Mit dem Schwert ins Heilige Land

Rezensiert von Kirsten Dietrich · 17.05.2006
Der Ritterorden der Templer entstand zu Beginn des 12. Jahrhunderts - auf der Höhe der Kreuzzugsbewegung. Die kämpfenden Mönche erlangten schnell Reichtum, Ruhm um Macht. Doch rund 200 Jahre nach seiner Gründung wurde der Orden vom französischen König zerschlagen. Der Historiker Malcolm Barber zeichnet in seinem Buch "Die Templer" die Geschichte des Ordens nach und beleuchtet den Mythos, der sich um die Tempelritter rankt.
Noch eine "wahre Geschichte" des Templerordens, eine Enthüllung der "wahren Fakten" über die geheimnisvollen Verschwörer und Bösewichter der Kirchengeschichte?

Nein, gerade nicht. Genauer: Das Buch ist eine Abhandlung zum Templerorden, und dieser Orden entstand in so ungewöhnlichen Zeiten und ging auch genauso spektakulär wieder unter, dass man da gar keine sensationalistischen Thesen zufügen muss, um einen spannenden Schmöker zu haben – und das eben im Gewand eines solide recherchierten historischen Sachbuchs mit hunderten von Fußnoten.

Autor Malcolm Barber lehrt mittelalterliche Geschichte an der Universität von Reading und zeigt die besonderen Qualitäten englischer Wissenschaftslektüre: dass sie nämlich unterhaltsam sein kann, ohne irgendwelche Abstriche bei der Orientierung an den Fakten zu machen.

Dann zu den Fakten: Warum haben die Templer diese Aura bekommen? Warum dieser Ruf des Verschwörer- und Sektierertums, der sich mühelos aus dem Mittelalter in die moderne Filmgeschichte fortgesetzt hat?

Einfach nur die nüchternen äußeren Fakten zeigen eine schier unglaubliche Geschichte: Die Templer entstanden Anfang des 12. Jahrhunderts, auf der Höhe der Kreuzzugsbewegung – sie wuchsen aus bescheidensten Anfängen zu einer Art Ideal-Ritter fürs neu eroberte Heilige Land, gewannen Reichtum und Macht – und endeten knapp 200 Jahre später ebenso spektakulär auf dem Scheiterhaufen. Das ist einfach eine unglaubliche Geschichte, die zum Spekulieren geradezu einlädt.

Was Barber in seinem Buch sehr gut gelingt: Er zeigt das Gespinst aus weltlichen und geistlichen Machtansprüchen, in dem die Templer von Anfang gefangen waren und auch aktiv operierten.

Eigentlich entstanden sie – wahrscheinlich 1119 – als Art geistliche Schutztruppe für die Pilger, die zu den neu eroberten biblischen Stätten in Jerusalem und anderen Orten Israels reisten. Denn, auch wenn so genannte Kreuzfahrerstaaten anderes versprachen, die Sicherheitslage war prekär, gerade die Pilger waren leichte Opfer muslimischer Guerilla-Überfälle. Deswegen wurde vor Ort der Gedanke einer speziellen Schutztruppe sehr begrüßt, deswegen wahrscheinlich ist der Orden auch sehr, sehr schnell vom Papst anerkannt worden, schon 20 Jahre später, obwohl es einen Orden kämpfender Mönche noch nie vorher gab.

Ein Orden, dessen Mitglieder zum Kampf mit dem Schwert verpflichtet waren, klingt nun nicht gerade nach einer idealtypischen Umsetzung des christlichen Mönchsideals des "Ora et labora".

Ja, und das ist dem Templerorden von Anfang an zum Problem geworden. Die Templer haben später viel Wert darauf gelegt, persönliche Bescheidenheit und Armut als ihre vorherrschenden Merkmale seit Beginn darzustellen – am Anfang hatte der Orden angeblich nur neun Mitglieder, und sein Siegel zeigt zwei Ritter, die sich ein Pferd teilen – also sehr bescheidene Ritterschaft.

Und natürlich war diese Zeit Anfang des 12. Jahrhunderts von religiösem Eifer durchtränkt. Es war die Zeit von geistlichen Reformbewegungen und Ordensneugründungen, Könige brachen durchaus aus ernst gemeintem Glaubenseifer zu Kreuzzügen auf – aber natürlich wurde da auch ganz nüchtern machtpolitisch kalkuliert. Sowohl von weltlicher Seite – da brauchte man eine bewegliche Elitetruppe, die durch die Verpflichtung aufs Ritterideal die gleiche Sprache sprach wie man selbst. Und auch auf kirchlicher Seite war man sich bewusst, dass die heiligen Stätten nur mit Beten allein nicht zu halten waren. Barber zitiert einen Brief von Bernhard von Clairveaux, des berühmten Zisterziensers und Kreuzzugspredigers, der Reisepläne seiner Äbte ins Heilige Land ablehnte mit der Begründung: "wer kann nicht erkennen, dass dort kämpfende Ritter notwendig sind und nicht singende und wehklagende Mönche?"

Also, die Tempelritter machten sich mit dem Einverständnis aller Seiten – und sicher auch aus eigener Überzeugung – im Kampf um die Kreuzfahrerreiche die Hände schmutzig – und solche Leute hat man ja noch nie gern gemocht.

Kirchliche Gegner kritisierten: kämpfende Mönche, die das Blutvergießen als ihre Hauptaufgabe hatten, seien eine Abnormität. Ein "Monstrum" aus Ritter und Mönch, aus Reinheit und Verworfenheit, nannte Heinrich von Huntingdon 1145 einen Templer.

Weltliche Herrscher bekamen es mit der Angst, als sie feststellten, wie groß der Besitz war, den der Orden durch Schenkungen inzwischen in Europa, vor allem Frankreich, angehäuft hatte – denn auch wenn die PR-Abteilung sozusagen in Jerusalem kämpfte, die wirtschaftliche Macht und die meisten Mitglieder saßen von Anfang an auf dem europäischen Kontinent.

Da halfen auch die großzügigen Privilegien wenig, die die Päpste gaben und die dem Orden zum Beispiel die Beute zusprachen, die sie von den "Ungläubigen" machen konnten. Bei vielen hatte der Templerorden schnell den Ruf von Plünderern, und mancher militärische Fehlschlag wurde dem Eigeninteresse an Beute zugeschrieben. Der Orden zog seine Berechtigung aus dem militärischen Erfolg – wenn der ausblieb, dann fiel das Augenmerk wieder schärfer auf den Grundwiderspruch.

Dabei war das Ordensleben in sich wenig spektakulär, ganz auf die Notwendigkeiten des Kämpfens eingerichtet. Ordensritter durften Pferde haben, auch wenn das eigentlich als Zeichen des Ritterstandes verachtet wurde, sie konnten ihre geistlichen Verpflichtungen flexibel halten, trugen keine geistlichen Gewänder, erst später den weißen Überwurf mit dem roten Templerkreuz, sie waren sicher kein Orden, in dem es ein nennenswertes geistliches Leben gab – auch wenn die Ordensmeister immer häufiger aus den Kreisen der Geistlichen kamen.

Das Ende des Templerordens war dann aber recht spektakulär.

Als am Ende des 13. Jahrhunderts die Kreuzfahrerstaaten einer nach dem anderen in sich zusammenfielen und die christliche Macht in Outremer, jenseits des Meeres, wie die Länder im damaligen Sprachgebrauch hießen, zerbröselte, zeigte sich, wie tief die Templer in europäische Machtspiele verwickelt waren – und dass sie denen weniger gewachsen waren als Überfällen kriegerischer Damaszenen auf Pilgerzüge.

Man warf den Templern vor, dass ihre Loyalitäten schwankend seien, machte sie für Niederlagen verantwortlich, bezichtigte sie des Verrats – obwohl es oft genug wahrscheinlich einfach militärische Unterlegenheit und Notwendigkeit war, warum sie Städte aufgaben. Deswegen gab es Überlegungen, die verschiedenen militärischen Orden zusammenzulegen. Die Templer waren naturgemäß nicht begeistert, wollten Selbstständigkeit wahren und machten sich daran, ihre innere Struktur zu straffen und nach einer neuen Rolle zu suchen.

Mitten hinein platzte der berühmte Freitag der 13. im Jahr 1307, als König Philipp der Schöne von Frankreich in sorgfältig geplanter Aktion Tempelritter verhaften ließ und auch die Führungsspitze, den Ordensmeister Jakob von Morlay. Die Gründe, das legt Barber überzeugend nahe, sind überhaupt nicht inhaltlicher Art, kein Verrat, keine Verschwörung – es geht schlicht ums Geld. Der König war hoch verschuldet, die Templer hatten wichtige Aufgaben in der französischen Finanzverwaltung und Grundbesitz und flüssige Mittel – die wollte der König in die Hand bekommen und gleichzeitig auch den Einfluss auf die Verwaltung ausschalten.

Den Templern wurde der Prozess gemacht – 138 Geständnisse sind überliefert, nur vier bestreiten alle Vorwürfe. Die anderen – darunter sämtliche hohen Amtsträger – gestehen widernatürliche Praktiken und Gotteslästerei, aufs Kreuz spucken, Götzendienst und homosexuelle Handlungen als normalen Teil der Aufnahmezeremonien in den Orden zum Beispiel.

Wahrscheinlich sprechen die Geständnisse mehr für den Standard der Folter in den französischen Gefängnissen als für die Realität im Orden.
Der Papst wurde hineingezogen, konnte nicht anders, als die Verhaftungen zu bestätigen – leistete eine Art passiven Widerstand gegen den französischen König: der Templerorden wurde zwar 1312 aufgelöst, das Geld aber ging nicht an die französische Krone, sondern an die Johanniter für ihre Arbeit im heiligen Land.

Viele Ritter starben auf dem Scheiterhaufen, unter anderem 1314 der Ordensmeister Jakob von Molay – der sich angeblich aus den Flammen heraus rächte. Seine Verfolger werden innerhalb eines Jahres sterben, habe er gesagt – und als König und Papst wirklich binnen eines Jahres tot waren, beide übrigens auf völlig nahe liegende Weise, da war der Fluch der Templer geboren. Dazu noch die Tatsache, dass sich die Spuren des ausführlichen Archivs der Templer ungefähr um die gleiche Zeit auf Zypern verlieren – voila, der Mythos ist da.

Verhält sich Barber als Historiker zu diesen Mythen?

Sein ganzes Buch ist ja eigentlich der Versuch, die Mythen durch Fakten zu ersetzen, und zu zeigen, dass die Fakten an sich schon spannend genug sind. Wahrscheinlich ist es für einen Mittelalterhistoriker auch die normalste Sache der Welt, dass wichtige Unterlagen verloren gehen oder sich Fakten eben nicht beweisen lassen – was für den Verschwörungstheoretiker dagegen das Werk sinistrer Kräfte ist. Barber folgt der Entwicklung des Templer-Mythos durch die Jahrhunderte und zeigt auch Verständnis für den Wunsch nach einer lückenlosen Geschichte ohne Zweifel. Aber vor allem will er zeigen, wie ausgerechnet die Templer zu einer Folie für Sehnsüchte und Ängste jeglicher Coleur werden konnten, von Romantikern bis zu Konservativen. Und das gelingt ihm ziemlich überzeugend.

Malcolm Barber: Die Templer. Geschichte und Mythos eines Ritterordens
Aus dem Englischen von Harald Ehrhardt.
Artemis & Winkler 2005
360 Seiten, 28 Euro