"Morddrohungen gibt es bei uns auch regelmäßig"

17.04.2012
Sabine Schiffer, Leiterin des Erlanger Instituts für Medienverantwortung, hat davor gewarnt, dem norwegischen Attentäter Breivik eine zu große Medienpräsenz zu gestatten. Es gebe einen islamfeindlichen Bodensatz in der Bevölkerung, der sich durch Breiviks Thesen bestätigt fühlen könnte.
Laut einer US-Studie habe es bereits vor der Tat Breiviks internationale Verbindungen rechtsextremistischer Kreise gegeben, die über das Thema Islamhass zusammengefunden hätten. Doch die rassistische Botschaft, die aus Breiviks Taten spricht, entfalte ihre Wirkung über die rechte Szene hinaus, sagte Schiffer, die im Internet unter anderem auch anti-islamische Webseiten und Blogs beobachtet. Auch in der Bevölkerung gebe es einen "Bodensatz", der wie Breivik einen "Selbstverteidigungsmythos" propagiere und damit breitere Schichten ansprechen wolle:

"Rassismus hat nach etlichen Studien im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise und Abstiegsängsten zugenommen, so dass man darauf hofft, einen breiteren Boden auch für zukünftige Wählbarkeit zu finden."

Offiziell würden die Mordtaten Breiviks in nationalistischen und rechtsextremistischen Kreisen abgelehnt, sagte Schiffer, doch die vom Attentäter vermittelten Inhalte würden gutgeheißen. So werde innerhalb der Szene immer wieder betont, dass die Taten gar nicht nötig gewesen wären, wenn man die Überfremdung Europas nicht zugelassen hätte.

Deutschland sei vor solchen Taten nicht gefeit, denn "ein Spinner reicht ja aus". So gebe es Internet-Pranger, wie zum Beispiel "Nürnberg 2.0", auf denen Steckbriefe von so genannten Volksverrätern gesammelt werden, weil sie nichts getan hätten, "um unsere Heimat zu verteidigen". Wie Schiffer sagte, ist ihr Name und der von Kollegen ebenfalls auf solchen Listen zu finden:

"Ich neige jetzt nicht dazu, in Panik zu verfallen, aber Morddrohungen gibt es bei uns auch regelmäßig."

Hinsichtlich der medialen Berichterstattung zum Breivik-Prozess ist Schiffer skeptisch. Die Live-Berichterstattung aus dem Gerichtssaal sei problematisch:

"Es geht hier nicht um eine komplette Tabuisierung oder so etwas, sondern es geht darum, dass man sich bewusst ist: Ja, hier hat er eine Möglichkeit, selbstbestimmt in die Welt hinaus zu posaunen, was er möchte, und die Dinge, die da sind, die kann man nicht mehr zurückrufen."
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