Modernisierer der spanischen Literatur

Von Julia Macher · 25.11.2012
Lope de Vega zählt zu den wichtigsten Schriftstellern des Goldenen Zeitalters der spanischen Literatur. Er modernisierte das Theater, in dem er eine neue Sprache und neue Formen auf die Bühne brachte. Vor 450 Jahren wurde er in Spanien geboren.
"Ein Genius lehrte mich von der Wiege an, Verse zu machen, und schon in meinem elften und zwölften Jahre schrieb ich Komödien von vier Akten."

Mangelnde Produktivität kann man Lope de Vega nicht vorwerfen. 1500 Theaterstücke soll der Spanier zeit seines Lebens verfasst haben, 500 davon sind erhalten: So viel schrieb sonst kein Dichter des Goldenen Zeitalters. Da wundert es nicht, dass Cervantes ihn "das Monster" nannte.

Geboren wurde Felix Lope de Vega Carpio am 25. November 1562 in Madrid. Der Vater, ein Kunststicker, war mit seiner Frau aus Nordspanien in die junge Hauptstadt eingewandert. Die Eltern vertrauten Lopes Erziehung den Jesuiten an. Er studierte, trat in den Dienst des Bischofs Jerónimo Manrique, arbeitete als Sekretär für diverse Adelshäuser. Hauptsächlich aber schrieb er Theaterstücke für die "Corrales", die Freilichtbühnen in den Madrider Innenhöfen, mit denen religiöse Bruderschaften die von ihnen betriebenen Hospitäler finanzierten. Da das Programm alle zwei, drei Tage wechselte, war der Bedarf an neuen Stücken immens. Im Publikum saßen Adelsfräulein ebenso wie Kaufleute, einfache Soldaten ebenso wie Kinder – und Lope de Vega war ein Meister darin, die unterschiedlichen Geschmäcker zu bedienen. Alberto Blecua ist Mitherausgeber des Gesamtwerkes von Lope de Vega.

"Lope de Vega schreibt sowohl für die gebildete Elite wie auch fürs große Publikum – und eben das ist das Kunststück. Die Brücke bildet oft die Figur des ‚Gracioso’, des ‚Lustigen’. Er ist das Gegenstück zum erhabenen Helden: Der Gracioso trinkt gerne, isst gerne, liebt Frauen, ist sinnlich. Das Publikum sieht sich selbst zwischen diesen beiden Polen, an die moralische Erhabenheit des Helden kommt es nicht heran, aber es steht über dem Lustigen."

Nicht nur der "Gracioso" brach Konventionen: Lope de Vega löste auch die aristotelische Einheit von Zeit, Ort und Handlung auf, mischte Tragisches mit Komischem und ließ seine Figuren in einer bis dahin unbekannten stilistischen Vielfalt sprechen. Die Gelehrten an den Universitäten rümpften darüber die Nase, das Publikum liebte de Vega. 1609 fasste er seine literarischen Grundsätze im Traktat "Arte Nuevo de hacer comedias", die "neue Kunst der Komödiendichtung" zusammen:
"Spricht der König, imitiere so gut es geht seine majestätische Würde. Spricht ein Alter, lass ihn bedächtig und bescheiden sprechen. Die Liebenden beschreibe so, dass jeder der sie hört, in Verzückung gerät."

Liebe und Ehre, die großen Themen von Lope de Vegas Stücken, Romanen und Gedichten, finden ihre Entsprechung in seiner Biografie. Seine Affären - zuerst die mit der verheirateten Elena de Osorio, der er in "La Dorotea" ein literarisches Denkmal setzte, später mit der von ihm entführten Isabel de Urbína - waren Stadtgespräch. Die üblen Spottgedichte, mit denen er De Osorios Familie nach dem Ende der Beziehung schmähte, bescherten ihm zwei Jahre in der Verbannung. Mit 53 Jahren ließ sich der Dichter dann zum Priester weihen – und verliebte sich noch einmal unsterblich, in die verheiratete Marta de Nevares. Sie ist die "Amarilis" in seinen Sonetten.

Lope de Vega starb am 25. August 1635 im Alter von 73 Jahren. Seine langjährige Stelle als Hofschreiber übernahm Pedro Calderón de la Barca, der wegen seiner tiefgründigen Stücke als Philosoph des spanischen Theaters gilt. Lope de Vega dagegen bleibt der populärste spanische Dramatiker und – so Alberto Blecua – ein in manchem unterschätzter Wegbereiter der Moderne:

"Streng genommen ist Lope ein sehr zeitgenössischer Autor. Er arbeitet konzeptionell, jedes Wortspiel steht auf subtile Weise für etwas Übergeordnetes. Und: streng genommen ist er auch der Erfinder der amerikanischen Komödie. Diese turbulenten Verwicklungsgeschichten um drei Paare - das ist doch purer Lope de Vega."

Auch wenn die Stücke des Barockautors eher selten auf der Bühne zu sehen sind: in Form, Tempo und sprachlicher Konzeption wirkt das Erbe des Theatererneuerers bis heute nach.