Modetrends

Muskelbepackte Vampirfilm-Statisten

David Roth (l) und Jakob Haupt betreiben gemeinsam das Mode-Blog "Dandy Diary".
David Roth (l) und Jakob Haupt betreiben gemeinsam das Mode-Blog "Dandy Diary". © picture alliance / dpa / Lukas Schulze
David Roth im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 19.01.2015
Schwarz, funktional, trainiert und maskulin: Zum Beginn der Fashion Week hat der Mode- und Lifestyle-Blogger David Roth "Health-Goth" als prägenden Trend in der Männermode identifiziert.
Liane von Billerbeck: Wie wollen wir leben? Über diese große Frage machen wir eine kleine Reihe in dieser Woche. Wir haben schon übers Essen und übers Wohnen gesprochen, und heute soll es um die Frage gehen: Wie wollen wir uns kleiden, was wollen wir anziehen? Der Grund ist natürlich, in Berlin laufen derzeit Models über die Catwalks während der diesjährigen Fashion Week. Und wo die Modetrends entstehen, das wollen wir von dem Mode- und Lifestyle-Blogger David Roth wissen, denn dessen Blog "Dandy Diary", das ist quasi aus Frust entstanden, weil es keinen Blog über deutsche Männermode gab. Guten Tag, Herr Roth!
David Roth: Hallo, hier ist der David!
von Billerbeck: Diese Woche ist Fashion Week in Berlin. Ist das für Sie ein Standardtermin?
Roth: Das ist auf jeden Fall ein Termin, der wichtig ist im Jahr, wobei ich nicht sagen würde, dass die Mode als solche im Vergleich zu den internationalen Modewochen wichtig ist. Aber das ist natürlich ein Termin, auf den man sich freut, wo was los ist und wir auch jede Saison die Eröffnungsparty machen, insofern sehr hektisch und sehr wild auch immer wieder.
von Billerbeck: Was tragen Sie denn zur Fashion Week?
Roth: Was trage ich zur Fashion Week? Also im Moment habe ich eine Phase, eigentlich die letzten zwei Jahre, die ganz, ganz stark durch Sportswear geprägt ist, und in den letzten Wochen eigentlich durch einen Trend, der Health Goth heißt. Das heißt, man sieht eigentlich aus wie ein Gothic, der ins Fitnessstudio geht. Also alles sehr dunkel gehalten, aber auf dem höchsten Stand, das heißt, High-Tech-Sachen von Nike und Adidas. So in die Richtung sehe ich im Moment aus und werde auch bei der Fashion Week so aussehen.
von Billerbeck: Wie ein Goth, der ins Fitnessstudio geht, sehen Sie aus – Sie gehen aber nicht ins Fitnessstudio, oder?
Roth: Ich gehe auch ins Fitnessstudio. Das ist auch etwas, was sich eigentlich über die Jahre verändert hat. Also vor, na gut, fünf Jahren, war noch der Indy-Boy angesagt, der Künstlertyp, der einfach verwegen in der Ecke am liebsten Gedichte schreibt oder mit der Gitarre sitzt. Und jetzt ist es aber auch wieder Zeit, als Mann sehr wohl an sich zu arbeiten, Disziplin am Körper. Das sieht man ja auch an Managern, an hohen Tieren, die um sechs aufstehen und joggen gehen. Also da hat sich auch, gab es einen ziemlichen Wandel, würde ich sagen.
von Billerbeck: Das finde ich interessant. Also vor ein paar Jahren waren Sie noch der nette junge Mann, der Gitarre spielt und Gedichte schreibt, auch optisch, und jetzt sind Sie der dunkle, Sportstudio-aufsuchende, seinen Körper optimierende junge Mann. Wie kann man denn so einen Wandel mal eben so schnell alle paar Jahre durchführen?
Roth: Na gut, die Mode steht ja nicht still. Das finde ich eigentlich das Faszinierende an der Mode. In der Mode geht es nicht um die Vergangenheit, es sei denn, es ist eine modische Interpretation der Vergangenheit, sondern es geht immer um das Neue, und damit auch Wandel verbunden. Und der Mann heute ist einfach wieder mehr Mann, mehr maskulin. Und das geht natürlich einher mit wieder einem gestählten Körper und nicht etwas vermeintlich Verweichlichtes, was vielleicht vor ein paar Jahren noch angesagt war, wo es ausreicht, dass man den Künstlertyp mimt. Sondern jetzt muss man auch noch Muskeln dazu haben, ja.
von Billerbeck: Also man mimt jetzt den Mann und muss die Muskeln dafür haben, und deshalb muss man ins Sportstudio, weil die Mode eben so ist wie sie ist.
Roth: Sollte man schon. Also eben hatten Sie ja gesagt, von Optimierungen, und das ist eigentlich ein wichtiger Begriff. Ich würde sagen, die Mode ist natürlich immer wieder ein Teil eines ganzen Trends, einer Bewegung, und wir haben ja eigentlich im Moment, von den USA herüberschwappend, den Trend der Selbstoptimierung, und das heißt, alles wird gemessen: Wie viele Schritte gehe ich, wie lange schlafe ich, wie viel wiege ich?
von Billerbeck: Machen Sie das auch alles?
Roth: Das mache ich nicht, aber ich finde es spannend, dass das ein Trend ist, den wir jetzt vielleicht seit ein, zwei Jahren hatten. Und die Mode ist da ein Stück weit ein Abbild, dass Jungs auf einmal High-Tech-Stoffe tragen, als würden sie ins Fitnessstudio gehen, aber auf dem Weg der Optimierung. Und das sehe ich da ein bisschen als modische Variante vom Trend der Selbstoptimierung.
von Billerbeck: Für mich klingt das einigermaßen gruselig, dieses Wort der Selbstoptimierung, muss ich sagen. Wenn man das mal so in der Modegeschichte betrachtet, dann war ja der Trend zum perfekten Körper, der ist ja eigentlich nichts Neues. In der Mode sind immer die extrem gut proportionierten, besonders schönen Menschen diejenigen gewesen, die die Modetrends getragen haben. Was ist denn neu an dieser Selbstoptimierung, wie Sie das nennen?
Roth: Selbstoptimierung ist schon als übergreifender Trend neu. Das heißt, der moderne Mensch hat immer weniger Zeit, sich zu verbessern, ist im Grunde genommen immer danach aus, stärker, schneller, besser, schöner auszusehen. Und das ist schon etwas, gerade mit diesen Fakten arbeiten, dass ich mir aufliste – das ist schon etwas Neues. Und natürlich geht es immer in der Mode um den perfekten Körper, doch der perfekte Körper ist natürlich je nach Jahrzehnt, oder das Ideal verändert sich natürlich. Vor Jahren hatten wir noch einfach die ganz, ganz ausschließlich dünnen Jungs auf den Laufstegen. Wenn man sich heute die progressiven Designer anschaut, wen die als Models auswählen, zum Beispiel in London, dann sind das fast mehr prollige Jungs, die man vielleicht eher in Berlin in Marzahn, in Neukölln vermuten, also mehr wieder "Mann".
von Billerbeck: Gefällt Ihnen denn dieser Trend? Beschreiben Sie das doch mal bitte noch mal konkret. Sie hatten gesagt, sieht aus wie ein Gothic, also ganz schwarz, und gleichzeitig steckt das Wort "Health", also Gesundheit drin – wie sieht das aus? Wie müssen wir uns das konkret vorstellen? Was sind das für Klamotten?
Roth: Ja, wie kann man es am besten beschreiben. Das ist eigentlich Sportswear, aber auf einem hochtechnischen Niveau. Und ursprünglich kommt der Trend, und das ist eigentlich auch spannend, aus dem Internet. All die Bewegungen, Gothic, Hippy und so weiter, das sind ja Bewegungen, die sind auf der Straße, in den Clubs entstanden, auch immer wieder als Revolution gegen die Eltern und so weiter. Und Health Goth ist jetzt der zweite Trend, der ausschließlich im Internet entstanden ist. Und er ist so entstanden, dass zwei Jungs in Portland eine Facebook-Seite gegründet haben und da all das gepostet haben, was in die Ästhetik von Health Goth für sie passt. Und da gehen zum Beispiel das ganze Bionic Wear, also was Leistungssportler tragen würden. Das sind hautenge, mit Membranen versehene Oberteile. Das sind thermoaktive – es ist Funktionalität. War ja lange Zeit das totale No-go. Funktionalität war das, was unsere Eltern getragen haben, wenn sie auf Wanderschaft gehen, um da irgendwie ein gutes Gefühl zu haben. Aber heute ist Funktionalität auch im Rahmen von dem ganzen Health-Goth-Trend nicht nur ein schöner Nebeneffekt, sondern ist maßgeblich wichtig für den Look. Und auch für die Selbstoptimierung. Was fällt noch da drunter? Also es steht – einfach schwarze, sportliche Schuhe, transparente Stoffe, Neopren-Material ...
von Billerbeck: Das wirkt auch so ein bisschen militärisch auf mich.
Roth: Das wirkt auf jeden Fall auch militärisch, was ja auch immer wieder interessant zu sehen ist. Vor Kurzem habe ich einen Artikel gelesen über die IS, ob die die Mode beeinflusst mit ihrer Ästhetik, was ja auch ...
von Billerbeck: Genau das war auch mein Eindruck, genau diese schwarzen, uniformartigen, verschleierten Gestalten.
Roth: Genau. Und das fand ich eigentlich eine interessante Frage auch, die aufkam, war: Beeinflusst die IS die Mode oder ist die IS beeinflusst von der Mode? Weil ja viele IS-Leute auch aus der westlichen Welt kommen und hingehen zum IS. Und ich glaube –
von Billerbeck: Und wie lautet Ihre Antwort?
Roth: Was wir auf jeden Fall haben. Ich glaube nicht, dass der IS, mit dem IS dieses Militärische Einzug in die Mode wieder stärker fand, sondern wir sind einfach seit 9/11 haben wir einfach so deutlich wie nie zuvor dieses Bild vom Terrorist immer wieder in den Medien. Und die Mode reagiert immer wieder auf Zeitgeist, auf das, was gegeben wird, um was es geht. Und wir sehen ständig diese Bilder vor uns von Vermummten, und daraufhin gab es ganz, ganz viele Designer, die ihre Models vermummt auf den Laufsteg geschickt haben. Und ich glaube, das ist einfach eine Konsequenz, ein Reagieren auf diese Omnipräsenz des Terroristen und der damit einher gehenden Ästhetik des Terroristen. Also vermummt, kampfbereit – all das packt es eigentlich.
von Billerbeck: David Roth war das, der Mode- und Lifestyle-Blogger, über die aktuellen Modetrends. Danke Ihnen!
Roth: Vielen Dank!
von Billerbeck: Sein Blog heißt übrigens "Dandy Diary". Sie können natürlich dort nachsehen oder auch bei uns unter deutschlandradiokultur.de.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema