Mit dem zweiten Film zur Berlinale

Benjamin Heisenberg im Gespräch mit Katrin Heise · 10.02.2010
Eigentlich wollte Benjamin Heisenberg Bildhauer werden. Doch dann wurde er mit seinem ersten Film "Schläfer" zum Filmfestival nach Cannes eingeladen. In diesem Jahr läuft sein Actionfilm "Der Räuber" über einen Marathonläufer und Bankräuber im Wettbewerb der Berlinale.
Katrin Heise: Benjamin Heisenberg ist geboren worden 1974 in Tübingen. Er hat Bildhauerei bei Olaf Metzel in München studiert, war dort Assistent am Lehrstuhl für Kunstgeschichte und hat auch einen Debütantenpreis erhalten. Guten Tag, Benjamin Heisenberg, schön, dass Sie da sind?

Benjamin Heisenberg: Hallo!

Heise: Das klingt jetzt erst mal überhaupt nicht nach der Karriere als Filmregisseur. Wann sind Sie zum Film gekommen und von der Bildhauerei weg?

Heisenberg: Ja, das ist eine gute Frage. Ich habe nicht damit gerechnet sozusagen, Filmemacher zu werden. Ich bin nicht ein Filmemacher wie andere, die mit 13 schon die erste Kamera in der Hand haben und dann irgendwie denken, sie wissen schon genau, wo sie hinwollen, sondern das hat sich bei mir aus der Kunst heraus ergeben. Das waren einfach Arbeiten, die immer erzählerischer wurden. Ich habe einige Collagen gemacht, ich habe auch so Art Fabeln erzählt mit ausgestopften Tieren, die ich arrangiert habe miteinander. Und daraus ist irgendwann der Wunsch entstanden, eine Art Film zu machen, der erst mal mit Piktogrammen arbeitete, die zu einem Gedicht angeordnet wurden, und dann habe ich daraus den weiteren Wunsch entwickelt, einen Kurzfilm zu machen. Und diesen Kurzfilm habe ich dann relativ aufwendig auf 16 Millimeter damals gedreht, der hat mich auch all mein Erspartes gekostet, und der war dann im Endeffekt die Eintrittskarte sozusagen in die Filmhochschule. Also ich habe dann ein Jahr parallel Filmhochschule dann studiert zur Kunstakademie am Ende.

Heise: Und da ist dann, hat sich dann der Weg so ein bisschen gespalten jedenfalls, also Hochschule für Fernsehen und Film in München. Vor fünf Jahren haben Sie die abgeschlossen mit Ihrem ersten Spielfilm "Der Schläfer", und für den haben Sie dann gleich den Max-Ophüls-Preis bekommen. Waren Sie eigentlich damals über diesen Erfolg überrascht? Ich meine, der erste Kurzfilm ist gleich die Eintrittskarte für die Filmhochschule, ist ja auch nicht unbedingt das Gängige, sondern ein großes, großes Glück. Und dann der erste Spielfilm, die Abschlussarbeit, gleich mit einem Preis.

Heisenberg: Absolut, das war fantastisch! Also für mich war sozusagen, der erste Preis für den "Schläfer" war eigentlich die Teilnahme in Cannes. Cannes war für mich erst mal das ganz Tolle, weil Cannes war für mich immer so eine Art Filmolymp sozusagen, weil da so viele tolle Leute ihre Premiere hatten. Na ja, und der Ophüls-Preis war natürlich der Hammer, das war nicht zu erwarten sozusagen, und das sind immer schöne sozusagen goldene Bären, die vom Himmel fallen.

Heise: Ja, und jetzt der Goldene Bär, der Kampf um den Goldenen Bären, den sind Sie ja jetzt auch angegangen oder wollen Sie angehen mit Ihrem zweiten Spielfilm – es ist eben auch erst der zweite Spielfilm – "Der Räuber" treten Sie bei der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb an neben beispielsweise Roehler, neben Polanski, Scorsese und so weiter. Gibt es da nicht so was wie ein flaues Gefühl, wenn man solche Namen dann hört und damit konkurrieren will?

Heisenberg: Ich weiß nicht so recht. Also es ist total spannend. Ein flaues Gefühl habe ich nicht. Sozusagen dadurch, dass ich den Film mag und jetzt keinerlei irgendwie Schwierigkeiten habe, den zu vertreten sozusagen, ist es für mich jetzt nicht so schwierig, dazustehen und zu sagen, ich habe den gemacht und ich laufe jetzt neben diesen Größen. Gleichzeitig ist es natürlich super, ich bin sehr gespannt, was die internationale Presse auch sagt. Es war für uns auch sehr spannend, wie reagiert die deutsche Presse, die ist ja oft deutschen Filmen gegenüber eher kritisch. Insofern ist es total aufregend, aber sozusagen eine Angst habe ich keine.

Heise: Sie haben ja jetzt auch schon einen Preis für diesen Film bekommen in Bayern, den Bayerischen Filmpreis, also von daher natürlich auch schon mit so ein bisschen Vorschusslorbeeren vielleicht oder mit auf jeden Fall einem besseren Gefühl wahrscheinlich dann in diesem Wettkampf oder Wettbewerb. Wie Sie es eben beschrieben haben, Sie fühlen sich reif für dieses Parkett?

Heisenberg: Vielleicht kann man das so sagen. Ja also sagen wir mal so: Nachdem der erste Film in Cannes war, was ja schon eine große Überraschung war – und das ist für einen Erstling wirklich sozusagen der Sechser im Lotto –, dann weiß man, dass man, wenn der nächste Film jetzt nicht ein völliger Zusammenbruch ist, künstlerisch, dass man dann die Chance hat, in einen Wettbewerb zu kommen. Insofern gab es bis zu einem gewissen Grad das Ziel, das zu schaffen. Und insofern, nachdem wir in Cannes waren, hatte ich das Gefühl, das kann passieren, und sich reif fühlen, gut, das klingt hochtrabend, aber wahrscheinlich war es so, ja.

Heise: Das heißt, so wie Sie es beschreiben und so, wie man es sich auch vorstellt, sind solche Preise, überhaupt auch Einladungen auf Wettbewerbe der absolute Türöffner für das überhaupt Weitermachen an so einer Karriere?

Heisenberg: Absolut, absolut. Also man wird komplett anders sozusagen behandelt danach. Das sind eben wie eine kleine Weihe, die man kriegt. Die Festivals, die fungieren da ja sozusagen als eine Trennfunktion. Da bewerben sich so viele Filme für solche Festivals, und je höher man will sozusagen, umso mehr Filme wollen da auch hin. Und das heißt, wenn man da genommen wird, dann gerät man ganz automatisch auch in der Branche in einen anderen Fokus von anderen Leuten, die andere Filme machen. Und insofern hat man dann auch andere Erwartungen irgendwann, ja, klar.

Heise: Das stimmt, man wird natürlich auch mit anderen Erwartungen konfrontiert. Also es ist nicht immer nur das Türenöffnen, sondern man steht plötzlich auch vor einer großen Hürde vielleicht. Andererseits öffnen sich natürlich auch finanzielle Beutel.

Heisenberg: Absolut, absolut. Also die Finanzierungen werden definitiv leichter. Gleichzeitig ist es so – das hat mir zum Beispiel der Herr Haneke gesagt –, wenn ein Film misslingt, dann schaut einen plötzlich niemand mehr an, also das muss man auch klar sehen. Jeder Film macht wieder seine eigene neue Geschichte, und nach einem Flop sozusagen wieder frisch anzufangen und den nächsten Film zu machen und auch zu finanzieren, kann unglaublich schwierig sein. Also insofern, in dem Moment, wo es gut läuft, hat man auf jeden Fall bessere Karten für den nächsten Film, in dem Moment, wo es nicht mehr so gut läuft, wird es dann haarig.

Heise: Morgen beginnt die Berlinale. Über die Bedeutung des internationalen Filmfestivals für den Nachwuchs unterhalte ich mich im Deutschlandradio Kultur mit dem Filmemacher Benjamin Heisenberg. Sein Film "Der Räuber" läuft im Wettbewerb. Ihren Film, darüber werden wir hier im Deutschlandradio Kultur im Rahmen unserer ganzen Berlinale-Berichterstattung noch genau vorstellen. Wir wollten jetzt über die anderen, über die Hintergründe eigentlich mehr sprechen, aber da ist natürlich Inhalt eines Films auch sehr wichtig. Wie wählen Sie Ihre Stoffe aus, denn es gibt ja schon einen großen Unterschied, ob man jetzt an der Kunst-, an der Filmhochschule einen Abschlussfilm dreht, und da vielleicht sehr künstlerisch ambitioniert ist, oder ob man ein Publikum erreichen will. Was schwebt Ihnen vor?

Heisenberg: Also grundsätzlich gehe ich da nach dem Lustprinzip, also ich schaue, ob – das kann ja was ganz Politisches sein, es kann was ganz Emotionales sein, und es kann was sein, was jetzt wie "Der Räuber" fast eine Action-Geschichte eigentlich ist.

Heise: Die Geschichte eines Marathonläufers und Kriminellen in Österreich.

Heisenberg: Genau. Also da gehe ich sehr intuitiv sozusagen vor und schaue, was mich an diesen Themen wirklich reizt, da gibt es sozusagen, mache ich keine Rechnung so sehr auf, was dann halt am Markt so besonders erfolgreich ist. Natürlich, so eine Geschichte von einem Marathon laufenden Bankräuber zum Beispiel, da hat man schon das Gefühl, das könnte funktionieren im Markt. Das ist etwas, was bestimmt einige Leute irgendwie interessiert oder einigen Leuten Spaß macht. Das Letzte war ein sehr politischer Film, das hatte mit persönlichen Interessen für dieses Thema – Angst nach dem 11. September, Angst vor Terror und so weiter – zu tun ...

Heise: Aber auch Angst vor Überwachung.

Heisenberg: Angst vor Überwachung, absolut.

Heise: Also "Der Schläfer", der Inhalt des "Schläfers".

Heisenberg: Genau – und das Nächste wird wahrscheinlich eine Komödie werden, die wieder ganz woanders landet. Also insofern ist es wirklich breit gefächert und ich lasse mich da einfach von meiner Lust leiten.

Heise: Das klingt sehr einfach, aber so einfach ist es ja nun ganz und gar nicht. Ich meine, es gibt so viele Talente, die an Filmhochschulen sitzen, studieren, mit so vielen guten Ideen und Geschichten, die sicherlich erzählt werden sollen, die aber niemals auch nur bis ins kleinste Vorstadtkino kommen. Wo stellen sich die Weichen?

Heisenberg: Also sagen wir mal so: Ich glaube, durch die Kunst hatte ich einen gewissen Vorteil, und der ist, dass ich gelernt hatte, sozusagen mit dem Nichts umzugehen. Also wenn man einfach alleine zu Hause sitzt und niemand einem sagt, tu dies oder tu jenes, dann muss man sozusagen aus sich selbst heraus Arbeiten schaffen und kreieren können sozusagen. Und das ist am Anfang in der Filmhochschule für viele Leute ein riesiges Problem. Die haben dieses Studium, da wird sozusagen ein Kurs nach dem anderen abgehakt, und danach sitzen sie irgendwann zu Hause und sollen dann ihren ersten Spielfilm schreiben, und nichts passiert. Sie haben dann ein Loch sozusagen. Das andere, was wir, und damit meine ich Christoph Hochhäusler und Jens Börner, Sebastian Kutzli und ich, als Vorteil hatten – aber vor allem Christoph Hochhäusler, auch Filmemacher, und ich –, war, dass durch die Filmzeitschrift, die wir gegründet haben – wir haben eine Filmzeitschrift, den "Revolver", gegründet, eine Filmzeitschrift, kam irgendwann mal bei mir der Anruf von Burkhard Althoff vom ZDF von der Redaktion des "Kleinen Fernsehspiels": Ich habe Ihre Zeitschrift gelesen, finde die ganz toll, würde Sie gerne kennenlernen und wissen, was Sie für Projekte planen.

Heise: Also man muss umtriebig sein, man muss in der Szene drin sein?

Heisenberg: Genau, auf jeden Fall, und Erfolge auf Festivals mit Kurzfilmen helfen natürlich. Das war bei mir nicht der Fall, muss man sagen. Meine Kurzfilme sind nicht besonders gelaufen, also auf fast keinen Festivals. Aber diese Sache, dass ein Redakteur bei einem anruft und sich für einen interessiert, ist natürlich ein absoluter Glücksfall. Und wir haben die Zeitschrift gemacht, damit wir was lernen, weil wir das Gefühl hatten, wir wollen von diesen Leuten lernen, und dass dann sozusagen das dabei herauskam, war natürlich genial. Und so hat sich das bei mir dann im Grunde sehr glücklich eingestellt, dass erst mal Christoph "Milchwald" machen konnte und ich dann eben den "Schläfer".

Heise: Aber ich fand das jetzt sehr gut, wie Sie gesagt haben, dieses Aus-sich-selber-schöpfen-Können und nicht also quasi einen Uni-Alltag abreißen. Heißt das, Sie würden jetzt so als Abschluss vielen Leuten, die sich für Film interessieren, erst mal raten, sei erst mal künstlerisch tätig, bevor du glaubst, Filmregisseur lernen zu können?

Heisenberg: Absolut, absolut. Da gibt es zum Beispiel zwei Brüder aus Bayern, die einfach angefangen haben, Experimentalfilme zu Hause zu machen mit ihrer Videokamera, und die sind mittlerweile glaube ich in Hollywood. Ich habe die in einem Schülerfilmfestival gesehen, deren Sachen, und die sind einfach fantastisch. Die sind so gut, dass, wenn man selbst wirklich diesen Motor hat, dann wird man auch irgendwohin kommen.

Heise: Vom Anfänger zum Berlinale-Wettbewerbsteilnehmer und vielleicht Weiteres. Danke schön, Benjamin Heisenberg! Ich wünsche Ihnen viel Glück, Ihnen und Ihrem Film "Der Räuber", danke!

Heisenberg: Vielen Dank!