Mit dem Floß durch Brandenburg

Camping auf dem Wasser

Der Kaufmännische Leiter Marcus Börner (r) und der Geschäftsführer Kai Jacobi von der Firma Jacko Schiffbau und Yachtservice GmbH an einem Hausboot in einer Werkhalle in Philadelphia (Brandenburg)
Legen selbst Hand an: Kai Jacobi und Marcus Börner an einem Hausboot in einer Werkhalle in Brandenburg © dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Vanja Budde  · 11.06.2018
Sofort runterfahren auf Null: Mit einem Floß über Brandenburgs Seen schippern ist unglaublich entspannend, verspricht Verleiher Kai Jacobi. Tatsächlich nimmt der Wassertourismus zu - aber nicht alle freuen sich darüber.
Das kleine Rundlingsdorf Dolgenbrodt liegt idyllisch am Flüsschen Dahme, im Naturpark Dahme-Heidessen, 60 Kilometer süd-östlich von Berlin. Hier hat die Jacko-Werft einen von zwei Standorten, direkt am Flussufer natürlich. Die Mannschaft von Bootsbauer Kai Jacobi hat gerade ein großes blau-weißes Hausboot aus DDR-Zeiten in Arbeit.
"Hier wird die Terrasse erneuert, also altes Holz, was zu lange drauf war, wird entfernt und dann wieder neuer Terrassenbelag draufgepappt und raufgeschraubt. Also viel sind dann schon die Schrauben verrostet, das Holz ist marode, das wird dann ausgetauscht."
Kai Jacobi hat die Werft von seinem Vater übernommen, der den Betrieb 1961 gegründet hatte. Nach der Wende entdeckten die zuvor eingemauerten West-Berliner die Seen und Flüsse Brandenburgs, dann kamen auch viele andere Touristen. Und Jacobi begann neben seinem Yachtservice auch Hausboote und Flöße mit Aufbauten zu konstruieren.
"Ich hab dazu andere Rümpfe entwickelt, die sind in Stahl. Die haben ein bisschen mehr Tiefgang, die Flöße treiben nicht so leicht, sind nicht so windanfällig wie andere, die jetzt auf Plastikschwimmern fahren, fahren auch sehr gut mit geringer Motorisierung, also die Leute kommen damit sehr gut zurecht."

Schnittige Yachten sind out

Jacobi hat sich auf kleinere Flöße spezialisiert, 6,50 Meter lang, drei Meter breit. Eine etwas größere Variante bietet Platz für maximal 15 Passagiere. Aus rot-braun gebeiztem Kiefernholz liegen sie am Ufer vertäut.
Früher baute Jacobi im Auftrag von Charterunternehmen, heute verleiht er die Flösse selber. Stolz zeigt er eines der gemütlich wirkenden Wasserhäuschen. Es hat zum Bestaunen der Landschaft rundum Fenster aus Plastikfolie, die man mit Reißverschlüssen aufmachen kann.
"Ja, da haben wir natürlich hier auf dem kleinen Floß: Selbst hier ist hinten eine kleine schöne Terrasse, hier kann man den Grill aufstellen, man kann also auf den Booten auch grillen. Ansonsten haben Sie eben den Führerstand, der ist innen drinne, also der, der am Steuer sitzt, ist nicht ausgeschlossen... "
Das Innere der Aufbauten birgt gepolsterte Sitzbänke, die man zu einer großen Liegefläche umlegen kann; eine kleine Küchenecke mit Gasgrill.
"…und hier ein Toilettenraum, der auch sehr wichtig ist. Ja, da arbeiten wir mit diesen Trockentoiletten. Das sind Plastikbeutel, die verschließbar sind, und dann letztendlich einfach über den Hausmüll entsorgt werden können. Ist aus dem Camping-Bereich."
Kai Jacobi und Marcus Börner auf einem ihrer Flöße
Legen viel selbst Hand an: Kai Jacobi und Marcus Börner auf einem ihrer Flöße© Deutschlandradio / Vanja Budde
Auf der Terrasse ist auch Platz für Fahrräder, hinten hängt die Badeleiter im Wasser, unter der Decke sind Netze zum Verstauen gespannt. Camping auf dem Wasser statt schnittiger Yachten – Jacobi hat halt den Bedarf erkannt.
"Das Interesse wird immer größer. Wir sprechen ja mit diesen Flößen oder Hausbooten nicht mehr den klassischen Bootsportler an, sondern das breite Publikum. Es wird manchmal belächelt oder die Nase gerümpft wegen den Hausbooten und wegen den Flößen, aber man sollte natürlich auch allen Menschen zusprechen, auf dem Wasser Urlaub machen zu dürfen, auch welchen, die nun nicht diese seemännische Erfahrung haben oder damit schon ewig aufgewachsen sind. Bei uns kommen auch Leute, die waren noch nie auf dem Wasser und die sind glücklich, dass sie einfach mal aufs Wasser können. Da ist eben das Spektrum breit."
Sieben Flöße in zwei Größen vermietet die Jacko-Werft über die Firma FlussFloss. Sie ist damit unter den Bootsverleihern der Region ein kleiner Fisch.
"Normalerweise über den Winter bauen wir immer ein, zwei Stück, aber diesen Winter waren wir so voll mit Arbeit, wir hatten keine Chance."
Wer solch ein Floß als schwimmende Datsche kaufen will, muss mindestens 25.000 Euro auf den Tisch legen. Dabei setzen Kai Jacobi und sein Partner Markus Börner auf Barrierefreiheit:

Die Flöße sind barrierefrei

Spazieren gehen auf dem Wasser, ohne Laufen zu müssen. Die Jacko-Werft hat für den Anbieter Rolly-Tours entsprechende Boote gebaut und entwirft auch die eigenen Flöße barrierefrei, sagt der kaufmännische Leiter Börner.
"Der Vorteil von den Flößen ist: Es ist eine Ebene, man kommt sehr leicht von außen rauf, man kann mit dem Rollator drauf, man kann mit dem Rollstuhl rauf, man kann mit dem Kinderwagen rauf und hat kein Problem, die ganzen Sachen zu verstauen. Man kann sich gut drauf bewegen und es ist alles wesentlich einfacher."
Sie seien mit Blick auf die eigene Familie auf die Idee gekommen, erzählt Markus Börner. Er hatte ein klassisches Kajütboot, achteinhalb Meter lang.
"Wir dachten, es wäre das ideale Boot für Familien und mussten feststellen, dass mit den vielen verschiedenen Ebenen, hier ein bisschen hochkraxeln, da ein bisschen runterkraxeln, das also weder mit einem Kleinkind noch mit der Großeltern- oder Elterngeneration so richtig funktioniert hat."
Die Flöße dagegen haben breite Durchgänge und Bewegungsfreiheit auf den Terrassen vor den Aufbauten.
"Sie haben eine leichte Möglichkeit, vom Steg direkt aufs Boot zu kommen. Wir haben hier auch eine Rampe, die wir mit anlegen können, wo wir auch schon Rollstuhlfahrer haben rauffahren lassen. Also das ist relativ einfach zu handhaben."
Die mit maximal zwölf Stundenkilometern gemächlich vorbei ziehende Landschaft vom Liegestuhl aus betrachten – eine verlockende Vorstellung für diesen Kunden von Ende 70.
"Völlig überzeugend eigentlich, dass man also Platz genug hat und sich als Gehbehinderter auch schön ausruhen kann, mal hinsetzen kann. Ja, das Steuern, das wird sich dann wahrscheinlich finden, dass das jüngste Familienmitglied das übernimmt."
Der Enkel soll das Floß steuern, erzählt der Rentner, der Mühe mit dem Laufen hat. Kein Problem, meint Jacobi, es braucht keinen Boots-Führerschein, nur eine Einweisung und mit dem Viertakt-Motor käme jeder zurecht.
"Die laufen sehr kursstabil und leicht manövrierfähig, auch fürs Anlegen."

Nautische Neulinge halten den Schleusenbetrieb auf

Schleusenwärtern fällt allerdings schon auf, dass die nur kurz eingewiesenen nautischen Neulinge nicht selten Hilfe brauchen und den Betrieb aufhalten. Dabei haben die Schleusen oft genug wegen Personalmangels verkürzte Öffnungszeiten. Und der Andrang ist im Sommer gewaltig, vor manchen Schleusen bilden sich dann lange Schlangen von Freizeitkapitänen.
Kein Wunder: Auf den Wasserstraßen sind jedes Jahr 120.000 Charterurlauber unterwegs und 350.000 Mietkanuten. Zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern ist Brandenburg das größte zusammenhängende Binnenwasserrevier Deutschlands. Das lockt auch viele Urlauber mit eigenem Segel- oder Motorboot an. Letztere fahren den Fischern oft unbedarft und achtlos Netze und Reusen kaputt.
Fischer Ralf Dowhaluk zum Beispiel fährt im Sommer nur nachts auf den Mellensee raus.
"Am Tage Netze stellen funktioniert gar nicht, wegen der Motorboote. Das haben wir früher mal gemacht, da funktionierte das einigermaßen alles. Aber jetzt, durch die Motorboote, da hast Du keine Freude mehr."
Denn so ein Stellnetz ist teuer: 200 Meter lang und sieben Meter tief hängt es im flachen Mellensee. Auf dem Schaden würde der Fischer sitzen bleiben.
"Hier allein schon auf dem See mit einer Durchschnittswassertiefe von anderthalb Meter mit den Motorbooten – 100, 200, 300 PS-Motoren und dann jagen sie natürlich über den See. Und wenn du dann die Wasserschutzpolizei anrufst: ‚Du, pass mal auf, hier spielen sie wieder Wilde Sau‘, dann kriegst du als Antwort: ‚Nee, wir kommen nicht raus, wegen des einen Idioten lohnt sich das nicht‘."
Hier auf der Jacko-Werft im beschaulichen Dolgendrodt ist man von solchen Exzessen weit entfernt: Die Motoren der Flöße haben nur 15 PS. Die Kundschaft will nicht rasen, sondern reisen.
"Camping auf dem Wasser ist auf jeden Fall immer sehr interessant. Kann man einen Hund auch ohne Weiteres mitnehmen, nehme ich mal an, ja?
Markus Börner: "Kein Problem. Überhaupt gar kein Problem."

Es geht um Ruhe und Beschaulichkeit

Schwimmwesten gibt es auch für mitgebrachte Haustiere, erzählt Markus Börner, während Werft-Hund Merlin, ein Doggen-Boxer-Mix, eine nach Fisch duftende Holzlatte beschnüffelt. Außerdem denken sie über eine neue Idee nach:
"Gerade jetzt auch für kleinere Familien oder mit kleinen aufgeregten Hunden – da macht es vielleicht Sinn, dass man mit Plexiglas die Reling einhaust und dann braucht man sich auch keine Gedanken machen, dass die Kinder ins Wasser fallen oder der Hund ins Wasser springt oder Ähnliches. Da hat man dann auch erstmalig als Eltern wieder ein bisschen mehr Ruhe, wenn man auf dem Wasser ist."
Denn um Ruhe und Beschaulichkeit geht es seiner Kundschaft, die Brandenburgs Gewässer mit dem Floß erkundet, erzählt Kai Jacobi.
"Die einen die Natur, die natürlich hier auch fantastisch ist, Leute, die Bilder machen wollen, welche, die angeln wollen, welche, die einfach nur die Ruhe auf dem Wasser genießen wollen, die sagen: Wenn ich aufs Boot gehe, in dem Moment habe ich Urlaub! Man kann seine Luftmatratze ausrollen und Urlaub haben, als wenn man zum Strand geht. Hier hat man natürlich den Vorteil: Man kann sich eine schöne Stelle auf dem Wasser suchen und da seinen Nachmittag verbringen oder sein Buch lesen oder es einfach mal sofort runterfahren auf Null. Und das ist hier möglich."
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