian Charisius
Von Ludger Fittkau · 20.09.2018
Aus dem, was in der Biotonne landet, entsteht Kompost. Soweit die Theorie. Doch in der Praxis wird die Kompostierung immer schwieriger. Plastikverpackungen aber auch kompostierbare Tüten werden immer mehr zum Problem.
In einer fußballfeldgroßen, an den Seiten offenen Halle mit Metalldach schaufelt ein Mann per Hand Kompost von einem Haufen auf den anderen. Handarbeit wird in der Kompostierungsanlage der Stadt Marburg an der Lahn immer noch groß geschrieben. Das liegt auch daran, dass immer mehr Plastiktüten und andere sogenannte "Störstoffe" in die Biotonne geworfen werden, die dann in der Kompostierungsanlage mühsam wieder aussortiert werden müssen. Mit großen Sieben, aber eben auch oftmals mit der Hand:
"Der Fehlwurf vom Nachbarn, der die Einstellung nicht hat: Okay, der schmeißt das ja auch mit einem Plastikbeutel da rein, kann ich auch machen. Nehme ich wieder die xy-Tüte vom Discounter, mache da meinen Bioabfall rein, dann tropft da nix raus und dann schmeiße ich es in die Biotonne rein, der macht das ja auch. Die Fehlwürfe sind enorm viel."
Sven Bratek ist der Mann ganz am Ende der Biomüll-Kette. Und er ist zornig darüber, dass die Menschen zu viele Plastikabfälle in die Biotonne werfen:
"Aber das ist unsere Gesellschaft mittlerweile und wir werden nur mit dramatischen Einschnitten so was ändern können, dass die Leute aufwachen und sagen: Ein bisschen weniger ist eigentlich mehr. Für uns und unsere Umwelt."

Mehr Verunreinigung - mehr Aufwand

Sven Bratek leitet die landschaftlich schön gelegene Marburger Kompostierungsanlage am Rande der Stadt. Die Arbeit mache ihm nach wie vor großen Spaß, sagt er. Wenn nur die Leute sorgsamer mit ihrem Biomüll umgehen würden:
"Ich bin Agraringenieur, ich habe Landwirtschaft in Gießen studiert, Umweltsicherung und Abfallwirtschaft. Betreibe diese Anlage seit 1995, bin Mann erster Stunde hier. Wir haben klein angefangen mit 4000 Tonnen. Jetzt sind wir bei 12.000, momentan im Genehmigungsverfahren für 14.000 Tonnen. Eine Biogas-Anlage ist dazu gekommen und wir haben noch eine zweite Kompostierungsanlage, eine Grünschnitt-Kompostierungsanlage, wo wir unsere Erden herstellen hier."
Das Problem: Weil immer mehr Plastik und andere nicht-organische Stoffe in der Biotonne landen, wird es immer aufwändiger, sauberen Kompost herzustellen. Und in Marburg soll der Kompost so sauber sein, dass er problemlos im Biolandbau verwendet werden kann.

Sven Bratek zeigt auf einen LKW, der gerade vom Gelände rollt:
"Wir müssen darauf achten, dass wir wirklich sehr saubere Komposte produzieren. Die können wir dann noch an Naturland- und Biolandbetriebe vermarkten. Und die sind da sehr, sehr gierig drauf, aber nur wenn gute Kompost-Qualitäten da sind. Aber es ist wirklich ein hartes Brot, diese Qualitäten zu produzieren. Und es ist auch mit enormen Kosten verbunden und mit einer hohen Reinigungstechnik, die wir hinten dran geschaltet haben."
Im Zweifel müssen die Plastiktüten, die achtlos in die Biotonne geworfen wurden, mit der Hand wieder aus dem Kompost herausgeholt werden.
Sven Bratek leitet die Marburger Kompostierungsanlage.
Sven Bratek ärgert sich über die ganzen Plastikmüll in der Biotonne.© Ludger Fittkau

Plastikteilchen landen im Kompost

Besonders ärgert sich Sven Bratek über die sogenannten biologisch abbaubaren Plastiktüten, die seine fünf Mitarbeiter immer wieder aus dem Bioabfall aussortieren müssen:
"Diese biologisch abbaubaren Plastiktüten oder – egal – aus Maisstärke oder Kartoffelstärke -, die werden auch bei uns in unseren Prozessen nicht abgebaut und da haben wir ein großes Problem. Also in den Vergärungsanlagen schon gar nicht, weil wir dort die Temperaturen und die Verweilzeit nicht haben. Auf Kompostierungsanlagen, auf modernen, ist es so, dass wir heute die Verweilzeit nicht mehr haben. Das heißt, wir machen nach einer Vergärung nur noch drei bis sechs Wochen Kompostierung, und danach geht das Material als Frischkompost raus."
Sven Bratek sieht es ebenso wie das hessischen Umweltministerium: Plastik – ob abbaubar oder nicht – gehört im Grunde niemals in den Kompost:
"Diese kleinen Plastikteilchen, die werden immer mehr, weil der Verbraucher und das ist leider unserer Wegwerfgesellschaft geschuldet, es einfach nicht versteht, dass – wenn wir gutes Biogut bekommen – also Biogut gleich Bioabfall, wir reden von Biogut, weil Bio ist gut, möchten wir natürlich auch sauberen Bioabfall oder auch Biogut bekommen und dementsprechend können wir auch gute Qualitäten produzieren."

In die Verbrennung statt in den Garten

Sven Bratek blutet es das Herz, wenn Teile seines wertvollen Biogutes in Biomasse-Kraftwerken verbrannt werden müssen, weil sie nicht rein genug für die Kompostierung sind:
"Je mehr ich absieben muss und je mehr ich aussortieren muss und das dann verbrannt werden muss, weil es eine holzige Fraktion ist, die kann in Biomasse-Kraftwerken verbrannt werden. Aber die Ressource Holz, oder was an Kompost noch dazwischen liegt, die kann nicht mehr genutzt werden aufgrund der Verunreinigung. Und wir könnten es so gut gebrauchen, in der Landwirtschaf, in den Gärten, im Garten- und Landschafsbau. Als Dünger für den Boden. Die Bodenfruchtbarkeit wird dadurch wirklich sehr, sehr stark gefördert."
Sven Bratek sieht auch die Kommunen in der Verantwortung, ihren Bürgern immer wieder den richtigen Umgang mit dem Biomüll zu vermitteln:
"Die Leute müssten eigentlich prinzipiell ständig sensibilisiert werden. Sie vergessen relativ schnell, was da rein darf und was nicht. Es ist manchmal aber auch so, dass man Kommunen hat, die ein falsches Sammelsystem haben, die haben eine zu kleine Restmülltonne zum Beispiel. Und dann wird gesagt: Okay, meine Restmüll-Tonne ist zu schnell voll und dann schmeiße ich das in eine andere Tonne, da ist ja noch Platz. Dann geht das automatisch in die Biotonne rein. Haben wir jetzt hier in Marburg nicht, aber die Kommunen, die sind eigentlich gehalten, immer wieder in der Öffentlichkeit begleitend den Bürger zu erinnern, sauber zu trennen. Dann können wir auch unsere Ressourcen, die wir haben, wirklich sinnvoll nutzen und vollständig nutzen."
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