Mobilität

Der Elektro-LKW rechnet sich (noch) nicht

Ein Elektrofahrzeug tankt an einer Stromtankstelle, aufgenommen am 26.06.2015 am Köln Bonn Airport.
Ein Elektrofahrzeug tankt an einer Stromtankstelle. © Horst Galuschka / dpa
Von Anja Nehls · 30.03.2016
Bis 2020 sollen auf deutschen Straßen eine Million Elektrofahrzeuge rollen, doch bisher sind es lediglich 35.000. Ob die Vorbehalte berechtigt sind, wollte ein Spediteur einer großen Diesel-LKW-Flotte wissen: Zwei seiner LKW fahren nun elektrisch.
Es ist stockdunkel, kurz vor vier. Groß wie zehn Fußballfelder ist das Lebensmittellager nördlich von Berlin. Etwas abseits in einer Ecke steht ein LKW. Jörg Dunekamp ist der Fahrer. Ein schlanker, besonnener Typ mit jahrzehntelanger Berufserfahrung. Bevor er einsteigt, zieht er einen großen Stecker aus dem LKW:

"Also über Nacht steht er hier am Strom zum Laden, für die Akkus, das dauert 8 bis 10 Stunden, bis die Akkus wieder vollständig geladen sind. Das ist schon was ganz Besonderes."
Auf der Seite prangt ein knallgrüner Aufdruck: 100 Prozent Frische, 100 Prozent Grünstrom, 0 Prozent Emission. Den ersten Elektro-LKW betreibt die Logistikfirma Meyer.
Fast lautlos setzt sich der 18-Tonner in Bewegung, Richtung Laderampe. Dort wird eingeladen, was die Berliner REWE-Supermärkte benötigen, die Jörg Dunekamp beliefert.
Dabei muss der Betreiber Kompromisse machen: Weil die Akkus für den Strom und die Kühlung fast drei Tonnen wiegen, können nur noch sieben Tonnen Lebensmittel zugeladen werden. Eineinhalb Tonnen weniger als bei einem normalen Diesel-LKW: Dunekamp schiebt einen Rollcontainer mit Obst und Gemüse, Milchprodukten und Käse auf die Fläche. Los geht’s. 85 km/h schafft der Wagen. Dunekamp wirkt entspannt:
"Sieben, für den Fahrer fantastisch. Von der Geräuschkulisse her da gibt’s nichts Besseres."

Geringere Reichweite als gedacht

Nach ein paar Minuten Autobahn hat der LKW die Berliner Stadtgrenze erreicht, rollt leise weiter durch noch schlafende Wohngebiete in Richtung Friedrichstraße. Der Halt vor den Ampeln ist ebenfalls von Vorteil. Denn mit Hilfe eines speziellen Pedals kann Jörg Dunekamp bei jedem Bremsvorgang Energie für die Akkus zurückgewinnen:
"Und das macht sich auch bemerkbar hier in der Stadt. Hier in der Stadt habe ich lange nicht so einen hohen Energieverbrauch, als wenn jetzt direkt nur auf der Autobahn draußen fahre. Wir haben hier eine Energieverbrauchsanzeige im Fahrzeug und auch 'ne Kilometeranzeige von der Reichweite her. Wenn die Batterien hier alle sind, dann bleibt das Fahrzeug auch stehen."
Noch 147 km, zeigt das kleine blaue Display. Das reicht für zwei Touren hin und zurück. Von 350 km Reichweite, wie ursprünglich gedacht, kann allerdings keine Rede sein.
Nach dem ersten Halt geht es heute allerdings nicht weiter zum nächsten Supermarkt, sondern in die speditionseigene Werkstatt. Der halbjährliche Routinecheck steht an. Nach einer Stunde Autobahnfahrt öffnet Werkstattmeister Fred Krüger Jörg Dunekamp das große Rolltor.
Krüger ist ein bulliger Typ mit grauem Bart, grauen Haaren und großer Umsicht. Da das Hantieren mit den Akkus lebensgefährlich sein kann, hat er sich in die spezielle LKW-Technik eingearbeitet.
Als erstes kippt er das Fahrerhaus nach vorne, um das komplizierte Innenleben, Kabel und Anschlüsse zu überprüfen:

"Hier in der Einheit wird der 400 Volt-Gleichstrom umgewandelt in Wechselstrom, so dass der Wechselstrom genutzt werden kann zum Antrieb des Fahrzeugs. Bei dieser hohen Voltzahl, 400 Volt, ist natürlich Lebensgefahr angesagt und sobald eine technische Störung ist, eine Panne ist, muss das Fahrzeug stehen bleiben und das Teil ausgewechselt werden. Zwingend notwendig."

Keine finanzielle Förderung

Viele Pannen gab es bisher noch nicht. Werkstattmeister Krüger ist sichtlich stolz:
"Das ist Pionierarbeit, es ist einfach ganz was Neues. Wir sind im Schnitt im halben Jahr mit zwei Ausfalltagen hingekommen, das ist für ein Fahrzeug, was noch nie woanders gelaufen ist, was komplett neu ist, schon sensationell."
Den Sicherheitscheck hat der LKW bestanden. Im Büro genau über der Werkstatt ist Speditionschef Matthias Strehl allerdings nicht in allen Punkten zufrieden. Mit 350.000 Euro hat der LKW dreimal so viel gekostet wie ein vergleichbarer Diesel.
"Ja, dass es teuer wird, war uns bewusst gewesen, aber wir haben eine gewisse Verantwortung der Umwelt gegenüber, unserem Job gegenüber und wir müssen uns einfach über alternative Antriebskonzepte Gedanken machen."
Dennoch fahren von seinen über 1000 LKW derzeit nur zwei elektrisch. Damit es mehr werden, müsste sich der Einsatz betriebswirtschaftlich rechnen:
"Die Zeit wird es zeigen, wenn wir z.B. das Thema Verschleißteile uns anschauen, Öl, was wir nicht brauchen werden usw. Bei der Steuer ist es so, dass wir 10 Jahre Steuerfreiheit haben, das ist vorteilhaft und beim Verbrauch auch."
Eine finanzielle Förderung gibt es bislang nicht, auch keine Befreiung von der LKW-Maut. Die wünscht sich Strehl. Genauso wie eine Erlaubnis, die Berliner Busspuren benutzen zu dürfen, wie es für Elektro-PKW selbstverständlich ist.
Wenn sich der Einsatz der Elektro-LKW wirklich lohnt, will der Spediteur noch mehr davon einsetzen. Vorläufig wird es bei zweien bleiben.
Mehr zum Thema