Mit dem Airbus in die Arktis

Ein Tagesausflug zum Nordpol

Die Spitze eines Gletschers mit Blauem Eis, aufgenommen am im Kongsfjord bei Ny-Ålesund auf Spitzbergen (Norwegen) vom Flugzeug aus.
Gletscher auf Spitzbergen - aufgenommen aus dem Flugzeug. © dpa / Jens Büttner
Von Holger Trocha · 24.06.2017
Ob auf dem Himalaja oder in der Wüste Gobi – überall sind sie schon: Touristen. Eine Eventfirma aus Essen hat sich deswegen etwas Besonderes ausgedacht: einen Flug zum Nordpol - von Berlin, als Tagestour: 10.000 Kilometer, 93.000 Liter Kerosin. Reporter Holger Trocha ist mitgereist.
Sieben Uhr Morgens, Flughafen Berlin Tegel. Ich sitze am Gate B 20. Doch mein Flieger geht diesmal nicht nach Köln, Frankfurt oder Stuttgart. Neben mir telefonieren keine hektischen Geschäftsleute. Niemand hat Gepäck, wirklich niemand ist in Eile.
Ein älterer Mann mit weißem Vollbart trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift: "I love polar bears!". Und direkt neben mir sitzt Ordensschwester Petra. Um ihren Hals hängen ein Kreuz und zwei hochmoderne Fotokameras.
"Meine Damen und Herren, Ihr Air-Berlin-One-World-Flug und Air-Berlin-Polarflug AB 9669 nach Nordpol steht nun am Gate B 20 für Sie zum Einsteigen bereit."
Kein Witz: Ich jette mit einem Airbus A 330-200 von Berlin zum Nordpol. Dort umrunde ich kurz die Erde und erkunde im Tiefflug Grönland. Rund 200 Passagiere sind mit mir an Bord.

"Vielleicht sieht man da ja auch Eisbären"

Schwester Petra holt sich noch schnell einen Kaffee. Neben ihr steht Alexander Soucek, Jurist bei der europäischen Weltraumbehörde ESA. Er verschickt noch schnell eine SMS, lächelt erwartungsvoll - wie fast jeder am Gate B 20.

"Viele tolle Eindrücke vom Dach der Welt sozusagen - vom Nordpol - und von den angrenzenden nördlichen Ländern halt."

"Was für Erwartungen habe ich? Dass es eine ganz spannende, aufregende Geschichte wird, dass wir eine Supersicht haben."

"Vielleicht sieht man da ja auch Eisbären. Ich weiß es nicht. Aber wenn ja, dann wäre es cool."
Das Abenteuer Arktis beginnt wie jeder andere Flug von Tegel. Wir überfliegen Brandenburg.
"Ladies and Gentlemen, good morning and welcome on board. A special flight event ahead of us, the flight to the North Pole, to the country of the polar bears."
Selfi unseres Reporters Holger Trocha während des Flugs Berlin-Nordpol
Selfi unseres Reporters Holger Trocha während des Flugs Berlin-Nordpol© Deutschlandradio / Holger Trocha
So eine Ansage dagegen werde ich wohl nie wieder hören. Auf dem Bildschirm vor uns eine Landkarte. Der Nordpol ist nur ein großer, schwarzer Fleck. Und Flug AB 9669 steuert direkt darauf zu. Mehr Nord geht einfach nicht.

Flug durch ein weißes Paradies

Der Mann von der ESA sitzt entspannt in Reihe 17, beantwortet jede Frage. Das ist sein Job. Alexander Soucek soll für die richtige Mischung von Information und Unterhaltung an Bord sorgen.
"Wir fliegen zwölf Stunden lang durch ein Gebiet, das normalerweise kein Mensch zu Gesicht bekommt. Wir fliegen durch eine Eislandschaft, durch ein weißes Paradies."
Nach gut vier Stunden und 30 Minuten hält es niemanden mehr auf den Sitzen. Alle stehen vornübergebeugt, drücken ihre Nasen an einem der Fenster platt. Kapitän Wilhelm Heinz überfliegt im Tiefflug Spitzbergen.
"Wir befinden uns jetzt schon im subarktischen Bereich. Das heißt, wir haben gerade die Grenze in Richtung Arktis überflogen."
Unberührte Landschaften,
Auch Ordensschwester Petra hat längst ihren Platz verlassen. Sie sucht gleich an mehreren Fenstern nach den besten Perspektiven für Schnappschüsse.
"Ich find es schön, mal eine Gegend ohne Menschen zu sehen: unberührte Landschaften. Das ist schon ein sehr ergreifendes Erlebnis."
Unser Airbus fliegt weiter Richtung Norden. Die Landkarte vor mir ist nun tiefschwarz. Und wir mittendrin.
Punkt 12.36 Uhr, fünfeinhalb Stunden nach dem Start, meldet sich wieder das Cockpit:
"Fünf, vier, drei, zwei, eins. Und wir erreichen den Nordpol genau jetzt! Jetzt genau in diesem Moment am Nordpol!"
Das Wetter hier oben: viele Wolken, Schnee, starker Wind. Die Turbulenzen sind heftig. Das stört aber niemanden. An Bord knallen die ersten Sektkorken.

Kaum Zeichen der menschlichen Zivilisation

"So was Schönes habe ich noch nie erlebt! Ein einmaliges Erlebnis. Das geht einfach runter wie Öl."
"Das ist ein wunderbares Gefühl, eine einmalige Sache. Das wird man wahrscheinlich nie wieder erleben."
Kapitän Heinz setzt noch einen drauf, fliegt eine beherzte Acht über dem Nordpol. Mit einem heftigen Ruck durchfliegen wir dabei unsere eigene Wirbelschleppe.

"And now we do our east-bound-trip around the world!"
In weniger als drei Minuten überqueren wir so alle Längengrade der Erde, umrunden gleich zwei Mal die Welt. Und nehmen schließlich Kurs auf Grönland. Das Wetter dort: viel besser. Sonne satt. Dazu eine atemberaubende Sicht. Alexander Soucek ist begeistert.
"Du siehst kaum Zeichen der menschlichen Zivilisation - und wo gibt es das heute noch."
Drei Stunden lang geht es im Tiefflug über eisbedeckte Hochgebirge und riesige Fjorde. Einziger Wermutstropfen: die gigantischen Eisberge, die sich überall vom Festland lösen und auf das Meer zutreiben.
"Man merkt natürlich auch in der Arktis, dass gewisse Dinge – Klimawandel et cetera – vonstattengehen. Aber das Erlebnis ist trotzdem unglaublich."
Nach zwölf Stunden und 25 Minuten endet es. Unsere Maschine hat auf dem 10.000-Kilometer-Flug mehr als 93.000 Liter Kerosin verbraucht. Noch am Flughafen überweise ich 80 Euro als CO2-Kompensationsabgabe.
Blick aus dem Flugzeug - während des Ausflugs Nordpol.
Blick aus dem Flugzeug - während des Ausflugs Nordpol. © Deutschlandradio / Holger Trocha
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